Politik

Deutsche Unternehmen fürchten Strafrecht der EU

Die von der EU geforderten Sammelklagen könnten vielen Unternehmen schweren Schaden zufügen.
14.04.2018 23:07
Lesezeit: 3 min

In einem Gastbeitrag in der aktuellen Ausgabe des Magazins Die News kritisiert der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V., Wolfgang Steiger, die im Koalitionsvertrag angelegte Einführung eines Unternehmensstrafrechts, weil es Massenklagen durch die Hintertür ermöglicht und insbesondere für Familienunternehmen zum unkalkulierbaren Risiko wird.

„Wirtschaftskriminalität muss ganz klar bekämpft werden, doch schon heute führt der Staat ein scharfes Schwert, um Wirtschaftsvergehen zu sanktionieren. Über das Ordnungswidrigkeitenrecht etwa können empfindliche Geldbußen verhängt werden. Prominenteste Beispiele sind Kartellverfahren bei Preisabsprachen. Auch kann die Gewerbeaufsicht etwa jeden Produktionsbetrieb schließen, der gegen Umweltrichtlinien verstößt, und jede Gaststätte, die Lebensmittelgesetze nicht einhält“, betont Wolfgang Steiger.

Ein Unternehmensstrafrecht würde mehr Bürokratie in Unternehmen hervorrufen, denn die Sorge, durch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren stigmatisiert zu werden, ist groß. „Ist ein Unternehmen erst einmal Gegenstand eines solchen Ermittlungsverfahrens führt die mediale Berichterstattung in der Regel zu öffentlichen Vorverdächtigungen und einem nicht mehr zu korrigierenden Imageschaden, und zwar unabhängig davon, ob sich der Verdacht als begründet herausstellt“, erklärt Wolfgang Steiger. Ob das Strafrecht zu einer größeren Rechtstreue führe, sei darüber hinaus offen. „Anstatt Unternehmen durch ein Unternehmensstrafrecht in die Ecke zu stellen, sollte man sich lieber an die dringend notwendige Unternehmenssteuerreform machen, die dem Mittelstand eine Chance gibt, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten.“

Die EU-Kommission will zweieinhalb Jahre nach der Aufdeckung des Volkswagen-Abgasskandals mit der Einführung von europaweiten Sammelklagen den Verbraucherschutz stärken. In künftigen Fällen von „Massenschäden“ könnten damit Verbraucherschutzorganisationen und andere Verbände stellvertretend für geschädigte Kunden gegen Unternehmen vor Gericht ziehen, so Reuters unter Berufung auf einen Entwurf für eine Verbraucherschutzrichtlinie, den die Kommission am kommenden Mittwoch beschließen wolle. Unklar ist, wann EU-Parlament und EU-Rat darüber beraten sollten.

Europäische Unternehmen sehen die Einführung von Sammelklagen in der EU kritisch. "Es gibt keinen Grund für uns, das amerikanische Sammelklagen-System zu kopieren, in dem Ansprüche ohne Verbrauchermandat vorgebracht werden können", sagte der Geschäftsführer des Europäischen Unternehmerverbands Business Europe, Markus Beyrer, der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Die Erfahrungen aus den USA hätten gezeigt, dass Verbraucher in den meisten Fällen leer ausgingen und nur Anwaltskanzleien profitierten.

In den USA sind Sammelklagen für Anwälte ein lukratives Geschäftsmodell. Viele Kanzleien haben sich dort auf Massenverfahren gegen Konzerne und Institutionen spezialisiert, sodass es eine regelrechte Klageindustrie gibt.

Der Entwurf Justizkommissarin Vera Jourova geht deutlich über Pläne von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) für eine Musterfeststellungsklage hinaus, die das Bundeskabinett in Berlin noch im April billigen soll. Den EU-Plänen zufolge sollten die Verbände in bestimmten Fällen auch Schadenersatzansprüche einklagen können. Voraussetzung ist dem Bericht zufolge, dass der Schaden in den Einzelfällen vergleichbar und die Identität und die Zahl der betroffenen Kunden bekannt ist. In Deutschland sollten Verbände dagegen nur gerichtlich klären lassen können, ob ein Unternehmen ein Verschulden treffe. Verbraucher müssten anschließend ihre Ansprüche individuell einklagen.

Steiger sieht jedoch erhebliche Probleme, insbesondere für den deutschen Mittelstand: „Ein Unternehmensstrafrecht würde mehr Bürokratie in Unternehmen hervorrufen, denn die Sorge, durch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren stigmatisiert zu werden, ist groß. Ist ein Unternehmen erst einmal Gegenstand eines solchen Ermittlungsverfahrens führt die mediale Berichterstattung in der Regel zu öffentlichen Vorverdächtigungen und einem nicht mehr zu korrigierenden Imageschaden, und zwar unabhängig davon, ob sich der Verdacht als begründet herausstellt. Ob das Strafrecht zu einer größeren Rechtstreue führt, ist darüber hinaus offen. Anstatt Unternehmen durch ein Unternehmensstrafrecht in die Ecke zu stellen, sollte man sich lieber an die dringend notwendige Unternehmenssteuerreform machen, die dem Mittelstand eine Chance gibt, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten.

Während Staaten wie die USA, Großbritannien, Frankreich und China die Notwendigkeit erkennen, ihre Steuersysteme zu reformieren, ist das deutsche Steuerrecht immer weniger zeitgemäß. Es wird vielmehr immer schärfer, gerade was Transparenz und Mitwirkung der Steuerpflichtigen angeht. Ein gutes Beispiel dafür ist die aktuell diskutierte Pflicht für Steuerberater, Steuergestaltungsmodelle ihrer Mandantschaft anzuzeigen. Wieder werden Unternehmen pauschal kriminalisiert. Dabei wird der deutlich überwiegende Anteil von steuerehrlichen und kooperativen Unternehmen mit den wenigen Unternehmen in einen Topf geworfen, die aggressive und tatsächlich zweifelhafte Steuerplanung betreiben. Die erdrosselnden Mitwirkungs- und Offenlegungspflichten sind im Hinblick auf die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandorts mehr als schädlich.“

Deutschland brauche nach Einschätzung des CDU-Wirtschaftsrats kein Unternehmensstraffrecht oder eine Meldepflicht für steuerliche Gestaltungen. Steiger: „Was wir brauchen, ist eine große Unternehmenssteuerreform. Und wann kommt endlich die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags? Wann werden im Rahmen des Einkommensteuertarifs die kalte Progression, der Mittelstandsbauch und die viel zu niedrige Schwelle des Spitzensteuersatzes korrigiert? Anstatt unseren Unternehmen weitere Knüppel zwischen die Beine zu werfen, sollten wir dafür sorgen, dass sie auch künftig im internationalen Wettbewerb bestehen können und ihre Mitarbeiter mehr Netto vom Brutto haben.“

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte Unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...