Politik

Dem Iran droht die Destabilisierung durch Terror

Lesezeit: 6 min
24.09.2018 23:40
Nach Syrien könnte der Iran vor einer Welle des Terrors stehen, die zur Destabilisierung des Landes führen könnte.

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Die AFP bringt am Montag eine interessante Meldung, bei der ungewöhnlicherweise drei europäische Staaten - Großbritannien, Dänemark und die Niederlande - in Zusammenhang mit dem Anschlag im Iran gebracht werden:

Die Bundesregierung hat eine rückhaltlose Aufklärung des Anschlags auf eine Militärparade im Iran gefordert. Die "Hintermänner dieser Tat" müssten gefunden werden, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin. Den Anschlag bezeichnete er als "schrecklich". An "Spekulationen" über die möglichen Urheber wolle er sich nicht beteiligen, betonte der Sprecher. Im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Diplomaten sei der deutsche Botschafter in Teheran nicht einbestellt worden.

Die iranische Regierung hatte arabische Unabhängigkeitskämpfer für den Anschlag mit 24 Toten verantwortlich gemacht. Tatort war die Stadt Ahwas in der Provinz Chusestan. Dort leben überwiegend Araber, die sich sprachlich und kulturell vom mehrheitlich persischen Iran unterscheiden.

Ein Sprecher der Gruppierung "Nationaler Widerstand Ahwas" hatte sich am Sonntag in einem in London ansässigen iranischen Oppositions-TV-Sender zu dem Anschlag bekannt. Die iranische Regierung bestellte daraufhin verärgert den britischen Geschäftsträger ins Außenministerium ein. Dem Diplomaten sei mitgeteilt

worden, dass es "nicht hinnehmbar" sei, dass der Sprecher einer "Söldnergruppe" sich von London aus zu dem Anschlag bekenne, sagte Ministeriumssprecher Bahram Ghasemi in Teheran.

Auch Diplomaten aus Dänemark und den Niederlanden wurden einbestellt. Irans Regierung warf ihnen nach Angaben des Ministeriums vor, Angehörige der Widerstandsgruppe in ihren Ländern zu beherbergen. Die Diplomaten seien aufgefordert worden, "die Urheber der Tat und alle Beteiligten für einen fairen Prozess an den Iran auszuliefern", sagte Ghasemi.

Die iranischen Revolutionsgarden hatten am Sonntag die rivalisierende Regionalmacht Saudi-Arabien beschuldigt, die arabische Minderheit im Iran

aufzustacheln und die Attentäter unterstützt zu haben.

In Irans Geschichte gab es immer wieder Unruhen in Chusestan. Die Region grenzt an den Süd-Irak, mit dem die Bewohner Chusestans sprachlich und kulturell eng verwandt sind. Der damalige irakische Machthaber Saddam Hussein hatte 1980 den Golfkrieg mit einem Angriff auf Chusestan gestartet, das er dem Iran entreißen wollte.

Die Militärparade, die am Sonntag zum Ziel des Anschlags wurde, sollte an den Beginn dieses Kriegs vor 38 Jahren erinnern.

In Ahwas versammelten sich am Montag tausende Menschen, um Opfer des Anschlags zu Grabe zu tragen. Die mit Fahnen bedeckten Särge wurden durch die Straßen getragen, auf Spruchbannern war zu lesen "Nein zum Terrorismus". An der Trauerfeier vor der Sarallah-Moschee nahmen Vertreter der Regierung und der Streitkräfte, Kleriker und Bürger teil.

Der AFP-Bericht deutet darauf hin, dass der Iran vor einer Phase der Destabilisierung steht.

Hintergrund des Anschlags

Am 24. September 2018 übernahm Yaqoob Al-Ahwaz (eigentlich Yaqoub Al-Tostari) die Verantwortung für den Anschlag in Ahwaz, berichtet Kurdistan 24. Dies verkündete er über den in Großbritannien ansässigen iranischen Sender Iran International TV. Er sagte, dass seine Gruppe "Ahwaz National Resistance" (ANR), ein Teil der Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz, "keine andere Wahl hat, als Widerstand zu leisten".

Allerdings weist die "Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz" (ASMLA) jede Verantwortung für den Anschlag in Ahwaz zurück. Die ASMLA ist die offizielle Organisation der Ahwazi-Widerstandsbewegung. Sie hat ihren Hauptsitz in Den Haag. In einer Mitteilung auf ihrer offiziellen Webseite meldet die ASMLA: "Die Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz erklärt, dass die Organisation und ihr militärischer Flügel die Verantwortung für den Angriff auf die Militärparade der iranischen Besatzungstruppen am Samstag, dem 22. September 2018, nicht übernehmen. Die Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz teilt gegenüber den ehrenwerten Beobachtern der Ahwazi-Angelegenheiten mit, dass sie von falschen Informationen absehen, die von einer verdächtigen kleinen Gruppe verbreitet wird, die behauptet, Teil der ASMLA-Organisation zu sein. Die ASMLA möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass diese Gruppe seit 2015 aus der Organisation ausgeschlossen wurde. Die offizielle Stellungnahme zu dieser Angelegenheit wurde am 19. Oktober 2015 nach den Reformen des verstorbenen Anführers und Gründers der ASMLA, Ahmad Mola Nissi, veröffentlicht."

