Das US-Militär plant, ein Raketenabwehrsystem in Deutschland zu installieren, um die europäischen Verteidigungsanlagen zu verstärken.
Der vorläufige Vorschlag, das Raketensystem Terminal High Altitude Area Defense (THAAD) nach Europa zu entsenden, wurde nach Angaben der New York Times bereits vor US-Präsident Trumps Entscheidung getroffen, aus dem Atomvertrag mit dem Iran auszusteigen.
Während sich Europa und die Vereinigten Staaten über das Schicksal des Atomabkommens streiten, teilen sie die gemeinsame Sorge über die weitere Entwicklung von ballistischen Raketen durch den Iran, so das Blatt.
Das europäische Kommando der USA drängt seit Jahren auf ein THAAD-System in Europa, aber der Rückzug der USA aus dem iranischen Atomabkommen hat das Thema noch dringlicher gemacht, meint Riki Ellison, Leiter der Missile Defense Advocacy Alliance (MDAA).
Ein hochrangiger deutscher Militärfunktionär, der anonym bleiben wollte, führte an, dass mehr Radargeräte in ganz Europa hinzugefügt werden müssten, um potenzielle Bedrohungen besser verfolgen und überwachen zu können.
Auf Nachfrage der Deutschen Wirtschaftsnachrichten, ob die USA tatsächlich THAAD-Systeme in Deutschland installieren, sagte der Pentagon-Sprecher Eric Pahon: „Eine Stationierung von THAAD-Systemen in Deutschland ist derzeit nicht geplant.”
Die Diskussion über den Einsatz eines THAAD-Systems in Europa steht auch vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen dem Westen und Russland.
Die NATO hat lange darauf bestanden, dass ihr Raketenabwehrprogramm nicht auf Russland ausgerichtet ist, aber das Bündnis hat gegenüber Moskau im Anschluss an den „Fall Skripal” einen härteren Ton angesetzt.
Moskau bestreitet jegliche Beteiligung an der Vergiftung des ehemaligen russischen Spions Skripal, der in Großbritannien lebt, und führt die aktuellen Spannungen auf die militärische Expansion der NATO nach Osten zurück. Auch die Einrichtung eines Schildes für ballistische Raketen mit einer Schlüsselstelle in Rumänien bleibt ein Konfliktpunkt.
Die Installation eines THAAD-Systems in Deutschland könnte eine Radarlücke schließen, die durch eine zweijährige Verzögerung bei der Fertigstellung einer zweiten Aegis-Ashore-Raketenabwehranlage in Polen verursacht wurde. Die Anlage sollte ursprünglich im aktuellen Jahr in Betrieb genommen werden.
Ein US-Militärvertreter sagte den New York Times, dass es vorbereitende Gespräche mit deutschen Militärs über den Umzug eines THAAD-Systems auf die Ramstein Air Base in Deutschland, dem Hauptquartier der US Air Force in Europa und dem NATO Alliierten Luftkommando, gegeben habe. „Es wäre eine weitere politische Botschaft an die Europäer, dass wir es ernst meinen mit dem Schutz unserer Verbündeten (...). Die anfängliche Einschätzung ist, dass Deutschland höchstwahrscheinlich kein Problem mit einem Einsatz von THAAD haben wird”, so der US-Vertreter. Eine weitere Quelle aus US-Militärkreisen sagte, dass die deutschen Regierungsbeamten offen für eine Lösung seien, die die Zivilbevölkerung schützen könnte.
Das Bundesverteidigungsministerium arbeitet nach Jahren der Kürzungen daran, die eigene Kurz- und Mittelstreckenraketenabwehr neu aufzubauen. Das Projekt werde noch im aktuellen Jahr beginnen und den Bedarf an territorialer Raketenabwehr in einer konzeptionellen Studie untersuchen, in der auch THAAD und das von Israel und den USA gebaute Arrow-3-Raketenabwehrsystem untersucht würden, so ein Sprecher.
Allerdings ist die Position der Bundesregierung im Hinblick auf die Installation eines THAAD-Systems in Deutschland nicht ausschlaggebend. Nach Angaben der New York Times benötigt Washington – im Rahmen bestehender Verträge – keine Genehmigung von Deutschland, um ein Raketensystem in Deutschland zu installieren.
Das THAAD-System wird von Lockheed Martin Corp mit einem leistungsstarken Raytheon CoAN/TPY-2-Radar zum Abschuss von Kurz-, Mittel- und Mittelstreckenraketen gebaut.
Zu den Fähigkeiten der deutschen Luftabwehr führt die MDAA aus:
„Deutschland ist mit PAC-3 Patriot Raketenbatterien ausgestattet. Deutschland hat auch eine unbekannte Anzahl an MIM-23-Hawks und eine unbekannte Anzahl an LeFlaSys-Verteidigungssystemen, die Nahbereichs-Luftverteidigungssysteme sind. Die LeFlaSys hat eine ungefähre Erfassungsreichweite von 20 Kilometer.
Im Juni 2015 hat das Bundesministerium der Verteidigung das Medium Extended Air Defence System (MEADS) als Grundlage für das Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) ausgewählt – ein netzwerkbasiertes taktisches Luft- und Raketenabwehrsystem der nächsten Generation, das die Patriot Luftverteidigungssysteme, die seit 1980 im Einsatz sind, ersetzen soll.
Die Bundesregierung hofft, (...) die Verhandlungen mit dem europäischen Waffenhersteller MBDA und seinem US-Partner Lockheed Martin Corporation über ein milliardenschweres Verteidigungssystem abschließen zu können. Der deutsche Bundestag könnte den vorgeschlagenen Vertrag bereits 2018 prüfen und genehmigen.”
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