Söldner-Truppen, die im Westen der Stadt Aleppo positioniert sind, sollen am Wochenende die Stadtteile al-Khalidyia, al-Neel-Straße und Jamayat al-Zahra mit Granaten beschossen haben. Die Granaten sollen mit Chlor-Gas präpariert gewesen sein. Der Polizei-Chef von Aleppo, Issam al-Shilli, meldete zahlreiche Erstickungsanfälle. Die Opfer des Angriffs wurden im Al-Razi-Krankenhaus und im Universitätsklinikum behandelt. Bei den Betroffenen soll es sich um 50 Personen gehandelt haben, meldet die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA.
CBS News zufolge soll es sich bei den Opfern um etwa 100 Personen handeln. Jonathan Vigliotti, Korrespondent von CBS News, berichtet, dass sie wegen Atembeschwerden, Hautausschlägen und entzündeten Augen behandelt wurden, Symptome, von denen die Ärzte sagten, dass sie mit der chemischen Kriegsführung übereinstimmen. Nasr al-Hariri, der Chefunterhändler der syrischen Opposition in Genf, reagierte auf den Vorfall. Er teilte über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: „Das Regime und seine Verbündeten nutzen diesen Vorfall als Vorwand, um im Norden Syriens eine Militäroperation durchzuführen.“ Die syrische Regierung habe diesen Vorfall inszeniert.
Die BBC führt aus: „Abdel-Salam Abdel-Razak, ein Vertreter der einflussreichen Dschihadistengruppe Nour al-Din al-Zinki in der Region, wies die Berichte als ,reine Lüge' zurück, meldete die Nachrichtenagentur Reuters.“
CNN zitiert die Vizedirektorin für den Nahen Osten und Afrika von Human Rights Watch: „Ernste Berichte über mutmaßliche Angriffe mit chemischen Waffen sollten nicht ohne Ermittlungen ignoriert werden. Alle Parteien, einschließlich der syrischen Regierung und Russland, sollten eine Untersuchung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen veranlassen.“
Im Westen von Aleppo und im Süden von Idlib befinden sich immer noch zahlreiche Söldner der al-Nusra-Front (heute Hayat Tahrir al-Scham - HTS), der Al-Izza-Brigaden, der Islamischen Partei Turkestan (TIP) und weiterer Verbände aus dem Kaukasus. Die Verbände der Söldner tummeln sich im Westen von Aleppo und im Grenzgebiet zwischen Idlib und Hama.
Als Reaktion auf den Vorfall in Aleppo hat die russische Luftwaffe Angriffe gegen Söldner-Stellungen im Westen Aleppos ausgeführt. Die BBC berichtet: „Am Sonntag meldete das russische Verteidigungsministerium, Kampfflugzeuge hätten Luftschläge gegen ,die identifizierten Positionen der terroristischen Artillerie in der Gegend, von der aus Zivilisten in der Stadt Aleppo beschossen wurden', am vergangenen Abend gestartet. Es fügte hinzu, dass alle ,militanten' Ziele ,zerstört' wurden.“
Nach Angaben der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA sollen „französische Experten“ Söldner-Truppen in Idlib ebenfalls mit giftigen Substanzen versorgt haben. Im Tal al-Sultan-Gebiet (Nord-Idlib) soll die tschetschenische Söldner-Truppe Ajnad al-Kavkaz zehn Chemiewaffen-Raketen erhalten haben. Die Truppen Jaish al-Izza in der Stadt Kafr Zita (38 Kilometer nordwestliche von Hama) und Hurras al-Deen in der Stadt Morek (30 Kilometer nördlich von Hama) sollen ebenfalls jeweils zehn Chemiewaffen-Raketen erhalten haben. Die TIP soll ebenfalls eine unbekannte Anzahl erhalten haben.
Das russische Verteidigungsministerium meldete zuvor in einer Mitteilung vom 29. Oktober 2018: „Das russische Versöhnungszentrum erhielt von den Bewohnern der Provinz Aleppo Informationen, dass Militante illegaler bewaffneter Formationen sich auf neue Provokationen mit chemischen Kampfstoffen vorbereiten. Dadurch sollen die Regierungstruppen beschuldigt werden, dass sie chemische Waffen gegen Zivilisten einsetzen. Für die Umsetzung kamen einige Dutzend Mitglieder der Organisation White Helmets in den Siedlungen Azaz, Marea und Chobanbey in der Provinz Aleppo an. Zuvor wurden Container mit giftigen Substanzen, vermutlich mit Chlor, in geschlossenen Siedlungen aus der Stadt Dschisr al-Schughur in Lastwagen geliefert. Gegenwärtig führen die Mitglieder der White Helmets Dreharbeiten unter Beteiligung von Zivilisten durch, die den Anwohnern unbekannt sind.“
Von unabhängiger Seite kann die Urheberschaft des Chemiewaffen-Angriffs auf Aleppo nicht ermittelt werden.