Es ist völlig unklar, wer genau hinter der Gruppe "Ahvaz National Resistance" (ANR) steckt. Die ANR verfügt über keine offizielle Webseite und kein Twitter-Konto.

Kurz nach dem Anschlag führte der dänische Sender DR ein Interview mit Yaqoob Al-Ahwaz, der als Sprecher der ASMLA präsentiert wird, was jedoch nicht zutrifft. "Wir sind nur der politische Teil der ,Ahwaz National Resistance' (ANR) und verantwortlich für das Medienmanagement. Wir wissen nichts über die Details und wir hatten nichts mit der Planung zu tun. Wir vermitteln nur, was, wie und warum es passiert ist. Unser Ziel ist es, unser Volk gegen den iranischen Terror und die Unterdrückung des Regimes zu verteidigen. Die Gruppen sind sich einig, dass es keinen Angriff auf Zivilisten geben sollte. Angriffe müssen sich gegen legitime Ziele wie Militärparaden richten", so Al-Ahwaz. Auf Nachfrage des Reporters, ob seine Gruppe und er irgendetwas mit der Planung des Anschlags auf die Militärparade in Ahwaz zu tun hatte, sagte Al-Ahwaz: "Nein. Hier in Dänemark arbeiten wir auf der Grundlage des dänischen Rechts. Wir sind nur politisch und im medialen Teil aktiv. Wir machen keine anderen Dinge (...) Bei dem Anschlag sind keine Zivilisten gestorben. Das Ziel war die Militärparade, bei der eine Reihe hochrangiger Leute von der iranischen Revolutionsgarde anwesend waren. Der Iran kann alles behaupten, was er will, aber es gibt keine Zivilisten, die gestorben sind (...) Die ganze Welt weiß, dass der Iran der größte Unterstützer des Terrorismus ist. Es ist seltsam, dass der Iran Dänemark für den Anschlag verantwortlich macht. Das ist der größte Witz, den ich im Jahr 2018 gehört habe."

Offizielle Reaktionen

Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, sagte in einer Mitteilung an NPR: "Wir stehen mit dem iranischen Volk gegen die Geißel des radikal-islamischen Terrorismus und drücken ihnen in dieser schrecklichen Zeit unser Mitgefühl aus. Die Vereinigten Staaten verurteilen alle Akte des Terrorismus und den Verlust von unschuldigen Leben."

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Geng Shuang, sagte: "China lehnt alle Formen des Terrorismus entschieden ab und verurteilt sie aufs Schärfste. Wir trauern zutiefst um die unschuldigen Opfer. Die internationale Gemeinschaft sollte die Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung weiter verstärken, um gemeinsam die Bedrohung durch den Terrorismus anzugehen und den Frieden und die Stabilität in der Region und in der Welt insgesamt zu gewährleisten."

Das türkische Außenministerium teilt in einer Mitteilung mit: "Wir haben mit großer Trauer erfahren, dass ein Terroranschlag auf eine Militärparade in der Stadt Ahwaz viele Menschenleben gefordert und viele Verletzte hinterlassen hat. Wir verurteilen diesen abscheulichen Terroranschlag aufs Schärfste. Wir wünschen all jenen Gottes Barmherzigkeit, die ihr Leben verloren haben und den Verwundeten schnelle Genesung. Wir übermitteln der Bevölkerung und der iranischen Regierung unser Beileid."

"Dieser Vorfall erinnert uns erneut an die Notwendigkeit, einen kompromisslosen Krieg gegen den Terror in all seinen Erscheinungsformen zu führen. Ich möchte unsere Bereitschaft bekräftigen, die Zusammenarbeit mit iranischen Partnern im Kampf gegen dieses Übel weiter auszubauen", zitiert die Tass den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Das saudische Außenministerium veröffentlichte keine Stellungnahme zum Anschlag im Iran. Der politischer Berater des Kronprinzen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Abdulkhaleq Abdulla, teilte nach dem Anschlag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: "Ein militärischer Angriff gegen ein militärisches Ziel ist keine terroristische Handlung."

In einem weiteren Tweet führt er aus: "Die iranische Hysterie ist ein Beweis dafür, dass der gestrige Angriff schmerzhaft war."

Eine offizielle Verurteilung des Anschlag hat es durch die VAE und Bahrain nicht gegeben.

