Politik
Militärische Konkurrenz

USA gegen China: Wird aus dem kalten Wirtschaftskrieg ein heißer Konflikt?

Der Konflikt zwischen China und den USA spitzt sich zunehmend zu. Doch es gibt noch mehr mögliche Konfrontationen im Asien-Pazifik-Raum. Könnte der kalte Krieg bald heiß werden?
03.08.2019 07:30
Lesezeit: 6 min
USA gegen China: Wird aus dem kalten Wirtschaftskrieg ein heißer Konflikt?
Illustration: Timo Würz Foto: Julia Jurrmann

Im andauernden Konflikt um die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Wirtschafts-Playern China und den USA stellt sich manch einer die Frage, wie weit die beiden Staaten gehen werden. Besteht überhaupt die Möglichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung?

Der US-Wissenschaftler Michael Beckley führt im MIT Press Journals in einer Analyse unter dem Titel „China’s century? Why America’s edge will endure” aus, dass China durch eine größere „Absorptionskapazität” neuer Technologien mehr Macht erlangen würde. Die USA hingegen würden durch größere „immaterielle Vermögenswerte“ mehr Machtqualität erreichen. Die daraus resultierenden Kostenkalkulationen für einen Krieg könnten sich abschreckend auf Konflikte auswirken. Dies war während des Koreakrieges von 1951 ausführlich demonstriert worden. Die materiellen, menschlichen und finanziellen Verluste, die ein Krieg zwischen China und den USA auslösen würden, würden den Handel in beiden Ländern massiv stören. Heute verfügen beide Länder über weitaus größere zerstörerische Fähigkeiten als während des Korea-Konflikts.

Auf der anderen Seite stufen die USA den Aufstieg Chinas als Bedrohung für ihre Position und die „hegemoniale Stabilität”, die der Hegemonietheorie folgt, ein. Dies könnte einen ernsthaften Konfliktimpuls darstellen, da einige Prognosen besagen, dass China in Bezug auf das gesamte BIP die USA spätestens bis zur Mitte des Jahrhunderts dominieren könnte. China ist dabei, seine Ausgaben für die Verteidigung zu erhöhen. Allerdings muss das keine zwangsläufigen konfliktträchtigen Folgen nach sich ziehen. Tatsächlich könnte daraus eine Balance entstehen. Randall Scweller beschreibt in Oxford Research Encyclopedias unter dem Titel „The balance of power in world politics”die strukturelle realistische Sichtweise dieses Ansatzes, in der „das Systemgleichgewicht ein spontan erzeugtes, sich selbst regulierendes und völlig unbeabsichtigtes Ergebnis von Staaten ist, die ihre engen Eigeninteressen verfolgen.”

Die doppelten Faktoren hegemonialer wirtschaftlicher Fähigkeiten und überlegener Militärausgaben der USA in Form von 677,1 Milliarden Dollar im Jahr 2018 in Verbindung mit dem Besitz einer größeren Anzahl von thermonuklearen Waffen könnten die Unwahrscheinlichkeit eines Krieges sicherstellen. Die USA besitzen mehr Nuklearraketen bei ihren Landstreitkräften als China in seinem gesamten Nukleararsenal – mit 400 silobasierten Interkontinentalraketen (ICBMs) und Hunderten von Nuklearwaffen, die von See- und Luftstreitkräften gehalten werden.

Aus chinesischer Sicht argumentiert Joshua Shifrinson in einem Beitrag des Journal of Strategic Studies („The rise of China, balance of power theory and US national security: Reasons for optimism?”), dass China Schwierigkeiten haben wird, mit den USA militärisch Schritt zu halten. Er meint, dass China es unter Anwendung der Machtgleichgewichtstheorie vorziehen könnte, die Zusammenarbeit mit den USA fortzusetzen oder sogar zu verstärken. Obwohl China bisher kein nuklearfähiges Bomberflugzeug besitzt, sollen bis 2037 bis zu 50 hergestellt werden. Auch für den Fall, dass China oder den USA neue militärische Technologien zur Verfügung stehen, wie beispielsweise „Hyperschallwaffen”, argumentiert Matthew Kroenig im Bulletin of the Atomic Scientists, dass keine Seite die Chance nutzen würde, einen nuklearen Angriff zu starten.

