Finanzen

Deutsche Wirtschaft sieht Anzeichen von Schwäche in der Konjunktur

Die deutsche Volkswirtschaft zeigt erste Anzeichen einer konjunkturellen Abschwächung.
26.09.2017 17:19
Lesezeit: 3 min

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Die deutsche Volkswirtschaft zeigt erste Anzeichen einer konjunkturellen Abschwächung. Der IFO-Geschäftsklimaindex gab zuletzt von einem hohen Niveau nach. Viel schlechter sieht der Ausblick für die kommenden Jahre aus. Für drängende strukturelle Probleme wie den akuten Mangel an Lehrlingen und Bewerbern, die Alterung der Gesellschaft sowie die Herausforderungen der Digitalisierung sind bisher keine grundlegenden Lösungsansätze in Sicht.

Die deutschen Unternehmen fordern von der neuen Bundesregierung deshalb ein „mutiges Startsignal“ in der Wirtschaftspolitik. „Obwohl die wirtschaftliche Situation Deutschlands erheblich besser ist als vor der letzten Bundestagswahl 2013, beurteilen die Unternehmen die meisten Standortfaktoren heute schlechter“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, am Montag zur Nachrichtenagentur Reuters. Für Selbstzufriedenheit gebe es keinen Anlass. Die große Mehrheit der Firmen fordere einen „Koalitionsvertrag für Investitionen“.

Zahlreiche Betriebe machten sich derzeit trotz der günstigen Konjunktur Sorgen: „Auf vielen wichtigen Zukunftsfeldern registrierten sie mehr Stillstand als Aufbruch“, so Schweitzer. Er bekräftigte die Forderung nach steuerlichen Entlastungen für Unternehmen. Den finanziellen Spielraum dafür gebe es. Als Kardinalproblem bewerteten die Firmen in einer DIHK-Umfrage den Fachkräftemangel. Auf Rang zwei der Prioritätenliste rangiere die Digitalisierung.

Der deutsche IFO-Index konnte die Erwartungen im September nicht erfüllen und sank in allen drei Kategorien. Es kam zu einem leichten Rückgang von zuvor 115,9 auf aktuell 115,2 Punkte. Die Prognose lag bei 116,0 Punkten. Der Index, der die Bewertung der aktuellen Lage spiegelt, ging von 124,7 auf 123,6 Punkte zurück, während der Erwartungsindex von 107,8 auf 107,4 Punkte nachgab.

Uwe Burkert von der LBBW sagte Reuters: „Irgendwann musste der Höhenflug des Geschäftsklimas enden. Der Rückgang im September ist ein erstes Zeichen dafür, dass die Konjunktursonne nicht ewig scheinen wird. Allerdings sollte man den Rückgang auch nicht überschätzen. Die Dynamik bleibt einstweilen auf hohem Niveau. Einen Einfluss der Bundestagswahl auf die Konjunktur sehen wir wohl so schnell nicht. Aus Unternehmenssicht dominieren andere Themen. Da sieht es mit dem niedrigen Zinsniveau und den Zeichen der Belebung in den übrigen Staaten der Euro-Zone weiterhin gut aus. Dafür dürften die Exportchancen durch den stärkeren Euro etwas gesunken sein. Aber noch dürfte die Industrie damit gut zurechtkommen.“

Jörg Zeuner von der KfW sagte:

„Die Stimmung ist trotz der jüngsten Eintrübung weiterhin außergewöhnlich gut, die Wirtschaft läuft. Dennoch wartet einiges an Arbeit auf die kommende Regierung, damit das auch in Zukunft so bleibt und niemand abgehängt wird. Deutschland braucht nicht nur mehr Investitionen unter anderem in die Infrastruktur und bezahlbaren Wohnraum, sondern auch ein Bildungssystem, das keine Talente zurücklässt, sowie eine Gründungs-, Innovations- und Digitalisierungsoffensive. Das Fenster zur Stärkung der Europäischen Union gemeinsam mit Frankreich und den anderen Partnerländern steht zurzeit weit offen. Diese Chance gilt es beherzt zu ergreifen. Denn Europa schafft die günstigen Rahmenbedingungen, unter denen Deutschland seine wirtschaftlichen Stärken ausspielen kann.“

Ein wachsendes Problem für die deutsche Wirtschaft könnten auf Sicht der kommenden Jahre zudem Eskalationen in geopolitischen Spannungsfeldern werden. Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank analysiert:

„Geopolitisch bleibt die Gesamtlage angespannt: Wir sind in der internationalen Diplomatie seitens der Vereinigten Staaten und seitens Nordkoreas mit einer Sprache und mit Inhalten konfrontiert, die mehr als verstören und das Risiko einer latenten Verschärfung mit sich bringen. Die USA haben die Sanktionen unilateral gegen Nordkorea verschärft, was globale Auswirkungen zur Folge hat, da implizit damit US-Recht wegen der Rolle des USD und der US-Wirtschaftsmacht faktisch in wesentlichen Teilen zu ‚internationalem Recht‘ (ohne Mandat!) avanciert. In Spanien spitzt sich die Lage zwischen Barcelona und Madrid zu. Kataloniens Wille zum Alleingang, der bezüglich der spanischen Verfassung gar nicht möglich ist, spaltet das Land zusehends. Damit werden auch die Früchte der Reformpolitik im Zweifelsfall zur Disposition gestellt. Die jüngsten Zuspitzungen sollten nicht unterschätzt werden. Sie haben potentiell negativen Einfluss auf Spanien, auf die EU und die Eurozone.“

Allerdings gibt es auch Stimmen, die von einem starken Aufschwung in ganz Europa sprechen. „Der Aufschwung in der Eurozone verfestigt sich und geht inzwischen in sein fünftes Jahr in Folge. Mittlerweile profitieren alle Länder des gemeinsamen Währungsraums von der dynamischen Entwicklung der Wirtschaft. KfW Research hebt daher seine Konjunkturprognose für das laufende Jahr auf 2,2 Prozent an (Vorprognose: 1,8 Prozent). Damit wäre 2017 für die Eurozone das wirtschaftlich erfolgreichste der zurückliegenden zehn Jahre. 2018 dürfte sich das Tempo nur leicht verlangsamen und der reale Zuwachs zum Jahresende bei 2,0 Prozent liegen (Vorprognose: 1,7 Prozent),“ schreibt die Kreditanstalt für Wiederaufbau.

 

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