Gemischtes

Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Probleme mehr als verdreifacht

Einer Langzeitstudie der DAK zufolge hat sich die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Leiden seit 1997 mehr als verdreifacht.
18.08.2019 20:26
Lesezeit: 2 min

Die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Probleme hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdreifacht. Das geht aus einer Langzeituntersuchung der DAK-Gesundheit hervor. In ihrem "Psychoreport 2019" hat die Krankenkasse die Fehltage ihrer Versicherten seit 1997 ausgewertet. Die Krankschreibungen von Arbeitnehmern wegen psychischer Leiden erreichten demnach im Jahr 2017 einen Höchststand.

Im Schnitt fiel 2017 jeder Versicherte wegen psychischer Probleme für 2,5 Tage auf der Arbeit aus. Zwanzig Jahre vorher waren es im Schnitt nur 0,7 Krankheitstage pro Versichertem. Erst 2018 ging die Zahl der Fehltage wegen psychischer Leiden nach stetigem Anstieg erstmals wieder leicht zurück.

DAK-Vorstandschef Andreas Storm führt die Entwicklung auch auf einen offeneren Umgang mit psychischen Problemen zurück: "Vor allem beim Arzt-Patienten-Gespräch sind psychische Probleme heutzutage kein Tabu mehr." Deshalb werde auch bei Krankschreibungen offener damit umgegangen. Diese Einschätzung wird von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) geteilt. Die Linke verweist dagegen auch auf einen gestiegenen Arbeitsstress als Ursache.

Über den Gesamtzeitraum dieser DAK-Untersuchung hinweg fehlten Arbeitnehmer am häufigsten wegen der Diagnose Depression. Dahinter folgen sogenannte Anpassungsstörungen - diese treten zum Beispiel nach schweren Schicksalsschlägen auf oder nach einschneidenden Veränderungen im Leben. Danach kommen neurotische Störungen und Angststörungen. "Burn-Out" spielt kaum eine Rolle. Seit 2012 habe diese Diagnose im Krankheitsgeschehen deutlich an Relevanz verloren, heißt es.

Dass die Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen einen wesentlichen Anteil am Anstieg der Krankmeldungen habe, sei unumstritten, sagte eine DGPPN-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. "Dass heutzutage offen über psychische Erkrankungen gesprochen werden kann, ist aus Sicht der DGPPN sehr zu begrüßen". Der Verband fordert allerdings mehr Einsatz für Früherkennung und Prävention, denn die meisten psychischen Erkrankungen manifestierten sich bereits in den ersten Lebensjahrzehnten.

Jutta Krellmann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sieht auch eine gestiegene Arbeitsbelastung als Ursache für den Anstieg der Krankmeldungen wegen psychischer Probleme. "Arbeitsstress macht krank. Viele Beschäftigte können ein trauriges Lied davon singen. Das darf nicht heruntergespielt werden", sagte sie der dpa.

Krellmann forderte die Bundesregierung auf, Betriebsräte besser zu schützen und ihre Wahl zu erleichtern. Außerdem brauche es eine Anti-Stress-Verordnung und flächendeckend Arbeitsschutzkontrollen. Eine Umfrage im Auftrag der Versicherung Swiss Life hatte erst kürzlich ergeben, dass sich fast zwei Drittel der arbeitenden Bevölkerung im Job gestresst fühlen.

Der DAK-Report zeigt, dass die Zahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen mit dem Alter kontinuierlich zunimmt. Frauen sind demnach deutlich häufiger wegen Seelenleiden krankgeschrieben als Männer. Weiter hieß es, in der öffentlichen Verwaltung und im Gesundheitswesen seien "überproportional viele Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen" zu verzeichnen.

Im Ländervergleich sind die Bayern am wenigsten wegen psychischer Probleme krank (1,9 Fehltage pro Versichertem im Jahr 2018), die Saarländer am häufigsten (3,1 Fehltage).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Experte fürchtet politischen Schock in Europa: „Es ist tatsächlich beängstigend“
28.06.2025

Europa taumelt: Rechte Parteien sind auf dem Vormarsch, Frankreich droht der Machtwechsel. Experte Rahman warnt: Das „Trump-Moment“...

DWN
Technologie
Technologie Neue Technologien am Körper: Gehirnimplantate, künstliche Intelligenz, elektronische Tattoos
28.06.2025

Hightech greift immer direkter in den menschlichen Körper ein. Ob Gehirnimplantate, elektronische Tattoos oder künstliche Intelligenz...

DWN
Politik
Politik Machtverlust oder Wendepunkt? Irans Zukunft nach dem Konflikt
28.06.2025

Nach dem militärischen Schlagabtausch mit Israel steht der Iran politisch und gesellschaftlich unter Druck. Zwischen Machtkonsolidierung,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen So gelingt der Einstieg: KI im Personalwesen mit System etablieren
28.06.2025

Künstliche Intelligenz erobert Schritt für Schritt das Personalwesen. Deutschland liegt im europäischen Vergleich weit vorne – doch...

DWN
Politik
Politik Familienkonzern Trump: Wie der Präsidenten-Clan Milliarden scheffelt
28.06.2025

Die Trump-Familie vermischt Politik und Profit wie nie: Während Donald Trump das Weiße Haus beherrscht, expandieren seine Söhne mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenausblick 2025: Drohen jetzt heftige Kursbeben?
28.06.2025

Die Sommermonate bringen traditionell Unruhe an den Finanzmärkten. Mit Trump im Weißen Haus steigen die Risiken zusätzlich. Erfahren Sie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden für heiße Luft: Ex-OpenAI-Chefin kassiert ohne Produkt
28.06.2025

Ein Start-up ohne Produkt, eine Gründerin mit OpenAI-Vergangenheit – und Investoren, die Milliarden hinterherwerfen. Der KI-Hype kennt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Social Travel: Hostelworld will Facebook des Reisens werden – mit Milliardenpotenzial
28.06.2025

Hostelworld will nicht länger nur Betten vermitteln, sondern das führende soziale Netzwerk für Alleinreisende werden. Warum der...