Politik

IWF: Griechenland-Krise schlimmer als US-Depression in den 1930ern

Die Krise in Griechenland dauert bereits länger als die gefürchtete "Great Depression" der 1930er-Jahre. Die Euro-Retter wollen mit neuen Krediten weitermachen. Tatsächlich ist jedoch ein umfassender Schuldenschnitt nötig, wenn der griechischen Bevölkerung geholfen werden sollte.
13.02.2017 15:16
Lesezeit: 2 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

"Wir arbeiten an der Umsetzung des bestehenden dritten Hilfsprogramms", sagte Regierungssprecher Stefan Seibert am Montag und wies andere Fragen als Spekulationen zurück. Ziel sei es, Griechenland auf einen Weg zu nachhaltigen Finanzen und Wirtschaftswachstum zu verhelfen. Sollten sich die Finanzminister nicht einigen, könnte es am Ende wieder Sache der Regierungschefs werden. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes ergänzte: "Wir wollen, dass die Euro-Zone vollständig erhalten bleibt, unter Einschluss Griechenlands." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte vor wenigen Tagen erklärt, halte das Land seine "Reformzusagen" nicht ein, "können sie nicht in der Währungsunion bleiben".

Die Troika verlangt von Griechenland vor allem eine weitere Rentenkürzung. Davor schreckt die linke Syriza-Regierung zurück, weil die Renten seit 2010 bereits elfmal gekürzt wurden.

Die Schuldenkrise ist auch Thema beim Besuch des griechischen Oppositionspolitikers Kyriakos Mitsotakis am Montag bei Kanzlerin Angela Merkel. Der Konservative von der Partei Neue Demokratie (ND) will zudem am Dienstag mit Schäuble sprechen. Sein Bündnis kann von der Unzufriedenheit der Griechen mit Regierungschef Alexis Tsipras profitieren. Dessen linke Syriza-Partei liegt Umfragen zufolge inzwischen deutlich hinter der ND.

EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici kündigte unterdessen für Mittwoch einen Besuch in Athen an, um die Reform-Überprüfungen für Griechenland zu beschleunigen. Er werde am Mittwoch nach Athen reisen, um mit Premierminister Alexis Tsipras und Finanzminister Euklid Tsakalotos über dessen Umsetzung zu beraten, kündigte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici am Montag in Brüssel an: "Ich hoffe, wir haben dann bei der Eurogruppe nächste Woche ein positives Ergebnis."

Von der Überprüfung der griechischen Austeriätsmaßnahmen sind weitere Milliardenkredite an Griechenland abhängig. Die EU-Kommission geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in dem Schuldenstaat zulegen wird, wenn die aktuelle Prüfrunde schnell abgeschlossen wird. Im laufenden Jahr könnte die Wirtschaftsleistung um 2,7 Prozent zunehmen und im kommenden Jahr sogar um 3,1 Prozent, hieß es in der Frühjahrsprognose. Der Staatsüberschuss könnte - ohne Berücksichtigung von Zinszahlungen - im laufenden Jahr 1,75 Prozent erreichen und im kommenden Jahr 3,7 Prozent. Das wäre mehr als mit den Geldgebern vereinbart.

Der IWF hat dagegen laut Kathimerini eingeräumt, dass die bisherigen Kreditprogramme nicht zur Gesundung der griechischen Wirtschaft geführt haben. In einem Bericht hatte der IWF vor allem gezeigt, dass die Depression in Griechenland sogar die Große US-Depression aus den 1930er-Jahren übertrifft.

Keine der Austeritätsmaßnahmen hat dazu geführt, den griechischen Haushalt zu stabilisieren. Der IWF schreibt: "Obwohl die Lohnkosten etwas zurückgegangen sind, hat sich das Problem durch vorzeitige Pensionierungen verlagert...Aufgrund der suboptimalen politischen Umsetzung bleibt das Rentensystem nach wie vor äußerst unausgewogen, die Ausgaben werden auf nicht nachhaltiges Niveau gebracht und die Steuerbelastung ist ungleichmäßig verteilt ... Daher ist die derzeitige Struktur der öffentlichen Finanzen grundsätzlich ineffizient und unfair sowie letztlich sozial nicht nachhaltig. Die niedrigeren Einkommen und die Arbeitslosen haben keinen Zugang zu angemessenen und gezielten sozialen Leistungen und andere wesentliche öffentliche Dienstleistungen, die sie brauchen, und die in anderen Staaten im Euroraum üblich sind."

Für alle Beobachter steht fest, dass Griechenland dringend einen Schuldenschnitt braucht, wenn die Bevölkerung jemals von weiteren Krediten profitieren sollte. Allerdings lehnen die Euro-Minister einen Schuldenschnitt vor der Bundestagswahl 2017 ab.

Interessant: In den Leserkommentaren bei Kathimerini beschimpft niemand die EU oder Deutschland. Die Leser haben resigniert; viele schreiben, dass sie von den eigenen politischen Netzwerken über Jahrzehnte ins Verderben getrieben worden seien. Sie erwarten sich auch keine Besserung - gleichgültig, welche Regierung als nächstes an die Reihe kommt. Der IWF hatte unter anderem kritisiert, dass das Land in nur sechs Jahren 9 verschiedene Finanzminister habe kommen und gehen gesehen. Die Idee der Demokratie scheint im Mutterland der Demokratie durch die Euro-Krise jedenfalls gründlich Schaden genommen zu haben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...