Politik

Bahn vernachlässigt Verbindung zwischen Ostdeutschland und Ruhrgebiet

Zwischen der Industrie-Region Westsachsen/Ostthüringen und Westdeutschland fehlt eine durchgehende Zugverbindung. Die Bahn gerät wegen ihrer Strecken-Politik zunehmend in die Kritik.
07.07.2019 17:25
Lesezeit: 1 min

Über zwei Millionen Menschen leben in der Industrie-Region Westsachsen/Ostthüringen. Noch viel mehr, nämlich circa fünf Millionen Einwohner, hat das Ruhrgebiet; der Großraum rund um das Revier hat - je nachdem, welche Regionen man dazuzählt - bis zu zehn Millionen. Eine durchgehende Zugverbindung jedoch fehlt.

Beispielsweise benötigt ein Reisender für die Strecke Aachen-Chemnitz knapp über sieben Stunden, inklusive eines 40minütigen Aufenthalts in Frankfurt sowie dreimaligem Umsteigen. Dabei legt der Zug etwa 660 Kilometer zurück; mit dem Auto sind es 80 Kilometer weniger.

Wer von Dresden nach Duisburg fährt, benötigt mit der Bahn 6,5 Stunden und legt dabei 710 Kilometer zurück. Mit dem PKW auf der Autobahn sind es 140 Kilometer weniger.

Im Januar dieses Jahres wurde eine fraktionsübergreifende Initiative von sächsischen und thüringischen Bundestagsabgeordneten von CDU, FDP, SPD, Grünen sowie Linkspartei bei der Bahn vorstellig. Das Ziel: Die Bahn zu überzeugen, zumindest einen kleinen Abschnitt der Direktverbindung von Ost nach West, nämlich die Strecke zwischen Chemnitz und Eisenach (mit dem Auto knapp 210 Kilometer auf der Autobahn 4; mit dem Zug zwei Stunden und 40 Minuten inklusive Umsteigens in Leipzig) rasch wieder mit einer Direktverbindung auszustatten. Das hat die Bahn auch zugesichert, wobei die Inbetriebnahme nicht vor 2028 erfolgen soll - Planung und Bau werden also rund ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen (wenn alles klappt).

Schon seit einiger Zeit werden immer wieder Vorwürfe laut, die Bahn investiere vor allem „in Prestigeprojekte und Weltkonzern-Ambitionen“ (Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer gegenüber der ´Welt´ im Zusammenhang mit regelmäßigen Verspätungen auf der ICE-Strecke Berlin-München) und vernachlässige ihr Kerngeschäft. Auch die ICE-Trasse Hannover-Bielefeld, auf der die Züge mit 300 Stundenkilometern unterwegs sein sollen, ist in vielerlei Hinsicht in die Kritik geraten. Und zwar unter anderem wegen der hohen Kosten von knapp zwei Milliarden Euro, aber auch, weil „der Fahrplan knapp auf Kante genäht“ und damit vorprogrammiert sei, dass Fahrgäste Anschlusszüge verpassen, so der emeritierte Informatikprofessor Wolfgang Hesse von der Uni Marburg, der über Anschluss-Optimierung in öffentlichen Verkehrsnetzen forscht.

Dass es keine Direktverbindung zwischen zwei so traditionsreichen Industrie-Standorten wie dem Ruhrgebiet und der Region Westsachsen/Ostthüringen gibt, kann durchaus als Symbol begriffen werden. Für den Niedergang ganzer Industrien, für das schrittweise Verschwinden des deutschen Industriearbeiters. An die Stelle von Kohle und Stahl treten Künstliche Intelligenz und Industrie 4.0, die Enkel der Bergarbeiter arbeiten heute in einem Berliner Start-up.

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