Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci bestritt in einem am Donnerstagabend geführten Reuters-Interview die Existenz einer schwarzen Liste gegen deutsche Unternehmen: "Alle deutschen Investitionen in der Türkei sind zu 100 Prozent abgesichert durch die türkische Regierung, den Staat und das Gesetz." Auch Präsident Recep Tayyip Erdogan wies die Vorwürfe zurück. Er schlug allerdings scharfe Töne an: Deutschland müsse "sich zusammenreißen".
Die Bundesregierung behält sich weitere Schritte vor. "Wir werden zu jedem Zeitpunkt prüfen, ob weitere Beschlüsse notwendig sind. Und die werden wir dann gegebenenfalls auch öffentlich verkünden", sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier im ZDF. Dagegen hält Zeybekci die Krise mit Deutschland für "vorübergehend".
Nach Festnahmen von Bundesbürgern in der Türkei und Drohungen gegen deutsche Unternehmen hat die Regierung in Berlin angekündigt, ihre Türkei-Politik neu auszurichten. Es soll geprüft werden, ob die Exportbürgschaften für Lieferungen in die Türkei ausgesetzt werden. Neue Rüstungsprojekte mit dem Land wurden auf den Prüfstand gestellt. Ausfuhrgenehmigungen werden künftig wohl nicht mehr erteilt. Bereits entschiedene Projekte dürften zunächst nicht betroffen sein.
Rückzugabsichten deutscher Unternehmen sind nicht bekannt. Die Handelskonzerne Metro und Ceconomy wollen dort weiter investieren. Auch Bosch plant keine Änderungen. "Wir sind seit 1910 in der Türkei aktiv und wollen auch langfristig dort bleiben", erklärte der Autozulieferer. Die Entwicklung werde allerdings aufmerksam beobachtet. Erdogan sagte, die Türen für ausländische Investitionen stünden weit offen - auch für deutsche.
Reuters zufolge wirft die Türkei jedoch den auf ihrer Liste geführten Unternehmen - darunter Daimler und BASF - vor, Verbindungen zu dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen zu haben. "Das sind fake news", sagte Zeybekci der Nachrichtenagentur Reuters. Der stellvertretende Regierungschef Mehmet Simsek erklärte, die türkischen Behörden ermittelten wegen des Verdachtes der Terrorfinanzierung gegen keine deutsche Firma. "Wir begrüßen und freuen uns sehr über deutsche und internationale Investitionen in der Türkei", sagte er zudem dem Handelsblatt.
Tatsächlich erlebt die Türkei eine Erholung der Wirtschaft, was sich auch in steigenden ausländischen Direktinvestitionen niederschlägt.
Die türkische Wirtschaft erholt sich nach Angaben der Regierung von dem Putschversuch vor einem Jahr. Dank staatlicher Konjunkturstützen werde das angepeilte Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 4,4 Prozent in diesem Jahr wohl übertroffen, sagte Finanzminister Naci Ağbal am Montag, wie Reuters berichtet. Die jüngsten Daten seien ermutigend. Die Wirtschaft laufe wieder normal und der gescheiterte Umsturz vom 15. Juli 2016 habe keinen nachhaltigen Schaden hinterlassen. Die auf Schulden basierenden Investitionen der Regierung hätten zwar das Haushaltsdefizit in die Höhe getrieben. Aber die Arbeitslosigkeit sei auf dem Rückzug.
Die Erwerbslosenquote fiel zuletzt auf 10,5 Prozent von einem Sieben-Jahres-Hoch von 13 Prozent zu Jahresanfang. Sie liegt aber dennoch deutlich über den 9,5 Prozent vor einem Jahr. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt zudem weiter bei fast 20 Prozent. Die Inflation soll nach dem Willen der Regierung am Jahresende wieder in den einstelligen Bereich fallen, nachdem die Teuerung im April mit 11,9 Prozent auf den höchsten Stand seit neun Jahren geklettert war.
Die türkische Wirtschaft war nach dem Putschversuch im dritten Quartal 2016 erstmals seit sieben Jahren geschrumpft. Die Regierung sorgte daraufhin für Impulse, die wieder zu Wachstum verhalfen.
Die ausländischen Direktinvestitionen in der Türkei sind in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 65 Prozent gestiegen. Sie beliefen sich auf insgesamt 3,6 Milliarden Dollar. 2,3 Milliarden dieser Investitionen stammen aus Katar, den Niederlanden und Spanien. Die niederländischen Direktinvestitionen hatten mit 751 Millionen Dollar einen Anteil von 21 Prozent an den Gesamtinvestitionen. Der Anteil von Katar lag mit 541 Millionen Dollar bei 15 Prozent. Der Anteil von Aserbaidschan lag mit 270 Millionen Dollar bei sieben Prozent und der Anteil von Belgien lag mit 210 Millionen Dollar bei sechs Prozent, berichtet die Zeitung Milliyet.
Die gesamten ausländischen Direktinvestitionen verteilten sich zu 26 Prozent auf den Bankensektor, zu 22 Prozent auf den Gas- und Stromsektor und zu sieben Prozent auf das Verkehrs- und Lagerwesen. Die wichtigste Investition im Bankensektor erfolgte durch die spanische Banco Bilbao Vizcaya Argentaria'nın (BBVA). Sie erwarb für 917 Millionen Dollar 9,95 Prozent an der türkischen Garantie Bank.
Die türkischen Direktinvestitionen im Ausland beliefen sich auf 1,3 Milliarden Dollar, was einem Anstieg von neun Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gleichkommt.
Besonders bemerkenswert ist, dass in den ersten beiden Quartalen Exportgüter im Wert von etwa vier Milliarden Dollar ins Ausland verkauft wurden. 54,1 Prozent der Exporte gingen in Staaten des Nahen Ostens, 18,3 Milliarden Dollar in die EU und 10,7 Prozent in afrikanische Staaten. Der prozentuale Rest verteilte sich auf diverse andere Regionen, berichtet Dünya Gazetesi.