Finanzen

EZB-Ratsmitglied: Höhere Zinsen könnten schon früher kommen

Der französische Notenbank-Chef überrascht mit der Ankündigung, dass die Zinsen in der Euro-Zone schon etwas früher erhöht werden könnten.
20.06.2018 14:58
Lesezeit: 2 min

Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau hält eine Zinserhöhung ab Mitte 2019 für möglich und weicht damit von der gemeinsam formulierten Linie der Währungshüter ab. Der erste Zinsschritt könne "ab Sommer 2019" kommen, teilte er am Mittwoch in einem Jahresbericht zur Wirtschaft in Frankreich und der Euro-Zone mit. Die Passage lässt aufhorchen, denn die Europäische Zentralbank (EZB) hatte jüngst ihren Zinsausblick angepasst. Darin signalisiert sie, dass die EZB-Leitzinsen "mindestens über den Sommer 2019" auf ihrem aktuellen Niveau bleiben dürften - also de facto nicht vor dessen Ende angehoben würden. Auf der Zinssitzung in Riga hatten die Ratsmitglieder um EZB-Chef Mario Draghi über diese wichtige Orientierungslinie für die Märkte kontrovers diskutiert, wie Reuters von Insidern erfuhr.

Einige Ratsmitglieder hätten sich eher Formulierungen im Zinsausblick gewünscht, die auf Mitte 2019 abzielen, sagte einer der Insider. "Die gewählte Fassung lässt viel offen." Es habe aber auch Befürchtungen gegeben, die Währungshüter könnten womöglich zu schnell auf eine Zinsstraffung zusteuern, sagte eine weitere Person. EZB-Präsident Draghi kündigte unlängst ein behutsames Vorgehen bei einer künftigen Zinsanhebung an. Am Geldmarkt würden diese Erwartungen weitgehend widergespiegelt. Derzeit wird dort mit einer ersten Anhebung des Einlagensatzes im September 2019 gerechnet.

Dieser liegt aktuell bei minus 0,4 Prozent. Banken müssen also Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Notenbank über Nacht Geld parken. Die Hüter des Euro hatten am vorigen Donnerstag auf ihrer auswärtigen Ratssitzung zudem in Aussicht gestellt, ihre großangelegten Anleihenkäufe zum Jahresende 2018 einzustellen. Dann werden sie ein Volumen von 2,6 Billionen Euro erreicht haben.

VILLEROY: "WIR SIND NICHT IM ABSCHWUNG"

Bundesbankchef Jens Weidmann, der für Donnerstag einen Redeauftritt in Paris plant, hatte kurz vor der Zinssitzung ein Ende der Anleihen-Zukäufe als ersten Schritt auf dem Weg zur Normalisierung einer "sehr expansiven Geldpolitik" bezeichnet. Anfang Mai nannte er Erwartungen an den Börsen als "nicht ganz unrealistisch", wonach die Erhöhung ab der Jahresmitte 2019 kommen könnte. Zugleich widersprach er Einschätzungen, wonach die jüngste konjunkturelle Abkühlung Hinweise auf ein nahendes Ende des Aufschwungs sein könnte.

Sein französischer Kollege Villeroy sieht dies ähnlich: "Wir sind nicht in einem zyklischen Abschwung", betonte Villeroy. Er sagte dem Radiosender France Inter, die Abschwächung habe vielmehr mit dem nicht mehr so günstigen internationalen Umfeld zu tun. Hinzu komme, dass der Aufschwung 2017 außerordentlich stark gewesen sei.

Die französische Wirtschaft hatte zu Jahresanfang ebenso wie die deutsche an Fahrt verloren. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen Januar und März lediglich um 0,2 Prozent zum Vorquartal. Ende 2017 sprang noch ein Plus von 0,7 heraus. In Deutschland halbierte sich das Wachstumstempo zu Jahresbeginn auf 0,3 Prozent. In der Euro-Zone ging es auf 0,4 von 0,7 Prozent zurück.

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