Politik

US-Diplomat: Putin hat Russland zu Machtfaktor in Nahost gemacht

Russland setzt im Nahen Osten auf eine langfristige Präsenz. Das erkennen auch langjährige US-Diplomaten aus der Region an.
05.10.2017 01:09
Lesezeit: 3 min

Einer der renommiertesten US-Diplomaten im Nahen Osten, Dennis Ross, hat eine signifikante Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Nahen Osten beschrieben: Die russische Intervention in Syrien habe die Lage grundlegend verändert. Ross, dessen Buch „Doomed to Succeed. The US-Israel relationship from Truman to Obama“ als Standardwerk gilt, sagte Bloomberg, die Intervention „hat die Realität verändert, die Balance der Macht am Boden. Es ist Putin gelungen, Russland zu einem Faktor im Nahen Osten zu machen. Daher sieht man einen beständigen Strom von Besuchern aus dem Nahen Osten, die nach Moskau reisen.“ Ross, der lange als US-Chefverhandler versuchte, einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensers zu verhandeln und mehrere Präsidenten von George H. W. Bush bis Barack Obama beraten hatte, spielte mit dieser Bemerkung auf den Besuch des saudischen Königs Salman an, der am Donnerstag im Kreml als erster Monarch der Saudis eintreffen wird.

Putin sei es, so analysiert Bloomberg, gelungen, Einfluss auf ganz unterschiedliche Kräfte im Nahen Osten zu gewinnen: Russland und die Türkei sind, nach dem Abschuss eines russischen Jets durch die Türkei, plötzlich so enge Verbündete, dass die Türkei sogar ein russisches Raketenabwehrsystem kaufen will – sehr zum Verdruss der Nato.

Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu pilgert immer wieder nach Moskau, wo er aber auch regelmäßig seine Grenzen aufgezeigt bekommt: Vor einigen Wochen scheiterte Netanjahu mit seinem Versuch, den Iran in Moskau als Gefahr für den Weltfrieden darzustellen. Immerhin: Putin hat den Israelis erlaubt, Stellungen der Hisbollah in Syrien zu bombardieren. Sein Ansuchen jedoch, auf dem Golan eine 60 Kilometer breite Pufferzone einzurichten, wurden von den Russen abschlägig beschieden – Moskau bot 5 Kilometer an.

Auch die Süddeutsche Zeitung sieht einen wachsenden Einfluss Russlands in der Region und kommentiert: "Geschickt besetzte Putin mithilfe des im arabischen Raum versierten Außenministeriums und der Geheimdienste Freiräume, die ebenso durch den gewollten Rückzug der USA unter Präsident Barack Obama entstanden waren wie zuvor schon durch den Autoritätsverfall unter George W. Bush. Der hatte Riads Warnungen ignoriert und mit dem auf Lügen gestützten Irak-Krieg die Region in Tumult gestürzt."

Der Besuch des saudischen Königs ist besonders bemerkenswert, weil die Saudis zu den massivsten Unterstützern von Terror-Gruppen in Syrien gehören. Die russische Armee hat gegen diese Söldner große Härte gezeigt. Um in Syrien aber einen dauerhaften Waffenstillstand zu schaffen, wollen die Russen die Saudis ins Boot holen.

In dieser Hinsicht arbeitet Russland eng mit der US-Regierung zusammen. Dort hat das Pentagon die Führung im Kampf gegen den Terror übernommen. US-Präsident Donald Trump hatte vor einigen Monaten die Finanzierung von CIA-geführten Söldnern eingestellt. Trump hatte außerdem in Riad unmissverständlich gefordert, dass kein Land Terroristen unterstützen dürfte. Die russische Armeeführung geht in diesem Zusammenhang kompromisslos vor: Wie die AFP berichtet, hat der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in einem Statement amerikanischen Einheiten vorgeworfen, den Sieg über den IS zu verzögern, weil US-Koalition zulasse, dass der IS von von ihr kontrolliertem Territorium aus Angriffe gegen die syrische Armee lanciert. Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte laut TASS die Amerikaner auf, auch gegen die zu al-Kaida gehörende al-Nusra-Front zu kämpfen. Es soll sich um US-Spezialeinheiten handeln, die sich in der Nähe des IS aufhalten. Die Russen haben Satellitenbilder veröffentlicht, die die Stellungen der US-Trupps zeigen sollen.

Russland steht nach Ansicht von Ross trotzdem vor einer schwierigen Aufgabe: Die Interessen der beteiligten Staaten und Gruppen im Nahen Osten seien so gegensätzlich, dass Moskau es nicht allen werde rechtmachen können. Allerdings hat Putin einen Vorteil: Die Russen kämpfen in Syrien als einzige auf Bitte der syrischen Regierung und verhalten sich damit völkerrechtskonform. Außerdem kann Moskau die Einheit der militärischen Führung gewährleisten und ist damit den zersplitterten Söldner-Verbänden überlegen. Die Russen verfügen mit Sergej Lawrow außerdem über einen erfahrenen Top-Diplomaten, der klare Worte nicht scheut. So kritisierte Lawrow die Amerikaner in einem Interview mit der saudischen Zeitung Asharq Al-Awsat: „Wir sprechen offen darüber, dass wir wegen der ,Taktik der Halbheiten‘ besorgt sind, auf die die USA und ihre Verbündeten zurückgreifen. Wenn man mit zweierlei Maß misst, die Terroristen in "böse" und "nicht sehr böse" einteilt, die Koalition aus politischen Gründen bildet und dabei vergisst, dass man für seine Aktivitäten eine Genehmigung des UN-Sicherheitsrates braucht, so ist es schwer, von einer wirksamen Terrorbekämpfung zu sprechen. Das Auseinanderfallen des ,Islamischen Staats‘ setzte mit den Angriffen der russischen Luftstreitkräfte und dem Vorstoß der syrischen Armee ein.“

Lawrow sieht das Engagement der Russen gegen den IS als Teil einer umfassenden Außenpolitik: „Unsere Beteiligung am Kampf gegen den ,Islamischen Staat‘ zielt nicht nur auf die Gewährleistung der nationalen Sicherheit Russlands, sondern auch auf die Stärkung der globalen und regionalen Stabilität ab. Es wird nicht gelingen, den Terrorismus im Nahen Osten und in Nordafrika allein mit Gewaltmaßnahmen auszumerzen. Davon sind wir fest überzeugt. Der Vorteil unserer Politik besteht darin, dass sie keinen eigennützigen Gewinn sucht und keinen ,doppelten Boden‘ hat. Wir werden somit weiterhin unser Engagement für eine friedliche, politisch-diplomatische Lösung zahlreicher Krisen und Konflikte in der Region steigern. Wir laden alle zu einer fairen Zusammenarbeit ein, die dazu bereit sind.“

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