Die Bemessung der Grundsteuer für Immobilien ist verfassungswidrig. Die seit über 50 Jahren nicht mehr angepassten Einheitswerte für Grundstücke seien "völlig überholt" und führten zu "gravierenden Ungleichbehandlungen" der Immobilienbesitzer, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag verkündeten Urteil. Demnach muss der Gesetzgeber bis Ende 2019 eine Neureglung schaffen - sollte diese Frist ungenutzt verstreichen, dürften die derzeitigen Regeln nicht mehr angewandt werden. (Az. 1 BvL11/14 u.a.)
Wird die Gesetzgebungsfrist eingehalten und müssen die bundesweit 35 Millionen bebauten und unbebauten Grundstücke dann in einem zeitraubenden Verfahren einzeln neu bewertet werden, dürfen die derzeitigen Einheitswerte ausnahmsweise bis längstens Ende 2024 angewandt werden. Vorgaben für eine Neuregelung machte das Gericht nicht.
Die Grundsteuer ist zwar eine bundeseinheitliche Steuer, allerdings ist es Sache der Länder, den sogenannten Einheitswert von Grundstücken zu bestimmen. Dieser Einheitswert besteht aus unterschiedlichen Faktoren wie etwa der Grundstücksart oder dem Alter eines darauf erbauten Hauses. Dieser Einheitswert wird dann mit einer Grundsteuermesszahl und mit dem von der Gemeinde festgesetzten Hebesatz von teils mehreren hundert Prozent multipliziert.
Die Grundsteuer ist mit rund 14 Milliarden Euro im Jahr eine der wichtigsten Einnahmequellen der bundesweit mehr als 11.000 Kommunen. 2015 betrug die Grundsteuer für ein Grundstück mit Einfamilienhaus in größeren Städten knapp 600 Euro im Jahr. Wohnungen in Mehrfamilienhäusern kosteten dort mit 229 Euro knapp doppelt so viel wie im Bundesdurchschnitt.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung der Grundsteuer als „sehr ambitioniert“ bezeichnet. Bund und Länder müssten nun im Gespräch mit den Gemeinden schnell ein Konzept für eine neue Form der Besteuerung finden, sagte Scholz am Dienstag am Rande der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg nahe Berlin.
Eine Neuregelung müsse einerseits sicherstellen, dass es für Grundeigentümer und Mieter nicht zu Steuererhöhungen komme. Auf der anderen Seite müssten die Interessen der Gemeinden gewahrt werden und diese „ihre Aufgaben in Zukunft auch gut wahrnehmen können“, fügte Scholz hinzu.
Die Neubemessung dürfte zwar schrittweise erfolgen und sich wegen der Vielzahl von Immobilien über mehrere Jahre ziehen. Es ist allerdings zu erwarten, dass am Ende in den meisten Fällen eine Erhöhung die Folge sein dürfte, weil die Zahl jener Immobilien in Deutschland, deren Wert in den vergangenen 30 Jahren gefallen ist, eher überschaubar sein dürfte.
***
Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:
Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.