Die britische Premierministerin Theresa May will verhindern, dass sich das Finanzsystem ihres Landes nach dessen Austritt aus der EU noch nach Brüsseler Regeln richten muss. Großbritannien dürfe nach dem Brexit nicht in die Rolle des passiven Umsetzers von EU-Regeln kommen, sagte sie in einem am Sonntag veröffentlichten BBC-Interview, das schon am Freitag aufgezeichnet worden war. Dazu sei die Finanzindustrie des Landes zu wichtig. Es könne daher nicht angehen, dass die EU über die sogenannte Pass-Regeln für Banken Kontrolle über wichtige Teile des britischen Finanzsystems behalte. Der EU-Pass erlaubt es Banken und Finanzdienstleistern mit Zulassung in einem Land der Union, auch in den anderen Mitgliedsländern Geschäfte zu machen und Dienstleistungen zu verkaufen.
"Wenn wir das 'Passporting' akzeptieren würden, wären wir bloß ein Empfänger von Regeln", sagte sie. Die britische Finanzwirtschaft würde dann Vorgaben unterliegen, die andernorts formuliert würden. Ihr Land könne sich aber nicht Regeln fügen, auf die es selbst keinen Einfluss habe.
Am Freitag hatte May sich in einer Grundsatzrede für ein maßgeschneidertes Abkommen mit den verbleibenden 27 EU-Staaten aus, das auch die für das Königreich wichtige Finanzbranche beinhaltet. Sie gibt sich zuversichtlich, dass dies möglich ist, auch wenn sie mit dem Vorwurf aus Brüssel konfrontiert ist, ihr gehe es um "Rosinen-Pickerei". EU-Chefunterhändler Michel Barnier kündigte aber an, dass Mays Äußerungen in die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen einfließen würden.
Die Generaldirektorin des britischen Unternehmerverbands CBI, Carolyn Fairbairn, mahnte die Regierung zu raschem Handeln, um dem Wegzug von Finanzdienstleistern zu verhindern. "Jetzt haben wir eine Verhandlungsposition, mit der wir anfangen können. Das muss jetzt sehr schnell gehen, weil schon jetzt Finanzdienstleister umziehen", sagte sie der BBC.