Politik

Neues EU-Urheberrecht: Verlage jubeln, Kritiker fürchten Zensur

Wird das Internet für Nutzer in Europa bald ganz anders aussehen? Kritiker des neuen europäischen Urheberrechts befürchten schlimme Folgen. Alles Unsinn, sagen die Befürworter.
14.02.2019 17:24
Lesezeit: 2 min

Bessere Verdienstchancen für Verleger, Autoren und Musiker - neue Vorgaben für Internetplattformen wie Youtube und Co: EU-Unterhändler haben sich nach langem Streit auf neue Regeln für den Schutz von Urheberrechten geeinigt, berichtet die dpa. Während sich Verleger hochzufrieden zeigten, kam am Donnerstag von Verbraucherschützern und Internet-Aktivisten drastische Kritik. Zensur im Internet sei damit Tür und Tor geöffnet, beklagten sie.

Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments hatten am Mittwoch einen Kompromiss bei der Reform ausgehandelt, die bereits seit 2016 diskutiert wird. Enthalten sind zwei zentrale Neuerungen: Suchmaschinen sollen für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten etwa auf den Google-News-Seiten künftig Geld an die Verlage zahlen. Und Plattformen wie YouTube müssen alles ihnen Mögliche tun, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.

EU-Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip lobte die Pläne, die aber erst noch formal vom Rat der EU-Länder und vom Europaparlament gebilligt werden müssen. Die Reform mache das Urheberrecht nicht nur fit für das Internetzeitalter, es stärke auch die Rechte normaler Nutzer. «Sie können ohne Furcht vor Strafe hochladen», sagte Ansip. Denn nicht die Nutzer, sondern die Plattformen müssten auf die Einhaltung von Urheberrechten achten.

Verleger, Autoren und Musiker bekämen mehr Verhandlungsmacht gegenüber Plattformen und Suchmaschinen, um für ihre Werke besser entlohnt zu werden, betonte Ansip. «Es geht um faire Bezahlung.» Qualitätsmedien würden damit gestärkt.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sehen dies ähnlich. Die Novelle sei eine große Chance für unabhängigen Journalismus in der digitalen Ära, erklärten sie in Berlin. Verlage bekämen erstmals die Chance, mit den großen Plattformen über die Nutzung ihrer Inhalte zu einem fairen Preis zu verhandeln. Die Vielfalt professioneller digitaler Medienangebote werde erhöht. «Dies ist ein guter Tag für die Meinungs- und Pressevielfalt in Europa und der Welt», erklärten die Verbände.

Kritiker sehen dies vollkommen anders. Sie stoßen sich vor allem an der Vorgabe an große Internetplattformen, mögliche Verstöße gegen Urheberrechte zu verhindern. Geschützte Werke wie Filme oder Musik müssten demnach lizenziert werden bevor sie auf den Plattformen landen - oder dürften nicht hochgeladen werden.

Die Folge seien «flächendeckende Upload-Filter», kritisierte der Verbraucherzentrale Bundesverband und beklagte die Missachtung von Nutzerrechten. Upload-Filter sind Software, mit der Plattformen beim Hochladen überprüfen können, ob Bilder, Videos oder Musik urheberrechtlich geschützt sind. Kritiker befürchten, dass auch legale Inhalte, Parodien oder Zitate aussortiert werden könnten.

Die Linken-Europaabgeordnete Martina Michels sprach von «Zensurmaschinen». Auch der FDP-Experte Jimmy Schulz beklagte: «Unternehmen werden faktisch dazu gezwungen, eine Zensurinfrastruktur aufzubauen.» Das wäre ein Schlag gegen freie Meinungsäußerung. Die Piraten-Europapolitikerin Julia Reda warnte: «Dieser Deal ist eine Gefahr für kleine Verlage, Autoren und Internetnutzer gleichermaßen.»

Der Internetgigant Google hielt sich in seiner Stellungnahme zu der Einigung sehr zurück und erklärte lediglich: «Die Urheberrechtsreform muss allen zugute kommen - einschließlich der europäischen Kreativen und Verbraucher, kleiner Verleger und Plattformen.» Man werde den Text der Einigung nun analysieren und über die nächsten Schritte entscheiden.

Kritiker warnen auch, dass die großen Suchmaschinen - statt Verleger für Artikelausschnitte zu entlohnen - Inhalte aus ihren Ergebnislisten tilgen könnten. Nutzer würden in dem Fall weniger oder andere Ergebnisse gezeigt bekommen als heute.

Der zuständige Berichterstatter im Europaparlament, Axel Voss (CDU), zeigte für Kritik wenig Verständnis. «Digitaler Urheberrechtsschutz beendet endlich das Wildwest im Internet, bei dem die Rechteinhaber bisher oft untergebuttert werden», sagte Voss. «Den neuen Realitäten und Geschäftsmodellen des digitalen Zeitalters können wir jetzt gerecht werden.»

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Männersache Politik? Weniger Frauen im Bundestag statt mehr - woran liegt das?
16.03.2025

Mehr Männer, weniger Vielfalt? Im neuen Bundestag finden sich weniger Frauen als zuvor. Fachleute sagen: Nicht nur für die Themensetzung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Markt gesättigt: Hohe Rabatte für Räder könnten noch in diesem Jahr auslaufen
16.03.2025

20, 30 oder 40 Prozent Preisnachlass: Der Fahrradhandel versucht mit kräftigen Rabatten, seine Lager zu räumen. Doch der Trend könnte...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilien als Altersvorsorge? Pro und Contra
16.03.2025

Immobilien werden grundsätzlich als gute Investition eingeschätzt. Doch lohnt es sich, für das Alter mit Immobilien vorzusorgen – und...

DWN
Politik
Politik Plötzlich Partner? Wie der Kreml auf Trumps Weißes Haus und das neue Amerika blickt
16.03.2025

Russlands Ton gegenüber den USA hat sich komplett gedreht. Kreml und Staatsmedien freuen sich, dass US-Präsident Trump Moskaus Propaganda...

DWN
Panorama
Panorama Grundstücksstreit: Familie droht Haus-Abriss nach 15 Jahren
16.03.2025

Eine Familie aus Brandenburg könnte ihr Zuhause verlieren – wegen eines Behördenfehlers. Nach einem fragwürdigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Scheideweg: Wege aus der Krise – Wie kann Deutschland seine Wirtschaft revitalisieren? Teil 2
16.03.2025

Deutschlands Position als treibende Kraft der europäischen Wirtschaft gerät zunehmend ins Wanken. Seit 2019 stagniert das Wachstum,...

DWN
Politik
Politik Beförderungswelle nach Ampel-Bruch: fragwürdige Last-Minute-Beförderungen - vor allem in SPD geführten Ministerien
15.03.2025

Beförderungswelle nach Ampel-Bruch: Die Parteien der Ampel-Regierung konnten in einem Punkt produktiv und schnell sein – teure...

DWN
Politik
Politik AfD Appell an Linke: Sofort gemeinsam unverzüglich den neuen Bundestag einberufen - und die Koalition in Bayern wackelt
15.03.2025

Nach dem abgelehnten AfD-Antrag gegen die geplanten Grundgesetzänderungen fordert die AfD erneut eine sofortige Einberufung des neuen 21....