Finanzen

Geldwäsche: Banken müssen Aufgaben der Polizei übernehmen

Lesezeit: 6 min
28.10.2018 23:28
Die Problematik der internationalen Geldwäsche zwingt die Banken, Aufgaben der Polizei zu übernehmen und die wirtschaftlichen Fakten hinter Transaktionen zu ermitteln.

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Geldwäsche durch Banken beschäftigt derzeit europaweit zahllose Behörden: Bankenaufseher, Polizisten, Finanzbeamte und Staatsanwälte sind im Einsatz. Einige Institute haben schon enorme Strafen ausgefasst, einige wurden schon behördlich geschlossen. Paradoxer Weise wird den Instituten weniger die Geldwäsche selbst vorgehalten, sondern vor allem die Verletzung des „Know your Customer Prinzips“, also die fehlende Feststellung der tatsächlichen Eigentümer der dubiosen Millionen, die den Instituten angeboten werden. Vereinfacht ausgedrückt: Man wirft den Banken vor, dass ihre Mitarbeiter schlechte Polizisten sind. Womit sich die Frage stellt, ob Banken überhaupt die Arbeit der Polizei machen sollen und können. Das ist aber aufgrund von EU-Richtlinien und nationalen Gesetzen vorgeschrieben.

Kleine Filiale mit Milliarden Einlagen?

Allerdings ist die Position der Behörden angesichts der Vorkommnisse verständlich: Wieso wurde etwa der Vorstand der Danske Bank nicht stutzig, als eine Filiale in Estland tausende Kunden aus Großbritannien und Russland bediente und dabei innerhalb einiger Jahre mehr als 200 Mrd. $ bewegte. Die Danske Bank hat insgesamt nur eine Bilanzsumme von 540 Mrd. $. Und ist nicht anzunehmen, dass die Bank mit der Verwaltung der 200 Mrd. $ Gewinne erzielt hat, somit Gewinne aus Schwarzgeld gemacht haben könnte? Und: Haben die agierenden Mitarbeiter selbst kassiert? Hier würde doch eine Aktion von Finanz und Polizei naheliegen, da könne man die Banken gar nicht aus der Pflicht entlassen.

Wie schaffen es Banken, Schwarzgeld weiß zu waschen?

Das Entstehen von Schwarzgeld ist nachvollziehbar, wie Banken Schwarzgeld weiß waschen weniger.

  • Ist einmal das illegal erworbene Geld von einer Bank angenommen, so sind mehrere weitere Schritte möglich.
  • Der Einsatz der Mittel auf dem Geldmarkt zwischen den nationalen und vor allem internationalen Partnerbanken bietet sich an, wodurch die Gelder weltweit verteilt werden. Dies ist im Fall der dänischen Bank offenbar geschehen, womit sich jetzt die Partnerbanken dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass auch sie bei der Annahme der Mittel aus Dänemark das „Know your Customer“-Prinzip verletzt hätten.

    • Bei konsequenter Umsetzung dieser Argumentation der Behörden wird aber der für den Liquiditätsausgleich innerhalb der Institute notwendige Geldmarkt unmöglich gemacht. Hier sei nur daran erinnert, dass 2008 der Zusammenbruch der Lehman Bank das Vertrauen zwischen Banken erschüttert hat und der Geldmarkt zum Erliegen kam, wodurch die Finanzkrise dramatisch verschärft wurde.

  • Eine andere Möglichkeit ist die Verteilung der dubiosen Mittel auf zahlreiche Konten, wodurch einzeln nur geringe Beträge bewegt werden.

    • Diese beliebte Vorgansweise wurde schon bisher durch eine Obergrenze je Konto von 15.000 Euro bekämpft, die heuer beschlossene 5. Geldwäscherichtlinie senkt diese Summe ab 2020 auf 10.000 Euro.
    • Den Banken ist zudem schon länger vorgeschrieben festzustellen und zu melden, ob mehrere Konten einem Kunden zuzuschreiben sind.

  • Bei der Verwaltung von Termingeschäften und Wertpapiertransaktionen auf ausgelagerten Depots können die Banken Gewinne darstellen, mit denen Schwarzgeld weißgewaschen wird. Allerdings werden die Institute in diesen Fällen eindeutig zu Komplizen und Hehlern ihrer Schwarzgeld-Kunden.

„Know your customer“-Regel

Die Geldwäsche durch Banken selbst ist nur schwer zu beweisen, also konzentriert man sich auf die Sicherstellung der Meldungen, somit auf die Umsetzung der „Know your customer“-Regel. Die Regel bedeutet, dass die Bankmitarbeiter bei Einlagen derzeit über 15.000 Euro, künftig über 10.000 Euro den tatsächlichen, wirtschaftlichen Eigentümer des Geldes feststellen müssen. Also zwischengeschaltete Firmen, Anwälte, Notare und sonstige Treuhänder haben ihre Auftraggeber offenzulegen. Geschieht dies nicht, muss die Bank Maßnahmen ergreifen, folglich die Transaktion grundsätzlich ablehnen. Kommt die Einzahlung doch zustande, so ist sie, wie jede größere Bewegung auf welchen Konten immer, den Behörden zu melden.

