Rückenwind für deutsche Finanztitel: Nachdem Mitte der Woche die US-amerikanische Notenbank Fed angekündigt hat, die Normalisierung der Geldpolitik voranzutreiben, sind Aktien deutscher Geldinstitute gefragt wie lange nicht mehr (Deutsche Bank: Plus 3,5 Prozent). So notiert der Kurs der Commerzbank am Mittag mit gut 4 Prozent im Plus bei 11,26 Euro - dem höchsten Stand seit Anfang August. Zudem beschleunigen neuerliche Spekulationen um eine mögliche Übernahme der viertgrößten Bank Deutschlands den Anstieg des Commerzbank-Charts.
Gerüchte um eine Übernahme der durch die Finanzkrise gebeutelten Bank durch verschiedene Kandidaten gab es in den vergangenen Monaten schon reichlich. Doch nun scheint sich ein Bietergefecht abzuzeichnen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch berichtete, hat das führende italienische Geldinstitut Unicredit gegenüber der Bundesregierung Interesse an einer Übernahme der Commerzbank signalisiert. Dagegen meldet das Magazin Wirtschaftswoche am Donnerstag, dass Berliner Politiker eine Fusion der Commerzbank mit der französischen Großbank BNP Paribas bevorzugten. All dies befindet sich wohl in einem recht frühen Stadium, so dass zeitnah mit weiteren Spekulationen – womöglich auch mit völlig neuen - gerechnet werden muss.
Die noch immer fortwährende Niedrigzinsphase macht der europäischen Bankbranche seit Jahren zu schaffen. Daneben verursachen die Digitalisierung sowie interne Probleme erheblichen Druck. Daher sind die Kreditinstitute verzweifelt bestrebt, Kosten zu senken. Und das soll in erster Linie durch Stellenabbau erreicht werden. Unter diesem Aspekt sind schon seit Langem Gerüchte um länderübergreifende Zusammenschlüsse großer Geldinstitute im Umlauf. In der Realität angekommen sind diese indes nicht.
Während der Finanzkrise 2008/2009 hatte die Bundesregierung mithilfe des staatlichen Bankenrettungsfonds SoFFin Commerzbank-Anteile für 5,1 Milliarden Euro (15,6 Prozent) erworben. Nun scheint wohl fest zu stehen, dass sich der Bund in der kommenden, sehr bald beginnenden Legislaturperiode so schnell als möglich von dem Aktienpaket trennen möchte. Wenn jedoch aus dem Wertpapierhandel für den Staat kein Minusgeschäft werden soll, müsste der Kurs der Commerzbank-Aktie auf rund 26 Euro steigen und sich damit - Stand heute - mehr als verdoppeln. Der derzeitige Wert der Commerzbank-Beteiligung des Bundes liegt bei etwa 2,10 Milliarden Euro.
Finanzmarktexperten attestieren dem europäischen Bankensektor angesichts der sich abzeichnenden Zinswende gute bis sehr gute Aussichten. Allgemein wird mit steigenden Margen und aufgrund der weiter anziehenden Weltwirtschaft auch mit höheren Umsätzen gerechnet. Zusammengenommen sollten sich diese Umstände unter Berücksichtigung des vorhandenen Aufholpotenzials sehr positiv auf die Aktienkurse der europäischen Geldinstitute auswirken.
Was die Commerzbank-Aktie und deren mögliche Übernahme angeht: Hier könnte es in der Tat zu einer heftigen Bieterschlacht kommen. Denn zum einen sind das deutsche Marktumfeld und damit auch der hiesige Bankensektor für die europäische Konkurrenz sehr attraktiv und zum anderen bietet sich die Commerzbank als ideales Sprungbrett für einen Einstieg in das Kreditgeschäft einer der bedeutendsten Volkswirtschaften Europas geradezu an. Besonders zum jetzigen Zeitpunkt, da die Fed weitere Leitzinserhöhungen bereits für Ende des Jahres angekündigt hat, was vermutlich auch der EZB nicht verborgen geblieben ist.
Ob Unicredit, PNB Paribas oder ein weiterer Wettbewerber die Nase beim Buhlen um die Commerzbank vorn haben werden - bei der Fantasie um die Übernahme der Commerzbank könnte die Bundesregierung zum Zünglein an der Waage werden. Denn niemand kann derzeit sagen, wann der deutsche Staat „schwach“ wird bzw. zu welchem Preis er seine Anteile an dem Geldinstitut abzugeben bereit ist. Das könnte mögliche Übernahme- oder Fusions-Verhandlungen ebenso abrupt beenden wie sie zäh wie Gummi in die Länge ziehen. Wer sich als Anleger für europäische Bank-Titel interessiert, sollte das unbedingt im Auge behalten.