Politik

Schwere Vorwürfe aus der EU gegen Merkel wegen Türkei-Deal

In der EU werden schwere Vorwürfe gegen Bundeskanzlerin Merkel wegen des Flüchtlings-Deals mit der Türkei laut.
13.04.2018 01:31
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Diplomaten und Insider werfen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, den Flüchtlingsdeal mit der Türkei im Alleingang und hinter dem Rücken der EU verhandelt zu haben. Der österreichische Standard zitiert in einer exklusiven Recherche Personen, die mit den Ereignissen vertraut gewesen sind. Demnach habe Merkel ohne Wissen der EU in der Türkei einen anderen, wesentlich teureren Deal verhandelt. Das Thema kocht jetzt wieder hoch, weil die Türkei auf der Bezahlung der von Merkel verhandelten sechs Milliarden Euro durch die EU besteht. Die Mitgliedsstaaten und die EU streiten darüber, wer die Summe bezahlen soll.

Merkel habe laut Standard ohne Wissen der parallel mit der Türkei verhandelnden EU agiert. Diese Verhandlungen seien erst später „nur durch Zufall“ bekannt geworden. Die Zeitung zitiert einen Diplomaten mit den Worten: „Die Deutschen waren spätestens seit Weihnachten 2015 sehr regelmäßig in der Türkei, wahrscheinlich schon etwas früher, um den Deal auszuverhandeln.“

Die offiziellen EU-Vorschläge sollen von EU-Kommissar Frans Timmermans und Ratspräsident Donald Tusk ausgearbeitet worden sein. Die Struktur des EU-Deals sei grundsätzlich anders gewesen als jene, die am Ende von Merkel durchgesetzt wurde. Die EU wollte deutlich weniger Geld an die Türkei zahlen. Die EU wollte auch mehr Zurückhaltung bei der Visa-Liberalisierung der Eröffnung neuer Beitrittskapitel. Das Konzept der EU sah vor, dass die EU die bestehenden Vorbeitrittshilfen umschichten wollte. Gleichzeitig wollte die EU nicht, dass die Türkei die Grenzen für Flüchtlinge völlig dicht machen müsse.

Merkel dagegen wollte, „dass gar niemand mehr hereinkommen kann“, zitiert der Standard einen Beamten aus dem EU-Umfeld. Die Zeitung zitiert einen anonymen Insider mit den Worten: „Der Timmermans-Tusk-Ansatz hatte aus Berliner Sicht den Nachteil, dass er die Syrer nicht umfasst hätte. Und Merkel wollte 100 Prozent zudrehen, während sie international die humanitäre Heldin spielte.“ Außerdem habe Merkel mit ihrem Deal „verhindern wollen, dass die Syrer in Griechenland Asylanträge stellen“. Die Flüchtlinge aus Syrien sollten in die Türkei zurückgeschickt zu werden, in der Hoffnung, dass sich damit weniger Flüchtlinge auf die Reise in die EU begeben. Ein „Beobachter der damaligen Verhandlungen zum Standard: „Merkel hat also bewusst in Kauf genommen oder sogar darauf gehofft, dass das griechische Asylsystem nicht wirklich funktioniert und Leute vor Ende ihres Verfahrens in die Türkei zurückgeführt werden.“

Der aktuelle Konflikt entzündet sich an der nächsten Tranche von drei Milliarden Euro, die an die Türkei gezahlt werden müssen. Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweden, Dänemark und Finnland wollen die gesamte Summe aus dem EU-Budget bezahlt wissen. Dagegen sei in Brüssel „Ungehaltenheit zu spüren“. Eine Quelle sagte dem Standard: „Zuerst macht Merkel dieses Türkei-Abkommen, und dann will Deutschland nicht bezahlen.“

Auch der Vorschlag von Merkel beim jüngsten EU-Gipfel im März, dass die EU die Hälfte des Betrages übernehmen solle, stößt in Brüssel auf Unverständnis: „Das ist aber immer noch eine ziemliche Chuzpe, wenn man weiß, dass sie die sechs Milliarden kreativ erfunden hat“, sagte ein Diplomat dem Standard.

Die Bundesregierung ging auf Rückfrage des Standard nicht auf den Vorwurf der parallelen Verhandlungen ein. In einer Stellungnahme teile die Bundesregierung mit, sie befürworte „die Aufstockung der EU-Türkei-Finanzfazilität um weitere drei Milliarden Euro“ und stimme sich „grundsätzlich eng mit der EU-Kommission und den europäischen Partnern ab“.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Luxus für die Chefetage: DAX-Vorstände kassieren das 41-Fache ihrer Mitarbeiter
12.08.2025

Während die Wirtschaft stagniert, steigen die Managergehälter: DAX-Vorstände verdienen im Schnitt das 41-Fache ihrer Mitarbeiter – und...

DWN
Politik
Politik Rente und Lebensarbeitszeit: Beamte sollen länger arbeiten, weil sie im Schnitt länger leben
12.08.2025

Die Deutschen sollen länger arbeiten, fordert die Wirtschaftsministerin, auch um die Sozialsysteme abzusichern. Für das Rentensystem hat...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Nur jeder Dritte zufrieden mit Kanzler Merz – Unzufriedenheit steigt weiter
12.08.2025

Rund 100 Tage nach Amtsantritt der neuen Koalition fällt die Bilanz für Bundeskanzler Friedrich Merz eher ernüchternd aus. Einer...

DWN
Finanzen
Finanzen SAP-Aktie: DAX-Schwergewicht rutscht weiter ab – jetzt SAP-Aktie kaufen?
12.08.2025

Die SAP-Aktie steht unter Druck – trotz starker Cloud-Zahlen und stabiler Marktstellung. Anleger fragen sich: Jetzt die SAP-Aktie kaufen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaming-Boom in Deutschland: Verbraucher geben 4,6 Milliarden Euro aus
12.08.2025

Die Gaming-Branche in Deutschland erlebt einen spürbaren Aufschwung: Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Ausgaben der Verbraucherinnen und...

DWN
Panorama
Panorama Heiße Tage, kühle Skepsis: Warum wir uns mit Klimaanlagen so schwertun
12.08.2025

Während Klimaanlagen in vielen Ländern weltweit zur normalen Ausstattung gehören, sind sie in Deutschland noch immer umstritten....

DWN
Politik
Politik Sonntagsfrage: AfD mit Rekordwert in aktueller Forsa-Umfrage – Tiefpunkt für Schwarz-Rot und Kanzler Merz
12.08.2025

Die aktuelle Sonntagsfrage bringt die schwarz-rote Koalition unter Druck: Die AfD erreicht ihren Rekordwert, die Union verliert. Die...

DWN
Politik
Politik Selenskyj warnt: Putin nutzt Trump-Treffen als Vorwand für neue Offensive – kein Wille zum Frieden
12.08.2025

Kurz vor dem Gipfel zwischen Donald Trump und Wladimir Putin warnt Wolodymyr Selenskyj: Moskau rüste für neue Angriffe, statt Frieden zu...