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Deutsche Autobauer wollen für Rettung des Diesel kämpfen

Vor dem „Diesel-Gipfel“ erhöhen die Automobilhersteller und die Bundesregierung den Druck aufeinander.
31.07.2017 12:03
Lesezeit: 2 min

Kurz vor dem Diesel-Gipfel haben Betriebsräte der Autoindustrie vor den Folgen eines Fahrverbotes und einer Ächtung von Dieselautos gewarnt, berichtet Reuters. Einfahrverbote in Großstädte, wie sie zuletzt das Verwaltungsgericht Stuttgart für notwendig hielten, zögen einen „dramatischen Rückgang des Diesel-Anteils“ nach sich, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Betriebsräte aller deutschen Autobauer und der großen Zulieferbetriebe mit der IG Metall vom Montag. Pendler würden bestraft und zahlreiche Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Einer kürzlich veröffentlichten Studie zufolge sind etwa 600.000 Arbeitsplätze in Deutschland indirekt und direkt vom Verbrennungsmotor abhängig. 

Um dies zu verhindern, fordern die Arbeitnehmervertreter eine flächendeckende Nachbesserung von Fahrzeugen mit der älteren Euro-5-Abgasnorm. Nötig sei zudem ein beschleunigter Austausch von alten Dieselautos mit den Abgasnormen Euro 1 bis 4 in kommunalen Fuhrparks, bei Taxiunternehmen und im Gewerbeverkehr. Dazu schlägt die IG Metall eine staatlich finanzierte Abwrackprämie vor. Daneben soll der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut werden. Nach Meinung der Gesamtbetriebsräte und der Gewerkschaft soll auch das Netz an Erdgastankstellen ausgebaut und der Einsatz CO2-neutraler Antriebe und Kraftstoffe vorangetrieben werden.

Am Mittwoch treffen sich unter Leitung von Verkehrs- und Umweltministerium Vertreter der Autoindustrie, Länder und Kommunen, um Wege zur Vermeidung von Fahrverboten in den Städten zu finden.

Die Politik hat die Automobilindustrie auf ein ungemütliches Treffen eingeschworen, berichtet AFP. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte am Wochenende, der Gipfel werde „kein gemütliches Kaffeekränzchen“, Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) befand, die Autobauer müssten ihrer „verdammten Verantwortung“ gerecht werden. „Wir werden den Autoherstellern einen Forderungskatalog vorlegen“, sagte die Umweltministerin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Dann werde die Branche erklären müssen, „wie sie sich dazu verhält“.

Erwartet wird bei dem Gipfel die Zusage der Autoindustrie, ältere Dieselfahrzeuge per Software-Update kostenlos für die Nutzer nachzurüsten. Hendricks sagte dazu, sie erwarte neben Software-Updates auch eine Nachbesserung der Hardware auf Kosten der Hersteller.

Auch Dobrindt sieht die Branche in der Pflicht: „Die Autoindustrie hat sich in richtig schweres Fahrwasser gebracht“, sagte er der Bild am Sonntag. „Es droht auch ein Schaden für die Marke 'Automobil made in Germany'.“ Die Automobilindustrie habe hier eine „verdammte Verantwortung, das Vertrauen wieder herzustellen“.

Kopfzerbrechen bereitet der Branche auch das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts vom Freitag. Die Justiz hatte den Weg für Diesel-Fahrverbote in Innenstädten geebnet: Dies sei im Fall älterer Dieselautos die beste Lösung zur Senkung gesundheitsschädlicher Abgase, urteilte das Gericht. In Stuttgart und zahlreichen anderen deutschen Städten werden die Emissions-Grenzwerte deutlich überschritten.

„Es gibt intelligentere Lösungen als Fahrverbote, um die Luftqualität in den Städten zu verbessern“, sagte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag. Mit neuer Software lasse sich der Ausstoß von Stickoxiden um mindestens 25 Prozent senken.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sagte, er sei „mit Vehemenz gegen pauschale Fahrverbote, wenn sie kurzfristig eingeführt werden, sich die Leute darauf nicht einstellen und nicht dagegen wehren können“.

Unterdessen kamen aus den Ländern Vorstöße zur Unterstützung des Diesel-Marktes: „Es wäre ein guter Weg, wenn wir über die Reduzierung der Kfz-Steuer einen Anreiz zum Kauf eines neuen, emissionsarmen Euro-6-Diesels setzen würden“, sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dem Spiegel. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) brachte eine Klimaprämie für den Kauf emissionsarmer Autos ins Gespräch. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es müssten Anreize für den Umstieg von alten Diesel- auf Euro-6- und Elektroautos geschaffen werden.

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) lehnte staatliche Kaufanreize ab: Die Hersteller sollten „Kunden motivieren, auf abgasarme moderne Diesel umzusteigen – und zwar auf ihre Kosten“, sagte sie.

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