Politik

USA gegen China: Deutschland droht zwischen die Fronten zu geraten

Namentlich nicht genannte Insider erwarten, dass die US-Regierung in Zukunft beträchtlichen Druck auf deutsche Unternehmen ausüben wird, um sie von Geschäften mit China abzuhalten.
03.02.2019 21:20
Lesezeit: 3 min

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Die Nachrichtenagentur Reuters beschreibt ein Szenario, bei dem sich deutsche Unternehmen künftig zwischen den USA und China als Handelspartner entscheiden müssten:

Als das US-Justizministerium Anklage gegen den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei erhob, sandte das nicht nur Schockwellen nach Peking. Auch in der deutschen Regierung und Wirtschaft wächst nach Informationen von Reuters die Sorge, im Streit der Weltmächte unter die Räder zu kommen. Grund ist nicht nur, dass die international aktiven deutschen Firmen automatisch unter einer Verschärfung des US-China-Handelsstreits leiden würden. Die US-Regierung hat vielmehr im Streit um Iran und die Nord-Stream-2-Gaspipeline gezeigt, dass sie wirtschaftlichen Druck einsetzt, um Alliierte auf ihre Seite zu zwingen. Dagegen will sich die Bundesregierung wehren.

Doch Mikko Huotari, stellvertretender Direktor der China-Denkschmiede Merics, rät nach Gesprächen in Washington, sich auf eine Eskalation einzustellen. "Der amerikanische Druck wird steigen. Die US-Regierung will bewusst mehr Risiko in das China-Geschäft der Unternehmen bringen. Ziel ist die Verlagerung von Produktion in die USA", sagte er zu Reuters. Das zielt zwar vornehmlich auf US-Firmen wie Apple. "Aber die Sorge wächst, dass die USA europäische Firmen dazu drängen, ihr China-Geschäft runterzufahren", sagt ein Industrievertreter, der nicht genannt werden will, zu Reuters.

Viele westliche Industrieländer sind zudem bereits aufgefordert worden, Huawei beim Aufbau des modernen 5G-Mobilfunkstandards auszuschließen. "Das ist monatelang von der US-Intelligence-Seite vorbereitet worden – und es geht vielleicht bald über 5G hinaus", meint der Merics-Experte. "Was ist, wenn künftig auch deutsche Unternehmen unter Druck geraten, die mit Huawei zusammenarbeiten oder Produkte nutzen?"

Im Falle des Iran haben sich einige deutsche Unternehmen wegen des Drucks aus Washington und der Größe des US-Marktes für einen Rückzug entschieden. Aber bei China, dem größten Handelspartner Deutschlands, ist dies anders. "Die Zukunft von Volkswagen entscheidet sich auf dem chinesischen Markt", betonte VW-Chef Herbert Diess vor kurzem, weil Chinas Automarkt bereits heute der größte der Welt ist. Ein Rückzug der Autokonzerne aus China gilt deshalb auch im Extremfall als ausgeschlossen. "Auch Siemens würde sich vielleicht eher für den Osten entscheiden", vermutet etwa Merics-Experte Huotari. Denn die Wachstumsraten und Potenziale im Markt mit 1,4 Milliarden Menschen sind für viele Firmen einfach größer, auch wenn die deutschen Exporte in die USA 2018 die nach China noch überstiegen.

Allerdings geben sich nicht alle Firmen besorgt. "Unsere Geschäfte in China und die neuen in den USA laufen momentan sehr gut", sagte etwa Stefan Messer, Eigentümer des Gasproduzenten Messer Group, zu Reuters. "Ich mache mir keine Sorgen, dass wir uns zukünftig für eine dieser Regionen als Markt entscheiden müssen", sagte er zu Reuters.

Dennoch will die Politik vorbereitet sein. Zum einen befindet sich die Gründung einer Zahlungsgesellschaft für Geschäfte mit dem Iran nach Angaben von Bundesaußenminister Heiko Maas in der heißen Phase. Experten zweifeln zwar, dass dies Firmen wirklich vom Rückzug aus dem Iran abhält. "Aber sollten die USA europäische Firmen nun auch im Streit mit China unter Druck setzen, würden Alternativen zum internationalen Dollar-Geschäft massiv an Fahrt gewinnen", sagte ein Industrievertreter zu Reuters. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist entschlossen, sich keinem US-Druck zu beugen, und spricht von der nötigen "strategischen Autonomie" Europas.

Außerdem basteln Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Maas an einer "Allianz der Multilateralisten" - also all jener, die weder dem nationalistischen Kurs der USA noch dem Chinas unterordnen wollen. So reist die Kanzlerin am Sonntag nach Japan, telefonierte vor kurzem mit Kanadas Regierungschef Justin Trudeau. Die EU als größter Wirtschaftsraum der Welt und Japan als drittgrößte Volkswirtschaft haben gerade ein ehrgeiziges Freihandelsabkommen abgeschlossen. Mit Hochdruck treibt die EU weitere Freihandelsabkommen voran.

Zudem will die Bundesregierung ihre Kontakte zu Peking selbst ausbauen. Zwar kritisiert Merkel Überwachungspraktiken der kommunistischen Führung oder das Vorgehen im südchinesischen Meer. "China wird in Berlin nicht mehr naiv nur als Markt gesehen, sondern auch unter dem Aspekt Sicherheit", sagt Volker Perthes, Direktor des Forschungsinstituts Stiftung Wissenschaft und Politik, zu Reuters. Das heißt aber nicht, dass sich Berlin in das Eskalationsdenken der US-Politik einreihen will.

Der Grund: China ist etwa beim iranischen Atomabkommen oder den internationalen Klimaschutzanstrengungen kooperativer als die USA. Und Chinas Markt ist eben zentral für die deutsche Volkswirtschaft. Finanzminister Olaf Scholz unterschrieb in Peking deshalb gerade drei Abkommen für einen Ausbau der Kooperation im Banken- und Versicherungssektor. Und in diesem Jahr werden noch Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Kanzlerin Merkel nach China reisen. Trotz oder gerade wegen des drohenden Drucks der USA, heißt es in Regierungskreisen.

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