Finanzen

Preisgestaltung: Das sind die Goldenen Regeln für Unternehmer

Der Top-Berater Harald L. Schedl schildert in einem Interview mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, welche Goldenen Regeln Unternehmer bei der Preisgestaltung ihrer Produkte beachten müssen.
01.05.2019 07:28
Lesezeit: 3 min
Preisgestaltung: Das sind die Goldenen Regeln für Unternehmer
Harald L. Schedl. (Foto: HLS)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche sind die größten Fehler, die ein Unternehmer bei der Preisgestaltung (Pricing) machen kann?

Harald L. Schedl: Die grössten Fehler aus meiner Erfahrung ist das fehlende Verständnis für den „Mehrwert“ den das eigene Produkt bzw. die eigene Leistungen beim Kunden stiftet. Häufig wird leider in der Preisgestaltung zu sehr auf den eigenen Aufwand bzw. die eigenen Kosten geschaut und zu wenig auf die eigentliche sog. Preisbereitschaft des Kunden - also das was der Kunden wirklich bereit wäre zu zahlen. Damit bleibt Mehrgewinn auf dem Tisch des Kunden direkt liegen. Um diesen Fehler zu vermeiden, sollten Unternehmer ihre Preise nach definierten Kriterien (z.B. saisonal) ausdifferenzieren.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Branchen sind besonders belastet, wenn es um Fehler beim Pricing geht?

Harald L. Schedl: Aus meiner Erfahrung sind dies v.a. Kunden mit einen hohem direkten Kostenanteil am Produktpreis, d.h. hohen Herstellkosten wie z.B. in der Industrie. Hier wird regelmässig von den Kosten auf die eben erwähnte Preisbereitschaft geschlossen.

In jüngster Zeit ist die Belastung in der Handelsbranche durch das Instrument Pricing enorm gewachsen. Die Digitalisierung und die extrem hohe Professionalität wie z.B. Amazon sog. dynamische Preise (also sich stark verändernde Preise) einsetzt, führt dazu, dass die klassische analoge Preisauszeichnung mit dem Informationsstand der Kunden nicht mehr mithalten kann. Im Ergebnis führt das dazu, dass immer noch mehr Konsumenten in die Online-Kaufwelt getrieben werden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Vorschläge würden Sie machen, wenn ein Unternehmer sich bei Ihnen melden würde, um sich im Zusammenhang mit dem Thema Pricing beraten zu lassen?

Harald L. Schedl: Für mich ist die erste Frage immer, ob der Unternehmer weiss, warum Kunden bei ihm kaufen und nicht beim Wettbewerb. Natürlich gibt es dafür in der Regel mehrere Gründe, aber der Unternehmer sollte sich über seine Wettbewerbsvorteile schon bewusst sein, wenn er seine Preisposition und damit sein Pricing verbessern will. Die zweite Frage ist dann, ob heute schon Transparenz über das Pricing besteht, d.h. gibt es Analysen die Verkäufe der Vergangenheit in einem Zusammenhang analysieren. Spätestens bei dieser Frage ist die Antwort der meisten Unternehmen negativ. Dennoch: Nur diese Transparenz hilft die schlimmsten Pricing-Fehler sofort anzugehen und zukünftig zu vermeiden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was halten Sie von “flexibler Preisgestaltung” und in welchen Branchen ist dies angebracht?

Harald Schedl: Flexible oder dynamische Preisgestaltung ist der Kern professionellen Pricing. Allerdings birgt diese Instrument falsch eingesetzt eine Reihe von Gefahren auf der Kundenseite. So verstehen z.B. die Kunden oft das Preismodell (Sie erinnern sich sicher an die gescheiterte Bahnpreisreform) nicht mehr und lehnen das Preismodell grundsätzlich ab. Ein weiteres Problem ist, dass Kunden sich „über den Tisch gezogen fühlen“, wenn der Unternehmer die Dynamisierung seiner Preise übertreibt. Man kauft dann oft lieber gar nicht woanders, weil man nicht mehr sicher ist, ob man wirklich den besten Preis bekommt.

