Finanzen

Ökonom: Auf die Amerikaner kommen deutlich höhere Preise zu

Zu den Leidtragenden des Handelskrieges gehören in erster Linie die amerikanischen Bürger, sagt der Ökonom Daniel Gros.
09.08.2019 17:00
Lesezeit: 3 min

Zumindest für eine Weile schienen die Handelsspannungen zwischen den USA und China sich bei einer „neuen Normalität“ eingependelt zu haben. Nachdem beide Länder hohe Zölle auf einen beträchtlichen Anteil der Waren des jeweils anderen verhängt hatten, sah US-Präsident Donald Trump von einer weiteren Eskalation ab. Doch nach einer weiteren ergebnislosen Runde bilateraler Handelsverhandlungen in Shanghai in der letzten Woche erklärte Trump, dass die USA ab 1. September 10-prozentige Zölle auf weitere chinesische Waren im Wert von 300 Milliarden Dollar verhängen würden.

Falls die neue Maßnahme wirksam wird, werden fast alle US-Importe aus China Zöllen unterliegen. (Die USA erheben schon jetzt 25-prozentige Zölle auf chinesische Importe im Wert von 250 Milliarden Dollar.) Obwohl die USA in ihrem Handelskrieg mit China außerdem nichttarifäre Handelsbarrieren verhängt haben, sind die gegenseitigen Zölle das sichtbarste Element des Streits – und sie dürften Amerika mehr schaden als China.

Eine Methode, die restriktive Wirkung der Handelspolitiken beider Länder zu vergleichen, besteht in der Betrachtung ihrer durchschnittlichen Zollsätze. Dies scheint für die USA ein relativ beruhigendes Bild abzugeben. Vor Trumps Amtsantritt betrug der durchschnittliche US-Zollsatz auf Industrieprodukte etwa 2% und lag damit leicht unter dem Chinas.

Selbst unter Trump ist dieser Wert (bisher) nicht sonderlich stark gestiegen. Die Importe aus China machen etwa ein Viertel aller US-Importe aus, und der 25-prozentige Zollsatz betrifft rund die Hälfte aller eingeführten chinesischen Waren. Dies bedeutet, dass der durchschnittliche US-Einfuhrzoll um etwa drei Prozentpunkte auf rund 5% angestiegen ist, was nicht übermäßig hoch erscheint.

Aber der Durchschnittszoll ist ein irreführender Indikator. Die Wirtschaftstheorie legt nahe, dass Zölle überproportional negative Auswirkungen auf das Wohl von Verbrauchern und Produzenten haben. Eine Verdoppelung eines Zolls etwa wird den Wohlfahrtsverlust mehr als verdoppeln. Ein 25%iger Zoll auf einen begrenzten Teil des Handels ist daher deutlich schwerwiegender als ein Durchschnittszoll von 3%.

Viele Länder erheben hohe Einfuhrzölle auf eine bestimmte Anzahl konkreter Produkte, wobei ein Wert von über 15% normalerweise als „Spitzenzollsatz“ gilt. Doch während diese Spitzensätze in den meisten Industrieländern weniger als 1% der Gesamtimporte betreffen, ist es in den USA viel mehr.

Darüber hinaus diskriminieren Trumps Zölle China: Der 25-prozentige Zoll wird nur von chinesischen Herstellern und nicht von ihren europäischen, südamerikanischen oder asiatischen Wettbewerbern gezahlt. Ein derartiger länderspezifischer Zoll entspricht der Erhebung eines allgemeinen Zolls auf alle Importe bei gleichzeitiger Subventionierung konkurrierender Hersteller außerhalb Chinas – wobei diese Subvention von den US-Verbrauchern in Gestalt höherer Preise gezahlt wird.