  • Aktuell: Die Deutsche Bank wird künftig durch einen eigenen von der Aufsichtsbehörde Bafin gestellten Sonderbeauftragten kontrolliert. Seit Jahren wird dem Institut vorgeworfen, keine wirksamen „Know-your-Customer“-Systeme zu haben. Dies wurde von der Bank auch kürzlich bestätigt. Dass die Deutsche Bank der Danske Bank bei der Weißwaschungs-Aktion geholfen haben könnte, steht im Raum, ist aber nicht erwiesen und auch nicht offiziell als Grund für die Einsetzung eines Kontrollers angegeben.
  • Ähnlich gelagert war im März 2018 die Aktion der österreichischen Aufsicht gegen die Raiffeisenbank International. Verhängt wurde eine Strafe von 2,7 Mio. Euro wegen Verletzung der Sorgfaltspflichten, wogegen die Bank sich allerdings wehrt. Dem Institut wurde keine Involvierung in die aus den Panama-Papers bekannten Malversationen vorgeworfen, obwohl die Strafe anlässlich der Abwicklung von Fällen aus dieser Affäre verhängt wurde.
  • Im September 2018 akzeptierte die niederländische ING eine Strafe von 775 Mio. Euro, wobei 675 Mio. die mangelhafte Beachtung des „Know-your-Customer“ Prinzips und 100 Mio. die aus der Verwaltung der Gelder generierten Gewinne betreffen. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass die Bank bei einer Reihe von Fällen hätte erkennen müssen, dass die Gelder möglicherweise aus Straftaten stammten.
  • Auch kleine Banken werden nicht verschont: Die Vorarlberger Hypo-Bank fasste wegen Verletzung der Sorgfaltspflichten im März 2018 eine Strafe von 414.000 Euro aus, gegen die berufen wurde. Die kleine Bank hat einen Jahresgewinn von etwa 100.000 Euro.

Die Mitarbeiter der Institute sind bei der Feststellung der wirtschaftlichen Eigentümer überfordert.

  • Wie soll ein Bankangestellter feststellen, ob Unternehmen in Russland, das war etwa der Fall der estnischen Filiale der Danske Bank, oder Manager in Usbekistan, eines der Probleme der ING, Steuern hinterzogen oder andere Verfehlungen begangen haben. Das ist schlichtweg unmöglich. Möglich ist also nur die Meldung von verdächtigen Geldbewegungen, die in der Folge Gegenstand von Ermittlungen sein können.
  • Allerdings stellen die Behörden selbst die Wirkung ihrer Vorschriften in Frage, indem sie übertreiben: Die Banken müssen bei jedem Kunden, auch wenn sie die Personen seit Jahren kennen, umfangreiche Formulare ausfüllen und auch bei relativ geringen Beträgen den wirtschaftlichen Eigentümer erheben und den Verdacht auf Geldwäsche ausräumen. Die Geldwäsche-Kontrolle bedeutet somit in den meisten Fällen einen enormen, aber sinnlosen bürokratischen Aufwand, der den Blick für möglicherweise erkennbar dubiose Geschäfte verstellt. Mit der Verringerung der Obergrenze auf 10.000 Euro wird das Problem ab 2020 noch verschärft.

Die Behörden fühlen sich jedoch durch die tatsächlichen oder vermeintlichen kriminellen Fälle bestätigt.

  • Nachdem US-Behörden im Februar aufgezeigt hatten, dass die ABLV in Lettland Geldwäsche für Kunden aus Russland und der Ukraine betreibt, kam es im März prompt zur Schließung des Instituts durch die EZB und den so genannten „Abwicklungsmechanismus“. Die Bank war einer der Profiteure der Zypern-Krise und der folgenden, harten Sanierung des dortigen Bankwesens im Jahr 2012: Damals war Zypern ein beliebter Platz für russische Anleger, von denen viele in der Folge ihre Aktivität nach Lettland verlagerten. Nach der Schließung der ABLV verlor auch die Versobank in Lettland ihre Konzession.
  • In Malta werden ebenfalls Geldwäsche-Aktivitäten geortet. Nach US-Sanktionen im Februar wurde die Pilatus-Bank von der Maltesischen Aufsichtsbehörde unter Kuratel gestellt. Vor wenigen Tagen ereilte die maltesische Satabank das gleiche Schicksal.
  • Die Vertreter der EU-Aufsichtsbehörden zeigen sich betroffen, dass sie immer wieder von US-Behörden auf Mängel im europäischen Bankensystem aufmerksam gemacht werden und sind bemüht besonders rigoros vorzugehen.
  • Allerdings ist nicht zu übersehen, dass die US-amerikanischen Ermittler vor allem russische Kunden europäischer Banken im Visier haben. Die US-Sanktionen gegen Russland zielen unter anderem darauf, Moskau den Zugang zu den internationalen Finanzmärkten abzuschneiden. Die FBI-Spezialeinheit für „Disrupting Professional Money Launderers“ ist weltweit gemeinsam mit Partnern aktiv.
  • Der Vorwurf der Geldwäsche ist besonders wirksam, weil in der Folge die europäischen Behörden aufgrund der EU-Rechtslage aktiv werden müssen. Nachdem Maßnahmen von den Strafen bis zu Schließung rasch durchgesetzt werden können, nachfolgende Berufungsverfahren sich aber mühsam und langwierig gestalten, sind die US-Aktionen außerordentlich effektiv.
  • Unter diesen Umständen fahren derzeit die meisten europäischen Banken ihr Russland-Geschäft zurück, um nicht in das Visier der US-Behörden zu kommen. Eine Auseinandersetzung mit den US-Behörden ist besonders kritisch, da fast alle Großbanken ein bedeutendes US-Geschäft haben, das niemand gefährden will.
  • Im September hat zudem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die ab 2014 von der EU im Gleichklang mit den USA gegen Russland in der Ukraine-Krise verhängten Sanktionen für rechtens erklärt, womit eine Sonderstellung der europäischen Banken schwer zu argumentieren ist.

