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500 Kilometer: Schallmauer für E-Autos soll bald fallen

Die Autokäufer sind offenbar noch nicht von der angepriesenen neuen Autowelt mit Elektromotor überzeugt. Die Autobauer wollen jetzt zumindest eine Kaufhürde knacken – die Reichweite.
23.11.2016 07:14
Lesezeit: 2 min

Selbst mehrere tausend Euro Kaufanreiz für die Strom-Autos von Bundesregierung und Herstellern elektrisieren in Deutschland kaum. Zuletzt lag der Anteil an den Neuzulassungen immer noch bei unter zwei Prozent. Dabei gibt sich die Autoindustrie alle Mühe: Jetzt soll mit erklecklicher Reichweite bei neuen Modellen endlich eine wichtige Hürde für die Anschaffung fallen.

Neben dem relativ hohen Preis und den vergleichsweise geringen Lademöglichkeiten führten Experten die Reichweite bislang als Grund für das stiefmütterliche Dasein des Elektromotors auf den Straßen an. Das Problem dieses Dreiklangs müsse gelöst werden, bevor die Technologie zu einem Erfolg werden kann, fordert unter anderem der mächtige VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh.

VW-Markenvertriebschef Jürgen Stackmann kündigte jüngst bereits an, dass der „Dornröschenschlaf“ bei elektrisch betriebenen Autos sehr schnell ein Ende haben werde. Auch Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber betonte vor einigen Monaten: „Wir sind überzeugt, dass der Markt jetzt so weit ist.“

Vor allem die Reichweite hat es den Herstellern angetan, so die dpa: Die Angabe, wie viele Kilometer ein Auto mit einer Ladung Strom schafft, ist plakativ wie bisher die Liter-Verbrauchswerte von Verbrennungsmotoren. Gemessen wird sie auf dem gleichen Prüfstand wie Benziner und Diesel: Ein reines E-Auto fährt zweimal einen Testzyklus mit voller Batterie, danach wird jeweils gemessen, wie viel der Akku an Strom neu aufsaugt. Aus dem Verbrauch und der Gesamtkapazität der Batterie wird die Reichweite errechnet.

Dabei liegt die magische Grenze bei 500 Kilometern. Kein Elektroauto, das beim Pariser Autosalon vorgestellt wurde, kommt über diese Marke hinaus - mit der Pionier Tesla die etablierten Hersteller schon lange ärgert. Der Opel Ampera will diese Grenze schaffen, Daimlers noch nicht definiertes batteriegetriebenes Elektroauto, das in Paris enthüllt wurde, soll mit einer Ladung so weit kommen und auch Volkswagens angekündigtes Designkonzept für ein E-Auto dürfte nicht unter dieser Reichweite liegen.

„500 Kilometer Reichweite sind eine rein psychologische Grenze“, sagt Peter Fuß, Autoexperte der Strategieberatung EY. Das gebe dem Verbraucher Sicherheit. Denn wirklich nötig, so Fuß, haben das die meisten Autofahrer nicht: „Studien zufolge fahren die Menschen mit ihren Autos im Schnitt 22 Kilometer pro Tag.“ Allerdings verliere auch die Frage der Infrastruktur damit an Bedeutung. Denn wenn die Autos mit einer Ladung weiter kommen, sind am Ende auch weniger Ladesäulen notwendig.

Möglich werden die neuen Reichweiten dank der Weiterentwicklung der Batterietechnologie. Manager der Autoindustrie rechnen rund um das Jahr 2020 mit der Zeitenwende. Dann sollen die eingebauten Stromtanks zweieinhalb Mal soviel Leistung ermöglichen wie noch vor wenigen Jahren. Das kann einerseits mehr Reichweite bedeuten - oder auch weniger Gewicht.

Eine wirkliche Veränderung für den Kunden allerdings, so ist man bei der Aachener Ingenieurberatung P3 überzeugt, bringen die monatlichen Gesamtkosten, die der Autofahrer schultern muss. Zwar ist die Anschaffung eines Elektroautos auch mit der staatlichen Kaufprämie noch teurer. Verbrauch und Unterhalt rechnen sich aber, denn die Elektromotoren und Batterien müssen seltener gewartet werden.

Ein E-Kompaktmodell wie dem Chevy Bolt, so die Berechnungen von P3, könnte im kommenden Jahr schon mit den Kosten eines Vergleichsmodells wie dem Opel Astra mithalten. In den darauffolgenden Jahren dürften außerdem die Kosten für Batterien und die Ladestation zu Hause in der Garage weiter drastisch sinken.

„Der Preis bleibt allerdings ein Problem - auch mit Kaufprämie“, glaubt Fuß. „Die Restwerte der frühen Elektroautos werden signifikant unter den Restwerten künftiger Elektrofahrzeuge mit deutlich größerer Reichweite liegen“, sagt er. Heißt: Wer zu früh kauft, dem droht beim rasanten technischen Fortschritt schnell der Wertverfall. Nur bei gewerblichen Flotten und beim Carsharing könnten die Autos entsprechend abgeschrieben werden, sagt Fuß.

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