In Venezuela besteht die Gefahr, dass sich ein neuer Stellvertreterkrieg zwischen den Großmächten nach dem Vorbild Syriens entwickeln könnte. Bloomberg stellt jedenfalls einen bemerkenswerten Vergleich zwischen dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro und Syriens Präsident Baschar al-Assad an.
Als im Jahr 2011 Hunderttausende von Syrern auf die Straße gingen und al-Assads Abgang forderten, forderten die internationalen Regierungen den syrischen Präsidenten auf, unverzüglich zurückzutreten. Die Nachbarstaaten nahmen syrische Flüchtlinge auf und es kam zu einer Flüchtlingskrise. Anschließend wurde ein Öl-Embargo gegen Syrien verhängt. Die westlichen Regierungen legten sich sehr schnell fest und erwarteten einen baldigen Umsturz in Syrien, der zu einer pluralistischen Demokratie führen sollte. Obwohl die USA die syrische Opposition, die aus verschiedenen moderaten und radikalen Gruppen bestand, als legitime Vertreter der Nation anerkannten, sitzt al-Assad seit mittlerweile acht Jahren immer noch im Präsidentenpalast in Damaskus und ist Bloomberg zufolge “stärker denn je”.
Es gebe direkte Parallelen zu Venezuela. Der venezolanische Oppositonsführer Juan Guaidó hat den aktuellen Präsidenten im vergangenen Monat offensiv herausgefordert. Bloomberg wörtlich: “Die westliche Welt hat sich hinter Guaidó als legitimen Regierungschef des Landes gestellt. Und während die Chancen hoch bleiben, dass Maduro gestürzt wird - vielleicht sogar sehr schnell - sind die Parallelen zu al-Assad und Syrien ein Warnhinweis.”
Der Druck auf Maduro geht über diplomatische Bemühungen hinaus. Die USA haben den Kauf von Öl aus Venezuela, der größten Einnahmequelle der Regierung, eingestellt. Etwa drei Millionen Venezolaner sind geflohen und haben eine Flüchtlingskrise in Kolumbien und Brasilien ausgelöst. Das Land wird erschüttert von Massendemonstrationen gegen die Regierung in Caracas, wobei die Befürworter Maduros ebenfalls in hoher Anzahl vertreten sind.
“Wie bei al-Assad vor acht Jahren ist es schwierig, einen Analysten oder einen westlichen Beamten zu finden, der Maduros langfristiges Überleben vorhersagt. Die Parallelen sind bemerkenswert, einschließlich der Art und Weise, wie die syrische Revolte von 2011 und die Anti-Maduro-Maßnahmen der vergangenen Wochen in bedeutende historische Trends passen”, so Bloomberg.
Russland und China sind jedenfalls entschlossen, Maduro zu stützen, um ihre Investitionen in Venezuela zu schützen. Guaidó lässt keinen Zweifel daran, dass unter seiner möglichen Regierung die Einflüsse Russlands und Chinas in seiner Heimat zurückgedrängt werden sollen, um die USA als Verbündeten an Venezuelas Seite zu ziehen. Er plant auch, staatliche Unternehmen zu privatisieren, was zu einem milliardenschweren Kapitalzufluss aus dem Ausland führen könnte.
Russland entsendet Militärs nach Venezuela
Es besteht die Gefahr, dass die Situation in Venezuela bald militärisch eskaliert. Doch nach jedem Konflikt haben sich die USA und Russland immer auf einen Kompromiss geeinigt, von dem beide Seiten - außer das betroffene Konfliktland - handels- und energiepolitisch profitiert haben. In Syrien erfolgt jedenfalls eine Aufteilung der Ressourcen und Infrastruktur durch Washington und Moskau, ohne China und Europa wirklich mit einzubeziehen.
Am vergangenen Wochenende waren zwei russische Militärflugzeuge in Venezuela gelandet. Nach Angaben des venezolanischen Blatts Venezuela al Día handelt es sich um eine Transportmaschine Antonow 124 und eine Iljuschin 62, die 99 Militärs und eine Fracht von 35 Tonnen an Bord führten.
Zuvor hatte das russische Außenministerium den USA vorgeworfen, Spezialeinheiten und Ausrüstung in der Nähe Venezuelas stationiert zu haben. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zacharowa, teilte über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: “Es gibt Hinweise darauf, dass US-amerikanische Unternehmen und ihre Nato-Verbündeten die Möglichkeit des Kaufs einer großen Menge Waffen und Munition in einem osteuropäischen Land diskutieren, um die venezolanischen Oppositionskräfte zu bewaffnen.”
In einem weiteren Tweet behauptet die Sprecherin: “Leider wird die südamerikanische Agenda von Washington erneut weitgehend von der ultrakonservativen Lobby in Miami erarbeitet.”