Auch die phantasievollen Beträge, die weltweit genannt werden, schaffen den Eindruck, Billionen werden durch Steuerhinterziehung, Drogenhandel, Erpressung und illegale Prostitution „verdient“ und müssen dringend zum Gegenstand umfassender Aktionen gemacht werden. Die Regierungen vermitteln oft die Illusion, dass alle Budgetprobleme gelöst wären, könnte man nur das Schwarzgeld in die Staatskassen bringen.

Verwirrend ist, dass stets auch der Terrorismus genannt wird, der keine Gewinne bringt, sondern beträchtliche Kosten verursacht, aber ohne Zweifel auch durch die Schwarzwirtschaft finanziert wird. Allerdings ist erwiesen, dass einige Regierungen die Terroristen bezahlen.

Hoffnung auf die Blockchain-Technologie

Die Situation ist aus mehreren Gründen unbefriedigend: Weder will man die Geldwäsche unterstützen noch sollen die Banken als Polizeistellen agieren, die bei mangelndem Einsatz mit gigantischen Strafen belegt werden, auch sollen die US-Behörden europäische Banken und europäische Institutionen nicht vor sich hertreiben. Allerdings wären die Voraussetzungen für eine wesentlich bessere Methode der Geldwäschebekämpfung gegeben, die aber von den meisten Staaten selbst nur zögerlich umgesetzt wird.

Im Juli 2014 hat die OECD im Gefolge einer entsprechenden Aufforderung durch die G 20 den so genannten „Common reporting standard-CRS“ vorgelegt, der mittlerweile von über 100 Staaten übernommen wurde. Das Regelwerk besagt, dass alle Transaktionen auf Finanzkonten offen zu legen sind. Mit dem CRS wird für diesen Bereich das Bankgeheimnis und der Datenschutz außer Kraft gesetzt. Die Finanzämter bekommen Zugriff auf alle Konten, können also selbst aktiv werden oder Kollegen im Ausland informieren. Dies geschieht auch bereits, allerdings nicht überall und nicht überall in gleicher Weise, sodass die Experten meinen, dass man noch einige Zeit vergehen wird, bis die angepeilte Transparenz erreicht ist.

Auf diesem Gebiet waren wieder die USA rascher und effizienter. Der Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) wurde bereits im Jahr 2010 beschlossen und verpflichtet vor allem Banken und Versicherungen außerhalb der USA zur Mitteilung steuererheblicher Daten, die US-Bürger oder US-relevante Transaktionen betreffen. Deutschland hat 2103 ein entsprechendes Gesetz beschlossen, die Schweiz und Österreich folgten 2014.

Für die Zukunft dürfte der Common reporting standard in Europa bestimmend werden. Voraussichtlich wird die moderne Blockchain-Technologie für den Durchbruch sorgen. Mit der Blockchain können alle Buchungen und somit alle Geldbewegungen nachverfolgt werden, da in der Kette (chain) ­ immer die vorausgehende wie die nachfolgende Transaktion erkennbar ist. Eigene Überprüfungsprogramme würden dann verdächtige Einzahlungen und Überweisungen herausfiltern. Noch ist es nicht so weit, da bislang auch die totale Transparenz der Konten nicht umgesetzt ist. Auch ist ungewiss, ob Blockchain sich als ultimatives Wundermittel entpuppen wird. Zudem müsste auch die Frage geklärt werden, inwieweit die Privatsphäre und die persönlichen Daten geschützt werden und in welchem Ausmaß das öffentliche Interesse der Zugriff auf alle Konten zu rechtfertigen ist.

Vorerst jedenfalls werden die Behörden weiterhin darauf bestehen, dass die Institute das „Know your customer“-Prinzip umsetzen und Mängel in den Banken und Versicherungen mit drakonischen Strafen belegen.

***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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