Deutschland

Rechnungshof übt massive Kritik an Umsetzung der Energiewende

Der Bundesrechnungshof hat die Umsetzung der sogenannten Energiewende scharf verurteilt und die Bundesregierung schwer belastet.
28.09.2018 16:30
Lesezeit: 2 min

Der Bundesrechnungshof sieht bei der Umsetzung der milliardenteuren Energiewende erhebliche Defizite und macht dem zuständigen Wirtschaftsminister Peter Altmaier schwere Vorwürfe. Der Umstieg auf erneuerbare Energien werde schlecht gesteuert, entscheidende Verbesserungen seien „unumgänglich“, heißt es in einem am Freitag vorgelegten Prüfbericht der Finanzkontrolleure.

Die Energiewende ist auch zentral für den Ausstieg aus dem Kohlestrom, der im Kampf gegen die Erderwärmung wichtig ist. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft (IEE) legte am Freitag eine Studie vor, nach der ein Ausstieg bereits 2030 gelingen könnte - wenn die Energiewende vorankommt.

Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, sagte: „Die Bundesregierung droht mit ihrem Generationenprojekt der Energiewende zu scheitern.“ Der enorme Aufwand und die starke Belastung der Bürger und Wirtschaft stünden in krassem Missverhältnis zum bisher dürftigen Ergebnis. „Wenn die Energiewende gelingen soll, muss die Bundesregierung umsteuern.“

Bei der Energiewende sollen Energiequellen wie Kohle, Gas und Atomkraft durch als umweltfreundlich geltende Energieträger wie Sonne und Wind ersetzt werden. Deutschland gilt dabei weltweit als Vorreiter. Das nationale Klimaziel 2020 zur Senkung von Treibhausgasemissionen wird aber aller Voraussicht nach verfehlt. Derzeit stockt vor allem der notwendige Ausbau der Stromnetze. Der seit März amtierende Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) hatte zuletzt angekündigt, der Netzausbau solle beschleunigt werden.

Eine am Freitag vorgelegte Studie des Fraunhofer-Instituts im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace kam zu dem Ergebnis, dass das deutsche Klimaziel doch noch erreicht werden könnte, wenn 2020 das älteste Drittel der besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke stillgelegt würde. Außerdem müssten weitere ältere Braunkohlemeiler dann gedrosselt werden.

Der Ausstieg aus dem Kohlestrom, der besonders viel Kohlendioxid (CO2) verursacht, ist langfristig unumgänglich, um die Erwärmung der Erde auf 1,5 oder 2 Grad zu beschränken. Dazu hat sich Deutschland auch im Klimaschutzabkommen von Paris verpflichtet. Der Zeitpunkt des Ausstiegs ist allerdings hoch umstritten. Während Umweltschützer und Klimaforscher einen Ausstieg 2030 fordern, sprechen manche Wirtschaftsvertreter von 2045.

Der Fraunhofer-Studie zufolge könnte der Ausstieg schon 2030 gelingen - wenn die jüngeren Steinkohlemeiler als Reserve bereit blieben. „Deutschland kann sich ab 2030 sicher und kohlefrei mit Energie versorgen“, erklärte der IEE-Wissenschaftler Norman Gerhardt. Die Stromversorgung soll dabei durch den Bau moderner Gaskraftwerke, den Ausbau von Wind- und Solarkraft sowie einen Anstieg des CO2-Preises sichergestellt werden. Allerdings müsste dazu unter anderem der Netzausbau vorankommen.

Der Rechnungshof schreibt, ohne Verbesserungen bei der Koordination und Steuerung könne in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, Deutschland sei nicht imstande, die gesamtgesellschaftlich und langfristig angelegte Energiewende erfolgreich zu gestalten. In den letzten fünf Jahren seien dafür mindestens 160 Milliarden Euro aufgewendet worden. Trotz eines erheblichen Einsatzes von Personal und Finanzmitteln erreiche Deutschland die Ziele bisher überwiegend nicht.

Das Wirtschaftsministerium habe seit nahezu fünf Jahren die Federführung inne, heißt es im Bericht. So seien allein im Ministerium 34 Referate in vier Abteilungen damit befasst, die Energiewende umzusetzen - dazu fünf weitere Bundesministerien und alle Länder. Dennoch habe das Ministerium nicht festgelegt, was die Koordination der Energiewende umfasse. „Eine gesamtverantwortliche Organisationsform gibt es bis heute nicht.“ Außerdem gebe es zu wenig Klarheit darüber, was die Energiewende koste, so der Rechnungshof.

Das Ministerium weist die Kritik laut dem Bericht überwiegend zurück. Es sehe keinen Handlungsbedarf und halte die Energiewende für effektiv und effizient koordiniert.

Der FDP-Energiepolitiker Martin Neumann sprach von einer „Bankrotterklärung“ für die Energiewende der Bundesregierung. «“Wirtschaftsminister Altmaier bekommt es nun schriftlich: Bürgern und Unternehmen werden Milliarden aus der Tasche gezogen, die Klimaziele werden krachend verfehlt.“ Der Linke-Politiker Klaus Ernst sagte, das Chaos im Wirtschaftsministerium gefährde die Energiewende.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Mit KI zum Durchbruch: Wie die Wellenkraft zur nächsten Energie-Revolution werden soll
26.04.2025

Europa steht vor der nächsten Energie-Revolution: Mit Hilfe künstlicher Intelligenz könnte die bislang unterschätzte Wellenkraft zur...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mobiles Geld: Afrika revolutioniert die Finanzwelt – und überholt den Westen
26.04.2025

Während Europa und die USA noch über die Zukunft digitaler Bezahlsysteme diskutieren, hat Afrika längst Fakten geschaffen. Der Kontinent...

DWN
Panorama
Panorama Können Tierversuche durch neue Technologien ersetzt werden?
26.04.2025

Mehr als eine Million Mäuse, Fische, Kaninchen oder auch Affen werden jedes Jahr in Versuchen eingesetzt. Ob es um Medikamente gegen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datenstrategie 2025: Warum KI-Erfolg in Unternehmen ein neues Mindset braucht
26.04.2025

Viele KMU lassen bei Daten und KI ihr Innovationspotenzial ungenutzt. Wiebke Reuter, Fachanwältin für Informations- und Technologierecht...

DWN
Politik
Politik Heizungsgesetz soll weg – doch hohe Öl und Gaspreise werden die Bürger belasten
26.04.2025

Die frisch geformte Koalition unter der Führung von Friedrich Merz plant, das Heizungsgesetz abzuschaffen. Doch auch ein Anstieg der Öl-...

DWN
Politik
Politik Trumps Handelskrieg zwingt EU und China zu einer Annäherung – doch der Preis ist hoch
26.04.2025

Der eskalierende Handelskonflikt zwischen den USA und China zwingt die EU zu einem Strategiewechsel. Doch der geopolitische Preis ist hoch...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB in der Zwickmühle: Zinssenkung befeuert Immobilienmarkt – Gefahr einer neuen Kreditblase?
26.04.2025

Der Druck auf die Europäische Zentralbank wächst, während die Zinsen sinken und der EURIBOR neue Tiefstände markiert. Was bedeutet das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Funkmast auf Futterwiese: Das verdienen Landwirte mit Mobilfunkmasten
26.04.2025

Wer als Landwirt ungenutzte Flächen oder Scheunendächer für Mobilfunkanbieter öffnet, kann mit Funkmasten stabile Zusatzeinnahmen...