Finanzen

Deutscher Windkraft-Branche stehen schwere Zeiten bevor

In der deutschen Windkraftbranche sinken die Gewinnmargen. Konsolidierungen dürften bald folgen.
25.08.2017 17:58
Lesezeit: 2 min

In der deutschen Windindustrie ist die Luft raus. Vor drei Jahren noch als Wachstumsmarkt gepriesen und bei Anlegern heiß begehrt, ächzt die Branche inzwischen unter einem enormen Preisverfall, berichtet Reuters. Der trifft die Windturbinen-Hersteller – Marktführer Vestas und Siemens Gamesa genauso wie die kleineren Rivalen Nordex und Senvion – und hat sich in letzter Zeit noch beschleunigt. Schuld ist die Einführung von Ausschreibungsverfahren für Windparkprojekte in vielen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Indien.

Bei solchen Auktionen erhalten die Projektentwickler den Zuschlag, die die niedrigsten Subventionen fordern. Diesen Preisdruck geben die Windparkbauer an ihre Zulieferer weiter – die Margen sinken. Reihenweise verbuchen die Windturbinen-Hersteller derzeit Gewinneinbrüche und kündigen Personalabbau an. Experten rechnen mit einer Konsolidierungswelle.

„Die Einführung der Auktionen hat zu einer deutlichen Preiserosion geführt, die Sorgen über die Margen ausgelöst hat“, beschreibt Thomas Deser, Portfolio-Manager beim Siemens Gamesa-Aktionär Union Investment, die Zusammenhänge. Die Siemens-Tochter, die vor Kurzem aus der Fusion der Windkraftsparte des deutschen Konzerns und deren spanischem Konkurrenten Gamesa fusioniert worden war, hatte zuletzt die Bilanz des Münchner Technologieriesen getrübt. Auftragseingang und Gewinn der Tochter brachen im Quartal ein, der Umsatz schrumpfte ebenfalls. Nun sollen 600 Jobs in Dänemark gestrichen werden. Die Aktie verlor in den vergangenen Monaten rund 17 Prozent an Wert.

Der Hamburger Wettbewerber Nordex, Marktdaten zufolge auf Rang sechs der Branche, wollte durch die Übernahme der Wind-Tochter der spanischen Acciona ebenfalls hoch hinaus. Doch spätestens im Frühjahr verlor auch dieses Unternehmen das Vertrauen der Anleger: Nachdem Projektverzögerungen schon im Herbst 2016 die Euphorie gedämpft hatten, lösten die aufgegebenen Mittelfrist-Ziele im Februar dann einen Kurssturz aus. Derzeit verhandelt das Management mit den Arbeitnehmervertretern über einen möglichen Stellenabbau, um die Kosten zu senken. Die TecDax-Titel verloren binnen neun Monaten fast zwei Drittel ihres Wertes.

Dabei wendeten sich die Anleger vor allem von den Unternehmen ab, die nach Übernahmen mit Vorschusslorbeeren an den Start gegangen waren. Siemens Gamesa und Nordex hätten sicher beide individuelle Probleme. „Doch es stimmt auch, dass beide eine Übernahme zu managen haben und das ist eine Belastung“, sagte ein Brancheninsider. Die Aktien des Marktführers Vestas, der keine Integration eines Unternehmens zu stemmen hat, legten seit Ende 2015 dagegen um zwei Drittel zu. „Zusammenschlüsse von Unternehmen sind immer schwierig. Und wenn es Unternehmen aus zwei verschiedenen Kulturen sind, dann wird es nicht leichter. Es gibt dort oft Reibungsverluste,“ erläutert Portfolio-Manager Deser.

Dennoch lösen die Marktverwerfungen neue Übernahme-Spekulationen aus. „Wir glauben fest daran, dass der Markt sich weiter konsolidieren wird. Kleinere Player wie Nordex drohen bedeutungslos zu werden“, schrieben Barclay-Analysten zuletzt. In Branchenkreisen wird gemutmaßt, Nordex und der kleinere Rivale Senvion, eine ehemalige Tochter der indischen Suzlon, könnten nun selbst Übernahmeziele werden. So könnte etwa Nordex-Großaktionär Acciona bei den Hamburgern zugreifen, sagen Insider. Das ist allerdings erst nach Ablauf einer dreijährigen Stillhaltefrist im Herbst 2018 möglich. Acciona hatte 2015 im Gegenzug zur Übernahme der Wind-Tochter durch Nordex 29,9 Prozent an der Firma übernommen. Acciona wollte die Spekulationen nicht kommentieren. Bei Nordex hieß es: „Wir sehen derzeit keine Konsolidierungsnotwendigkeit für uns.“

Ein Senvion-Sprecher erklärte: „Wir sehen auch einen enormen Konsolidierungsdruck.“ Daher setze die Firma konsequent auf ihr Zukunftsprogramm um, um als Unternehmen global stark aufgestellt zu sein.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs unter Druck: Sorgen um US-Zölle dämpfen Rekordlaune
11.07.2025

Nach seinem Rekordhoch gerät der DAX-Kurs zum Wochenausklang unter Druck. Drohende Zölle aus den USA und schwache Unternehmensdaten...

DWN
Politik
Politik Zölle auf Wein? Deutsche Winzer blicken mit Sorge auf mögliche US-Zölle
11.07.2025

Strafzölle in Höhe von 200 Prozent auf Weinimporte aus der EU – mit diesem Szenario hatte US-Präsident Donald Trump noch im April...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzen: Deutschlands Pleitewelle hält an – ein Blick auf Ursachen und Folgen
11.07.2025

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt weiter – wenn auch etwas langsamer. Trotzdem deuten aktuelle Daten auf tiefgreifende...

DWN
Politik
Politik Trump kündigt Erklärung zu Russland an – neue Dynamik oder taktisches Manöver?
11.07.2025

Ein Treffen in Malaysia, neue russische Vorschläge und Trumps Ankündigung einer großen Russland-Erklärung: Zeichnet sich eine Wende im...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs aktuell: Wichtigste Kryptowährung setzt Rekordjagd fort – was das für Anleger bedeutet
11.07.2025

Der Bitcoin-Kurs ist auf ein historisches Allzeithoch gestiegen und über die Marke von 118.000 US-Dollar geklettert. Wie geht es weiter...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzverwalter: „Enorme Geldverbrennung“ bei Wirecard
11.07.2025

Der Anwalt Jaffé ist seit fünf Jahren mit der Sicherung des übrig gebliebenen Vermögens beschäftigt. Er fand nach eigenen Angaben im...