Am Dienstag hat Daimler die Aufholjagd der deutschen Premiumautobauer mit der Weltpremiere des ersten Modells seiner neuen Elektrowagenmarke EQ in Stockholm eingeläutet. Auch BMW und Audi stellen ihre Neuheiten iNext und Audi e-Tron noch in diesem Monat vor. Auch Porsche hat mit dem Taycan ein neues Modell in der Pipeline. Für die deutsche Autoindustrie markiert die Stromauto-Offensive eine Zeitenwende: Angetrieben von schärferen Klimaschutzvorschriften für Autos weltweit und unter dem Druck der Dieselkrise wollen sie die neueste Generation der E-Autos zu Verkaufsschlagern machen. Ab 2019 kommen die vor zwei Jahren angekündigten Stromer mit besserem Design und längerer Reichweite als ihre Vorgänger auf die Straße.
"Mit dem EQC als erstem vollelektrischen SUV von Mercedes-Benz legen wir den Schalter um", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Präsentation des Autos in Stockholm laut Reuters. Der EQC sei Sinnbild für den Beginn einer neuen Mobilitätsära bei Daimler. Bis 2022 will Mercedes-Benz Cars mehr als zehn Elektro-Pkw auf den Markt bringen, bis 2025 sollen die EQ-Modelle ein Viertel des Mercedes-Absatzes bei Pkw ausmachen. Die Investitionssumme beläuft sich auf mehr als zehn Milliarden Euro und über eine Milliarde Euro für die Batterieproduktion. Auch die anderen deutschen Autokonzerne pumpen Milliarden in einen Markt, der bisher ein Schattendasein führte, weil die Batterien zu wenig Reichweite lieferten und die Lademöglichkeiten unzureichend waren. Das soll sich in den kommenden Jahren grundlegend ändern.
Der EQC als "Mercedes-Benz unter den Elektrofahrzeugen" soll dank zweier Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse mehr als 450 Kilometer am Stück schaffen. Mit luxuriösem Innendesign, zahlreichen Fahrassistenzfunktionen und dem neuesten Multimediasystem MBUX von Mercedes soll der Wagen, der in Bremen gebaut wird, gegen Teslas neuestes Model 3 ankommen. "Tesla hat praktisch Null Konkurrenz - aber das wird sich ab 2019 ändern", sagt etwa Wajih Hossenally von IHS Markit. Sobald die deutschen Premium-Stromer auf den Markt kämen, werde Tesla nicht länger Marktführer dieses Segments sein. Auch nach Prognose von LMC Automotive werden die deutschen Hersteller den Rivalen aus Kalifornien überholen. In den nächsten zehn Jahren dürfte der Marktanteil von Elon Musks Tesla von heute gut zwölf auf knapp drei Prozent sinken, während Daimler, BMW und Audi bis 2020 zusammen zwölf Prozent des weltweiten E-Auto-Absatzes eroberten und bis 2023 schon fast jedes fünfte Stromauto lieferten.
Bis 2022 soll Daimlers EQ-Familie mehr als zehn Mitglieder haben: Kompakt-Elektroautos sollen in Rastatt, am Smart-Standort Hambach in Frankreich und in Peking gebaut werden. Elektro-SUVs wie der EQC wird Mercedes für den amerikanischen Markt in seinem US-Werk in Tuscaloosa produzieren. EQ-Modelle der Ober- und Luxusklasse sollen in Sindelfingen vom Band laufen, wo auch die Luxuslimousine S-Klasse gefertigt wird. Die schweren Batterien werden in insgesamt acht Fabriken möglichst nah an den Montagewerken hergestellt. Die Elektrofahrzeuge werden auf der selben Linie wie Modelle mit Verbrennungsmotoren produziert, um flexibel auf die Nachfrage reagieren und die Werke optimal auslasten zu können, erklärte Mercedes-Produktionschef Markus Schäfer. "Damit erreichen wir weiterhin hohe Effizienz."
Wegen der hohen Anlaufkosten und zunächst geringer Profitabilität von E-Autos stimmte Daimler die Aktionäre schon 2017 auf niedrigeres Gewinnwachstum ein. In diesem Jahr soll der operative Gewinn gegenüber dem Vorjahr sogar sinken, da außerdem Autozölle, Diesel-Rückrufaktionen und die Umstellung auf das neue Schadstoffmessverfahren WLTP belasten.