Die Dynamisierung von Preisen ist vor allem dann sinnvoll, wenn das Produkt oder die Leistungen zeitlich unterschiedlich hohe Nachfragen hat. Sie kennen das z.B. von niedrigeren Stromtarifen (Nachstrom) in Zeiten geringeren Strombedarfs und höheren Preisen tagsüber in den Spitzenzeiten. Ähnlich Verfahren sollten viele Branchen die ein sog. vergängliches Produkt haben, das heisst, das Produkt ist nur bis zu oder an einem bestimmten Zeitpunkt verkäuflich (z.B. ein Flugticket an einem bestimmten Tag!).

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: In welchen Branchen ist eine “flexible Preisgestaltung” total Fehl am Platz?

Harald L. Schedl: Fehl am Platz ist solch eine Preisgestaltung aus meiner Sicht v.a. dann, wenn hier Notsituationen (von Menschen) ausgenutzt werden. Geradezu berühmt ist hier das Beispiel des Medikaments „Daraprim“, ein Mittel bei geschwächtem Immunsystem aber auch gegen Aids und Maleria. Der Hersteller des Medikaments hat die Rechte an einen Manager verkauft, der daraufhin den Preis von 13,50 auf 750 Dollar, also um das 55-Fache, erhöht hat. Hier wurde die starke Nachfrage der Patienten und deren mangelnden Alternativen vollständig ausgenutzt. Das Beispiel zeigt, dass flexible Preise eine moralische Grenze haben. Denken Sie nur an den Abtransport mit einem Hubschrauber nach einem Skiunfall ins Krankenhaus. Wenn es keine Beschränkung gäbe würde ein Verletzter jeden Preis für den Transport zahlen!

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wem sollte die Aufgabe des Pricing in einem Unternehmen obliegen? Welche Personen und Abteilungen sollten dabei mitwirken?

Harald L. Schedl: Ich rate den Unternehmen entweder bei entsprechender Grösse zur Einrichtung eines sog. Pricing-Managers oder zumindest die Verankerung dieser Verantwortung in einem Produktmanagement. Sollte auch dies nicht vorhanden sein, dann rate ich das Controlling bzw. die Finanzabteilung damit zu betreuen, da Pricing viel mit Datenanalysen und -verarbeitung zu tun hat. Auf keinen Fall rate ich die Preisverantwortung für die grundsätzliche Preisstellung dem Vertrieb zu übergeben. Diesen reicht ein „Preisfenster“ innerhalb dessen sie sich bewegen und verhandeln können.

Es wäre ratsam, wenn der Pricing-Manager direkt in die Geschäftsführung berichtet. Häufig sind auch Entscheidungen gegen Widerstände des Vertriebs, Landes- und Produktverantwortlichen zu treffen, die einen Rückhalt aus der Geschäftsführung bei der Umsetzung bedürfen. Dies gesagt, sollten diese Funktionen aber sehr wohl ihre Meinung zu geplanten Pricing-Massnahmen einbringen, da sie über die entsprechen Produkt- bzw. Marktkenntnisse verfügen, und letztlich die Massnahmen beim Kunden auch umsetzen müssen.

Harald L. Schedl ist Eigentümer und Berater der HLS GmbH und Aufsichtsratsmitglied bei den Firmen Intersport Deutschland eG, Kratzer Automation AG Wikus GmbH und Co. KG und Beiratsmitglied bei der Clarus Films GmbH. Er hat mehr als 20 Jahre Erfahrung als Berater und Führungskraft in Industrie, Industrielle Dienstleistungen und Technischem Handel mit Fokus auf Wachstum, Vertrieb und Innovation. Auf Beratungsseite arbeitete er unter anderem bei Roland Berger Strategy Consultants und Deloitte Consultant, vor allem aber als Partner und Gesellschafter Managementberatung Simon-Kucher & Partners. Er ist Absolvent der Universität Stuttgart und University of Stirling.

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