Es gibt verschiedene Erklärungen für die Unwahrscheinlichkeit eines Konflikts zwischen den USA und China. Eine solche Erklärung beruht auf liberalen internationalistischen Theorien des Welthandels, die den Frieden zwischen Nationen als Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritt und finanzielle Stabilität betonen. Dies führte zwischen den USA und China zu einer von Joseph Nye als „kooperative Rivalität” bezeichneten Konfliktsituation. Nye führt dies in einem Beitrag für Project Syndicate aus. Die konsequente Ausweitung des Handels zwischen China und den USA stellt eine weitere Hürde für einen eventuellen Krieg zwischen ihnen dar. Dies erhöht die Kriegskosten, da der verstärkte gegenseitige Handel dazu beigetragen hat, dass beide Länder hinsichtlich des nationalen Wirtschaftswachstums profitieren – zumindest bisher.

Verschiedene theoretische Konstrukte belegen, wie wichtig die Zunahme des Handelsvolumens für die Reduzierung internationaler Konflikte ist. Patrick J. McDonald von der University of Texas Austin spricht sich in einem Beitrag für die Fähigkeit des bilateralen Handels aus, bessere Kommunikations- und Finanzbeziehungen sowie gegenseitige Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Nationen und Gesellschaften zu fördern.

In der Vergangenheit war der Handel auch einer der Gründe, warum China seine Beziehungen zu den USA aufnahm. Während der Zeit von Deng Xiaopeng veranlasste das langsame Wirtschaftswachstum in China die Regierung, eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA anzustreben. „Der bilaterale Handel zwischen China und den USA hatte sich von 0,99 Milliarden US-Dollar im Jahr 1978, als China mit Reformen und einer Öffnung begann, um das 305-fache auf 302,08 Milliarden US-Dollar im Jahr 2007 erhöht. Der Gesamtbetrag der US-Direktinvestitionen in China war von 210 Millionen US-Dollar in den Jahren 1978 bis 1982 auf 58,44 Milliarden US-Dollar bis Ende Juli 2008 gestiegen”, so Zhen Bingxi vom China Institute of International Studies.

Militärische Konkurrenz zu den USA

Trotz der Argumentation, dass der Handel zwischen den USA und China eine Garantenfunktion für den Frieden zukommt, dürfen die Gefahren und Risiken für einen eventuellen Krieg nicht übersehen werden.

Der Direktor des International Institute for Strategic Studies (IISS), John Chipman, präsentierte im Februar 2018 die Ausführungen der jährlichen globalen Militär-Studie „The Military Balance”. Ein Fokus wurde bei der Studie auf China gelegt. Chinas militärische Transformation erfolge schnell, sagte Chipman bei einem Vortrag. Seine Landstreitkräfte und Marine werden modernisiert und Fortschritt im Bereich der chinesischen Luftwaffe sei bemerkenswert. Ab dem Jahr 2020 wolle China seinen Kampfjet Chengdu J-20 zum Einsatz bringen. Wenn dies gelingen sollte, würden die USA ihre Monopolstellung auf dem Markt für Tarnkappen-Flugzeuge verlieren. China entwickle die Luft-Luft-Rakete PL-15. Die Rakete könnte bereits im aktuellen Jahr in Betrieb genommen werden. In der PL-15 sei eine elektronischen Strahlsteuerung (AESA = Active Electronically Scanning Array) integriert. Damit gehöre China zu jenen wenigen Länder, die über die Fähigkeit der Integration von AESA in Raketensystemen verfügen. Diese Entwicklung gehe zurück auf den Anspruch der chinesischen Luftwaffe, wonach China die Fähigkeit haben soll, jeden Gegner im Luftkrieg herausfordern zu können, meint der IISS-Direktor. In den vergangenen drei Jahrzehnten sei die Lufthoheit ein großer Vorteil für die USA und seine Verbündeten gewesen. Doch dies könne nicht mehr vorausgesetzt werden. China habe ähnliche Ambitionen zur See. Seit dem Jahr 2000 hat China mehr U-Boote, Zerstörer, Fregatten und Korvetten als Japan, Südkorea und Indien zusammen gebaut. Die Gesamtmenge an neuen Kriegsschiffen und Hilfskreuzern, die von China in den vergangenen vier Jahren eingeführt wurden, übersteigt die Gesamtzahl der französischen Marine.