Weil die nichtchinesischen Hersteller nun ihre Preise um bis zu 25% anheben können und trotzdem in den USA konkurrenzfähig bleiben, dürften die Preise für die amerikanischen Verbraucher in Bezug auf ein breites Spektrum von Waren steigen. Die indirekten Auswirkungen von Trumps Zöllen gegenüber China auf die Verbraucherpreise dürften daher viel höher ausfallen als die jüngste Schätzung einer direkten Auswirkung von nur 0,1%. Diese indirekten schädlichen Folgen länderspezifischer Zölle sind der Hauptgrund, warum das Prinzip der „Meistbegünstigung von Ländern“ seit langem ein Eckstein des Welthandelssystems ist.

Zudem legen erste Studien nahe, dass die chinesischen Hersteller ihre Preise infolge der Trump’schen Zölle nicht wesentlich gesenkt haben. Und selbst wenn sie das täten, würde der kleine Vorteil niedrigerer chinesischer Preise für die US-Verbraucher vermutlich deutlich durch die höheren Preise konkurrierender Importe überwogen werden, die durch Trumps länderspezifische Zölle auf den US-Markt umgelenkt werden.

Obwohl China in der Vergangenheit seinerseits einen Zoll von 25% auf viele seiner Importe aus den USA erhängt hat, dürften die negativen Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft begrenzt sein, weil US-Waren nicht einmal ein Zehntel der chinesischen Gesamtimporte ausmachen. Chinesische Vergeltungszölle haben daher eine geringe Auswirkung auf die chinesische Volkswirtschaft. Und China hat seine Zölle auf Importe aus der übrigen Welt tatsächlich gesenkt.

Zudem besteht ein großer Anteil der chinesischen Importe aus den USA aus landwirtschaftlichen Rohstoffen wie Sojabohnen, die das Land ggf. problemlos zu einem ähnlichen Preis aus Brasilien einführen kann. Die USA würden dann voraussichtlich mehr Sojabohnen in bisher von brasilianischen Herstellern bediente Märkte u. a. in Europa exportieren. (Dies würde Amerikas Handelsdefizit gegenüber Europa reduzieren und könnte den diesbezüglichen US-Druck auf die Europäische Union verringern.)

Die USA haben im Rahmen ihrer aggressiven Handelspolitik gegenüber China zudem ihre nichttarifären Handelsbarrieren erhöht. Insbesondere hat Trump den chinesischen Technologieriesen Huawei auf die sogenannte „Entities List“ – die Liste der Unternehmen, an die US-Firmen keine amerikanischen Produkte verkaufen dürfen – gesetzt. Zwar hat Trump auch erklärt, dass US-Lieferanten derzeit die notwendigen Lizenzen einholen sollten, um Huawei weiterhin zu beliefern. Doch werden US-Technologieunternehmen es sich von nun an eindeutig zweimal überlegen, bevor sie langfristige Verträge mit anderen prominenten chinesischen Firmen schließen, die Gefahr laufen könnten, auf die „Entities List“ gesetzt zu werden.

Parallel hierzu werden Chinas Regierung und Unternehmen ihre Bemühungen verstärken, sich bei der Beschaffung wichtiger technologischer Bauteile von den USA unabhängig zu machen. Die bloße Drohung mit der „Entities List“ wird künftig als deutliche versteckte Barriere für den US-chinesischen Handel fungieren. Und weil diese Barriere ebenfalls diskriminierend ist (nur gegen China gerichtet ist), wird sie dieselben hohen Kosten nach sich ziehen wie länderspezifische Zölle.

Wirtschaftsanalysen legen nahe, dass bilaterale Handelskriege in einer vernetzten Welt nicht zu gewinnen sind. Mit seiner jüngsten Zollsalve gegen China hat Trump den Einsatz in einem zunehmend schädlichen Konflikt weiter erhöht. Und Amerika dürfte als der größere Verlierer daraus hervorgehen.

Daniel Gros ist Direktor des Centre for European Policy Studies.

Copyright: Project Syndicate, 2019.

www.project-syndicate.org

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