Politik

Auto-Krise: Die deutsche Wirtschaft schrumpft

Massive Probleme in der Autoindustrie haben die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal erstmals seit dreieinhalb Jahren schrumpfen lassen.
23.11.2018 14:29
Lesezeit: 2 min

Durch den Zulassungsstau infolge der Umstellung auf den neuen Abgasprüfzyklus sank das Bruttoinlandsprodukt von Juli bis September um 0,2 Prozent, bestätigte das Statistische Bundesamt am Freitag eine frühere Schätzung. Das war nicht nur der erste Rückgang im Quartalsvergleich seit Anfang 2015, sondern zugleich der stärkste seit fünfeinhalb Jahren. Im ersten Vierteljahr hatte es ein Plus von 0,4 Prozent gegeben, im zweiten von 0,5 Prozent.

Experten machen die Autoindustrie für das schwache Abschneiden verantwortlich, deren Probleme mit der Umstellung auf den neuen Prüfzyklus einen Zulassungsstau auslöste. Die Folge: Trotz Rekordbeschäftigung und steigender Löhne gaben die Verbraucher 0,3 Prozent weniger für den Konsum aus. Zudem schrumpften die Exporte um 0,9 Prozent. Die Importe legten hingegen um 1,3 Prozent zu. Positive Impulse kamen von den Investitionen: Für Ausrüstungen wie Maschinen und Geräte wurden 0,8 Prozent mehr ausgegeben, für Bauten 0,9 Prozent mehr. Die staatlichen Konsumausgaben wuchsen um 0,2 Prozent.

Wegen der Sommerflaute ist führenden Instituten zufolge die Regierungsprognose für das laufende Jahr von 1,8 Prozent kaum mehr erreichbar. Dafür müsste das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Schlussquartal um außerordentlich starke 1,3 Prozent wachsen, berechneten das Münchner Ifo, das Berliner DIW und das Kieler IfW. Stattdessen dürfte es im Gesamtjahr eher zu rund 1,5 Prozent reichen. Die für 2019 erwarteten 1,8 Prozent halten die Institute aber für machbar.

In ersten Reaktionen hieß es dazu:

JÖRG ZEUNER, KFW:

"Die Schrumpfung der deutschen Wirtschaft im Sommer wird ein Ausrutscher bleiben. Das legt nicht nur die Zunahme bei den Investitionen nahe, sondern auch der relativ starke Zuwachs der Importe, der auf eine anhaltend kräftige Grunddynamik der Binnennachfrage schließen lässt.

Im Schlussquartal dürfte es einen deutlichen Rückprall geben, darüber hinaus aber keine Rückkehr zu dauerhaft hohen Quartalswachstumsraten. Die zuvor sehr kräftige Konjunktur mit dem Jahr 2017 als Höhepunkt kühlt ab."

THOMAS GITZEL, VP BANK:

"Es kann eigentlich nur besser werden. Das neue WLTP-Testverfahren hinterlässt in der deutschen Automobilwirtschaft und damit beim privaten Konsum und den Exporten massive Bremsspuren. Da es sich hierbei aber um einen vorübergehenden Einmaleffekt handelt, sollten in den kommenden Quartalen kompensatorische Effekte auf der Agenda stehen. Alleine dies wird ausreichen, um das Wachstum wieder in die Spur zu bekommen. Trotz allem werden die kommenden Zuwächse keine Himmelsstürmer werden. Die globale Konjunktur schwächelt, was das exportstarke Deutschland besonders deutlich zu spüren bekommt.

Um aber nicht vollends ins Trübsal blasen zu verfallen: Der private Konsum, die Ausrüstungsinvestitionen und die Bauwirtschaft werden das Wachstum auf Kurs halten. Wenngleich Mario Draghi in Deutschland gerne der Buhmann ist, der in den Augen vieler mit seiner Niedrigzinspolitik den Sparern die Freude verdirbt, der Konjunktur hilft er derzeit. Der Treibstoff für das Wachstum der Investitionen sind vor allem die niedrigen Zinsen. Mario Draghi sei also Dank, dass es nicht noch schlimmer kam und kommt."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Umwelt? Mir doch egal: Klimaschutz verliert an Bedeutung
13.05.2025

Klimaschutz galt lange als gesellschaftlicher Konsens – doch das Umweltbewusstsein in Deutschland bröckelt. Eine neue Studie zeigt, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohntraum wird Luxus: Preise schießen in Städten durch die Decke
13.05.2025

Die Preise für Häuser und Wohnungen in Deutschland ziehen wieder deutlich an – vor allem in den größten Städten. Im ersten Quartal...

DWN
Finanzen
Finanzen Wird die Grundsteuer erhöht? Zu viele Ausgaben, zu wenig Einnahmen: Deutsche Kommunen vorm finanziellen Kollaps
13.05.2025

Marode Straßen, Bäder und Schulen: Fast neun von zehn Städten und Gemeinden in Deutschland droht in absehbarer Zeit die Pleite. Bereits...

DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtkampf der Tech-Eliten: Bill Gates attackiert Elon Musk – „Er tötet die ärmsten Kinder der Welt“
12.05.2025

Ein milliardenschwerer Konflikt zwischen zwei Symbolfiguren des globalen Technologiekapitalismus tritt offen zutage. Der frühere...

DWN
Politik
Politik Pflege am Limit? Ministerin fordert Reform für mehr Eigenverantwortung
12.05.2025

Pflegekräfte sollen mehr dürfen und besser arbeiten können – das fordert Gesundheitsministerin Nina Warken zum Tag der Pflegenden....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden ungenutzt: Irischer Top-Investor fordert Einsatz von Pensionsgeldern zur Stärkung europäischer Technologie
12.05.2025

Die europäische Technologiebranche droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Der Grund: Staatlich geförderte...