Saudi-Arabien droht den USA und anderen Ländern mit Vergeltung, falls sie im Fall des verschwundenen Journalisten Jamal Khashoggi Wirtschaftssanktionen gegen Riad verhängen sollten. Sollte es zu derartigen Aktionen kommen, werde das Königreich darauf stärkeren Maßnahmen reagieren, zitierte die staatliche saudische Nachrichtenagentur am Sonntag einen Vertreter aus Regierungskreisen in Riad. US-Präsident Donald Trump hatte dem Königreich mit ernsten Konsequenzen gedroht, falls es den Regimekritiker Khashoggi tatsächlich in seinem Konsulat in Istanbul ermordet hat. In dem Fall stehe viel auf dem Spiel, sagte Trump dem Fernsehsender CBS. "Wir werden der Sache auf den Grund gehen, und es wird eine harte Bestrafung geben". Der saudiarabische Aktienindex brach daraufhin um sieben Prozent ein, die gehandelten Papiere verloren zeitweise 33 Milliarden Dollar an Wert. Es war der stärkste Kurssturz seit Dezember 2014, als der Ölpreis einbrach.
Saudi-Arabien ist auf ausländisches Kapital angewiesen, um die geplante Diversifizierung seiner Wirtschaft stemmen und die Arbeitslosenquote von derzeit 12,9 Prozent senken zu können. Als Reaktion auf das Verschwinden Khashoggi haben jedoch etliche Firmen, vor allem Medienkonzerne, ihre Teilnahme an einer hochrangig besetzten Wirtschaftskonferenz Ende Oktober in Saudi-Arabien abgesagt. Der Fall Khashoggi und andere Vorkommnisse sei zu einem bedeutenden Faktor für potenzielle Investoren geworden, sagte eine Banken-Vertreterin. "Es ist die Häufung - der Jemen-Krieg, der Streit mit Katar, die Spannungen mit Kanada und Deutschland, die Festnahme von Aktivistinnen", erklärte sie. "Das alles nährt den Eindruck, dass hier sehr impulsiv Politik gemacht wird - und das macht den Investoren Sorgen".
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hielt zunächst dennoch an ihrer Teilnahme an der Wirtschaftskonferenz fest. "Derzeit habe ich keine Absicht, mein Pläne zu ändern", sagte sie. Neue Informationen im Fall Khashoggi werde sie in den kommenden Tagen aufmerksam verfolgen. Sie sei schockiert über die schrecklichen Dinge, die berichtet worden seien.
Trump lehnte erneut einen Stopp der US-Waffenlieferungen an Saudi-Arabien unter Verweis auf die Arbeitsplätze in der amerikanischen Rüstungsindustrie ab. Die USA würden sich mit einer solchen Maßnahme selbst bestrafen, erklärte der Präsident. "Es gibt andere Dinge, die wir tun können, die sehr, sehr wirkungsvoll, sehr stark sind, und das werden wir machen", sagte Trump, ohne konkreter zu werden. Unter anderem die US-Rüstungskonzerne Lockheed Martin und Raytheon profitieren von Aufträgen aus Saudi-Arabien.
Auf die Frage, ob der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman die Tötung von Khashoggi angeordnet habe, antwortete Trump: "Bislang weiß das niemand, aber wir werden es sicher herausfinden. Wir wären sehr wütend und ungehalten, wenn das der Fall wäre."
Trump hat, anders als seine Vorgänger, auf Mohammed Bin Salman (MBS) als Kronprinzen gesetzt. Dieser setzte sich tatsächlich durch, ließ eine brachiale Säuberung durchführen, scheint die Lage aber trotz seines harten Vorgehens noch nicht im Griff zu haben. Dieser Machtkampf hat auch Auswirkungen auf die US-Innenpolitik und die Position von Trump.
Die US-Regierung will am 5. November erneut Sanktionen auf Ölexporte aus dem Iran verhängen. Trump hat Saudi-Arabien aufgefordert, die eigene Ölförderung hochzufahren, um die Ausfälle auf dem Ölmarkt wettzumachen.
Bundesaußenminister Heiko Maas forderte Saudi-Arabien auf, den Fall Khashoggi aufzuklären. Die Sorge um Khashoggi wachse mit jedem Tag der Ungewissheit, sagte er der FAZ. Er habe der saudiarabischen Seite klar gemacht, dass sie alles tun müsse, um den Fall aufzuklären. "Wir können uns nicht damit abfinden, dass Journalisten weltweit immer öfter wegen ihrer Arbeit bedroht und angegriffen werden", mahnte Maas. "Das gilt auch für Saudi-Arabien. Das ist nicht akzeptabel. Das gilt auch für Journalisten im Exil."
Allerdings hatte sich Maas erst vor wenigen Tagen bei den Saudis für die Kritik seines Vorgängers Sigmar Gabriel entschuldigt und eine neue Ära der engen Zusammenarbeit mit den Saudis angekündigt.
Khashoggi wollte am 2. Oktober im saudiarabischen Konsulat in Istanbul Unterlagen für seine Hochzeit besorgen und ist seither verschwunden. Die türkische Polizei geht davon aus, dass er dort ermordet wurde. Die Regierung in Riad weist diesen Vorwurf zurück.