Politik

Finanzinvestoren Bain und Cinven übernehmen Stada

Lesezeit: 2 min
18.08.2017 16:02
Die Finanzinvestoren Bain und Cinven schaffen im zweiten Anlauf die Übernahme von Stada.
Finanzinvestoren Bain und Cinven übernehmen Stada

Die bislang größte Übernahme eines börsennotierten Unternehmens aus Deutschland durch Finanzinvestoren ist perfekt. Nach einem langen Poker ist den Beteiligungsgesellschaften Bain und Cinven der bis zu 5,3 Milliarden Euro schwere Kauf des Arzneimittelherstellers Stada doch noch gelungen. "Wir sind froh, dass die Frage der zukünftigen Eigentümerstruktur nun geklärt ist", sagte Stada-Interimschef Engelbert Tjeenk Willink am Freitag. Das Unternehmen könne sich nun wieder aufs operative Geschäft konzentrieren. Bain Capital und Cinven schafften eine Punktlandung: "Es war sehr, sehr knapp", sagte ein Banker. Erst 36 Stunden nach Ablauf der Annahmefrist stand fest, dass ihnen mehr als die geforderten 63 Prozent der Stada-Anteilseigner ihre Aktien angeboten haben. Das endgültige Ergebnis sollte am Freitagabend feststehen.

Die Finanzinvestoren wollen dem Hersteller von Nachahmer-Medikamenten und frei verkäuflichen Markenprodukten wie Ladival Sonnenmilch und Grippostad bei seiner Expansion unter die Arme greifen. "Bain Capital und Cinven wollen einen wertvollen Beitrag zum weiteren Wachstum von Stada leisten – sowohl durch Investitionen in die organische Expansion als auch durch Akquisitionen", erklärten Cinven-Deutschland-Chef Bruno Schick und Cinven-Partner Supraj Rajagopalan. Der Stada-Vorstand hatte sich Beschäftigungsgarantien über fünf Jahre zusichern lassen.

Offen ist, wer Stada künftig führt. Willink und Finanzchef Bernhard Düttmann, die nach dem Scheitern des ersten Anlaufs zur Übernahme an Bord gekommen waren, wollen nur bis zum Jahresende bleiben. Sie hatten sich für den Verkauf an Bain und Cinven stark gemacht und bei einem Scheitern vor einer Zerschlagung von Stada gewarnt. Finanzinvestoren bringen aber häufig ihre eigenen Manager mit.

Stada-Aktionäre, die das Angebot nicht angenommen haben, können das noch zwei Wochen lang nachholen. Indexfonds etwa dürfen ihre Aktien nur abgeben, wenn die Übernahme in trockenen Tüchern ist. Damit hoffen Bain und Cinven, die Schwelle von 75 Prozent der Anteile zu überschreiten, wie Analyst Volker Braun vom Bankhaus Lampe sagte. Damit könnten sie einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag schließen, der ihnen Zugriff auf die Kasse von Stada gäbe. Die Finanzierung der Übernahme sei aber auch so gesichert, sagte ein Insider.

Ein Beherrschungsvertrag würde ein Abfindungsangebot an die übrigen Aktionäre nach sich ziehen, dessen Höhe auch gerichtlich überprüft werden kann. Viele Investoren spekulieren darauf, dass die Abfindung höher ausfällt als die bisher gebotenen 66,25 Euro. Stada-Aktien legten am Freitag um 14 Prozent auf ein Rekordhoch von 73,45 Euro zu.

Zünglein an der Waage war der US-Investor Paul Singer mit seinem Fonds Elliott. Er war mit fast zehn Prozent bei Stada eingestiegen und hatte bis zuletzt offengelassen, ob er seine Anteile verkaufen wolle. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge hatte er rechtzeitig Zustimmung signalisiert. Hedgefonds und andere kurzfristig orientierte Investoren hielten zuletzt insgesamt fast die Hälfte der Stada-Anteile. An ihnen war der erste Anlauf von Bain und Cinven gescheitert. 65,5 Prozent der Aktionäre hatten bis Ende Juni ihre Anteile angedient, zu wenig für die damals verlangten 67,5 Prozent. Auch dieses Mal war der Ausgang bis zum Schluss offen - auch weil die Privatanleger, darunter viele Ärzte und Apotheker - in deutlich geringerem Maße mitzogen.

Finanzinvestoren haben nach Daten der Unternehmensberatung EY nur einmal in Deutschland für mehr Geld eingekauft: Terra Firma zahlte 2004 sieben Milliarden Euro für die damalige E.ON-Immobilientochter Viterra. Sie ist heute Teil des Wohnungskonzerns Vonovia.

Die 1895 als Apotheker-Genossenschaft unter dem Namen "Standardarzneimittel Deutscher Apotheker" in Dresden gegründete Stada wurde an der Börse seit Jahren als Übernahmeziel gehandelt, galt lange aber als schwer verkäuflich. Erst der aktivistische Investor Active Ownership Capital (AOC) hatte vor gut einem Jahr die Bastion geknackt. Der langjährige Vorstandschef Hartmut Retzlaff nahm seinen Hut, sein Nachfolger Matthias Wiedenfels leitete einen geordneten Verkaufsprozess ein. Doch musste er im Juli im Streit mit Aufsichtsratschef Carl Ferdinand Oetker ebenso gehen wie Finanzchef Helmut Kraft.

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