Ein gemeinsames Militärmanöver der russischen und venezolanischen Streitkräfte in dem südamerikanischen Land war in Dezember 2018 auf Kritik gestoßen. Vor allem die zeitweise Verlegung von zwei atomwaffenfähigen Langstreckenbombern des Typs Tu-160 dorthin löste Besorgnis aus.
Venezuela al Día führt aus: “Es sei darauf hingewiesen, dass Russland in den vergangenen Jahren Waffen für einen geschätzten Wert von mehr als zehn Milliarden Dollar nach Venezuela geliefert hat, darunter Kampfflugzeuge, Hubschrauber, Flugabwehrsysteme und Panzer.”
Pompeo kontaktiert Lawrow
Am vergangenen Montag kontaktierte US-Außenminister Mike Pompeo seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow telefonisch, um ihm mitzuteilen, dass die USA angesichts der russischen Truppenentsendung nach Venezuela nicht untätig bleiben werden. Russland habe die Spannungen in Venezuela verschärft und die Bemühungen um die Wiederherstellung der Demokratie in Südamerika untergraben, soll Pompeo nach Angaben des Sprechers des US-Außenministeriums, Robert Palladino, gesagt haben. “Die fortgesetzte Einsetzung von russischem Militärpersonal zur Unterstützung des illegitimen Regimes von Nicolás Maduro in Venezuela birgt das Risiko, dass das venezolanische Volk, das den Interimspräsidenten Juan Guaidó mit überwältigender Mehrheit unterstützt, weiter leiden wird”, zitiert das US-Magazin und Recherchebüro McClatchy mit Sitz in Washington D.C. Palladino.
“Maduros Befürworter in Moskau und Havanna forcieren eindeutig eine weitere Eskalation mit dem Endziel, die Opposition ein für alle Mal zu zerschlagen (...) Sie wollen auch die friedlichen Optionen erschöpfen, die den von den USA angeführten internationalen Bemühungen zur Förderung des Wandels in Venezuela zur Verfügung stehen, und sie dann dazu bringen, die schlimmste Option in Betracht zu ziehen: eine militärische Intervention”, so José Cárdenas, der unter dem ehemaligen Präsidenten George W. Bush im Nationalen Sicherheitsrat diente.
Russland hat Venezuela mehrfach dabei geholfen, Schuldenzahlungen in Milliardenhöhe zu tätigen. Der russische staatliche Ölkonzern Rosneft hält nach einem Darlehen von 1,5 Milliarden US-Dollar an den staatlichen venezolanischen Ölkonzern PDVSA auch einen Anteil von 49,9 Prozent an der in Venezuela befindlichen US-amerikanischen Raffinerie Citgo.
Vor wenigen Wochen gab der Vizepräsident von Venezuela, Delcy Rodríguez, bekannt, dass PDVSA seinen europäischen Hauptsitz von Lissabon nach Moskau verlegen werde.
Anfang März 2019 beschuldigte Pompeo die russische Regierung zusammen mit Kuba, Maduro gestützt zu haben, um die Bemühungen des venezolanischen Volkes, die Demokratie wiederherzustellen, zu vereiteln.
Stromausfälle in Venezuela
Venezuela leidet erneut unter einem massiven Stromausfall. In der Hauptstadt Caracas und mindestens 14 der 23 Bundesstaaten waren die Menschen ab Montag zeitweise ohne Strom. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Netblocks brachen 88 Prozent der Energieversorgung zusammen. Am Dienstag blieben Schulen und Universitäten geschlossen. Die Metro in Caracas stellte den Betrieb ein. Arbeiter und Angestellte blieben zu Hause, so die dpa.
Im seit Wochen andauernden Machtkampf zwischen der Regierung und der Opposition schieben sich beide Seiten gegenseitig die Schuld an dem Stromausfall zu. Die Regierung sprach von Sabotage. “Wir sind wieder Opfer eines Angriffs auf das Transmissionszentrum unseres staatlichen Stromnetzes geworden”, sagte Kommunikationsminister Jorge Rodríguez im Fernsehen.
Zunächst sei ein Hackerangriff auf die Energieversorgung verübt worden. Nachdem die Stromversorgung zunächst wieder hergestellt wurde, hätten Unbekannte in einem Umspannwerk Feuer gelegt, was erneut zu einem Stromausfall geführt habe. “Die Regierung hat sofort nach den Attacken alle ihre Anstrengungen darauf verwandt, die Stromversorgung so schnell wie im möglich im ganzen Land wieder herzustellen”, sagte Rodríguez.
Zuletzt war in Venezuela tagelang der Strom ausgefallen. Ab dem 7. März waren Teile des Landes über 100 Stunden ohne Strom. Staatschef Maduro machte einen von den USA und der Opposition geplanten Cyberangriff für den Zusammenbruch der Energieversorgung verantwortlich. “Wir werden diesen Stromkrieg gewinnen, mit der enormen Kraft, die wir als Volk in unserem Kampf gegen unverschämte Imperien und deren örtliche Lakaien gesammelt haben”, sagte Informationsminister Rodríguez.