China habe durch die Einführung des Zerstörers der Klasse 055 eine weitere Lücke bei der Ausstattung seiner Marine geschlossen. Das Land expandiere militärisch im Ausland, was die Aufrüstung seines Marinestützpunkts in Djibouti, im Südchinesischen Meer, aber auch Europa umfasse, so Chipman. Weiterhin habe China Fortschritte im technologischen Sektor errungen, indem das Land sein Computer- und Quantenkommunikation ausgebaut habe. Das Land sei mittlerweile zum Innovationsland im Rüstungssektor aufgestiegen und müsse dem Westen gegenüber keine Aufholarbeit mehr leisten. Seit dem Jahr 2016 hätten sich die Verteidigungsausgaben in China erhöht. Dies ging einher mit einem Wirtschaftswachstum von sechs bis sieben Prozent.

Tatsächlich stuft die Regierung in Peking die USA als direkten militärischen Konkurrenten ein. „Im asiatisch-pazifischen Raum muss die dominierende Rolle der USA im politischen und militärischen Sinne neu justiert werden (...). Das bedeutet nicht, dass amerikanische Interessen geopfert werden müssen. Aber wenn die USA für immer auf einer dominierenden Rolle bestehen, ist das ein Problem”, sagte Cui Liru, ehemaliger Präsident des China Institute of Contemporary International Relations (CICIR), den New York Times. CICIR ist eine Denkfabrik, die im chinesischen „Ministerium für Staatssicherheit” angesiedelt ist.

Auf Nachfrage des US-Blatts, ob ein Krieg in der Region wahrscheinlich sei, sagte Cui: „Ich schließe diese Möglichkeit nicht aus. In dieser Übergangsphase kommt es darauf an, wie die beiden Seiten damit umgehen”. Er fügte hinzu, dass es „nicht normal sei, dass China für immer unter US-Dominanz” stünde. Diese Dominanz sei nicht für immer und ewig zu rechtfertigen.

Voice of America (VoA) argumentiert, dass Chinas militärische Transformation und die Erhöhung seines Verteidigungsbudgets nicht nur die USA, sondern vor allem Chinas Nachbarn beunruhigen würden. „Chinas militärische Expansion könnte indirekt auch die Zusammenarbeit zwischen strategischen Rivalen wie den USA beschleunigen und dem Vierseitigen Sicherheitsdialog (Quad) oder dem Indo-Pazifik-Konzept mehr Dynamik verleihen”, sagte Alexander Huang von der taiwanesischen Tamkang-Universität VoA. Am Quad nehmen die USA, Australien, Japan und Indien teil. The Diplomat berichtet, dass China Quad als „anti-chinesische Allianz” einstuft, die darauf abzielt, Chinas maritimen Aufstieg im indo-pazifischen Raum einzudämmen.

Im vergangenen Jahr hatte der damalige US-Verteidigungsminister James Mattis gesagt, dass künftig nicht der Terrorismus, sondern die Gefahren, die von Russland, China und Staaten wie Nordkorea oder Iran ausgehen würden, die größte Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellen würden, so die New York Times.

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