Nach den Aussagen von Abdulla bestellte das iranische Außenministerium den Ständigen Vertreter der VAE in Teheran ein, berichtet The Times. Zudem wurden die Botschafter Großbritanniens, der Niederlande und Dänemarks einbestellt. Großbritannien, die Niederlande und Dänemark sollen nach Angaben des iranischen Außenministeriums die Rückzugsgebiete der "Al-Ahwaziya"-Gruppe sein, die auch international unter dem Namen "Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz" (ASMLA) bekannt ist. "Es ist nicht hinnehmbar, dass die Europäische Union die Mitglieder dieser Terrorgruppen nicht auf die schwarze Liste setzt, solange sie kein Verbrechen auf europäischem Boden verüben", so das iranische Außenministerium.

Ahwazi weisen Berichte zurück

Allerdings weist die ASMLA jede Verantwortung für den Anschlag in Ahwaz zurück. In einer Mitteilung auf ihrer offiziellen Webseite meldet die ASMLA: "Die Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz erklärt, dass die Organisation und ihr militärischer Flügel die Verantwortung für den Angriff auf die Militärparade der iranischen Besatzungstruppen am Samstag, dem 22. September 2018, nicht übernehmen. Die Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz teilt gegenüber den ehrenwerten Beobachtern der Ahwazi-Angelegenheiten mit, dass sie von falschen Informationen absehen, die von einer verdächtigen kleinen Gruppe verbreitet wird, die behauptet, Teil der ASMLA-Organisation zu sein. Die ASMLA möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass diese Gruppe seit 2015 aus der Organisation ausgeschlossen wurde. Die offizielle Stellungnahme zu dieser Angelegenheit wurde am 19. Oktober 2015 nach den Reformen des verstorbenen Anführers und Gründers der ASMLA, Ahmad Mola Nissi, veröffentlicht."

Die Stadt Ahwaz in Khuzestan

Bevor er zum Berater für nationale Sicherheit wurde, veröffentlichte John Bolton im August 2017 ein Weißbuch, in dem er die Regierung Trump öffentlich aufforderte, Druck auf den Iran auszuüben, indem sich Washington vom Nuklearabkommen zurückzieht und Unruhen im Land schürt. Das Dokument mit dem Titel “Iran Nuclear Deal Exit Strategy” beinhaltet einen Aufruf an die USA, “Unterstützung für kurdische nationale Bestrebungen, einschließlich der Kurden im Iran, Irak und Syrien”, sowie “Unterstützung für Belutschen, die Khuzestan-Araber, Kurden und andere”, bereitzustellen.

Nach Informationen des Jerusalem Center for Public Affairs (JCPA) finden im Iran seit Juni 2016 Terrorattacken durch „ethnische Oppositions-Elemente“ statt. Angriffe auf die iranische Erdölinfrastruktur in Ahwaz, die in der Vergangenheit stattfanden, sollen eine Reaktion auf die fortgesetzte „Repressionspolitik des Irans gegen die arabische Minderheit in Ahwaz“ sein „Die arabisch-sunnitischen Kämpfer könnten (...) Angriffe auf die Energieinfrastruktur für Gas und Öl könnten zu einem unsicheren und instabilen Umfeld für internationale Energieunternehmen führen“, so das JCPA.

Der US-Informationsdienst Stratfor schreibt in einer Analyse über das Unruhepotenzial im Iran: „Die iranische Provinz Khuzestan, die an den Irak grenzt, ist ein weiterer Punkt der Anfälligkeit. Die Region macht etwa 80-90 Prozent des iranischen Öls aus, und es wird erwartet, dass es einen erheblichen Anteil an Investitionen für Energie-Upgrades erhält. Aber auch dort, wo die arabische Minderheit als Ahwazi bekannt ist, wurden sporadische Angriffe auf die Sicherheitskräfte und die Energieinfrastruktur eingesetzt, um die iranische Regierung zu untergraben.“

Nach einer Analyse des Senders Al Arabiya, der seinen Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat, heißt die iranische Region Khuzestan in ihrer Originalbeschreibung „Arabistan“. Die Menschenrechte der Araber in „Arabistan“ würden mit Füßen getreten werden. „Ihre Identität läuft Gefahr, ausgelöscht zu werden. „Die iranische Politik der ethnischen Diskriminierung in Verbindung mit ihren persischen Umsiedlungsbemühungen hat dazu geführt, dass die Ahwazi-Araber in eine wirtschaftliche und soziale Unterschicht verwandelt wurden (…) Araber und Perser haben wenig gemeinsam, und wie Sir Arnold Wilson, ein britischer Kolonialverwalter, einmal sagte: ,Arabistan ist ein Land, das sich von Persien so unterscheidet wir Spanien von Deutschland‘.“


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