Politik

Martin Schulz erreicht bei Wahl zu SPD-Chef 100 Prozent

Martin Schulz wurde mit 100 Prozent der Stimmen zum neuen SPD-Chef. Die SPD hofft, mit Schulz an der Spitze den Einzug ins Kanzleramt zu schaffen.
19.03.2017 17:16
Lesezeit: 3 min

[vzaar id="9614466" width="600" height="338"]

Mit 100 Prozent der Stimmen hat die SPD Martin Schulz zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Auf den 61-Jährigen, der danach auch offiziell als Kanzlerkandidat nominiert wurde, entfielen beim Bundesparteitag am Sonntag in Berlin alle 605 abgegebenen gültigen Stimmen. Der frühere Präsident des Europäischen Parlaments zeigte sich überwältigt. Das Ergebnis sei "der Auftakt zur Eroberung des Kanzleramtes". Die SPD solle bei der Bundestagswahl am 24. September stärkste Kraft werden und das Mandat erhalten, "dieses Land besser und gerechter zu machen".

Schulz sagte, den Menschen solle wieder der Respekt entgegengebracht werden, den sie verdienten. "Wenn wir nicht dafür sorgen, dass es in diesem Land gerechter zugeht, dann wird das niemand Anderes machen." Soziale Gerechtigkeit sei kein Begriff aus dem Lehrbuch des Klassenkampfes, sondern grundlegende Bedingung für eine freie und fortschrittliche Gesellschaft. Zum Respekt für den einzelnen Menschen gehöre das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das "unerträgliche Lohngefälle zwischen Männern und Frauen" müsse aufhören.

Mit einer vom Staat finanziell geförderten Familienarbeitszeit will die SPD die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Damit solle Eltern mehr Flexibilität ermöglicht werden, um die Dreifachbelastung aus Kindererziehung, Betreuung pflegedürftiger Eltern und Erfolg im Beruf hinzubekommen. Familienministerin Manuela Schwesig werde ein mit ihm abgestimmtes Konzept dazu in den nächsten Wochen vorstellen. Mit der Familienarbeitszeit kündigte Schulz einen weiteren Punkt seines Regierungsprogramms an. Zugleich verteidigte er seinen Vorstoß für längere Arbeitslosengeld-Zahlungen an Erwerbslose, die sich weiterqualifizieren. Es sei "einigermaßen absurd", der SPD vorzuwerfen, sie etabliere damit ein Programm zur Frühverrentung. Qualifizierung und Weiterbildung seien im Gegenteil ein Innovationsprogramm für die Bundesrepublik. Schulz bekräftigte auch das Ziel, die Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund beenden zu wollen. Der Kanzlerkandidat plädierte zudem für eine gebührenfreie Bildung "von der Kita bis zum Studium". Dies müsse auch für die berufliche Bildung gelten.

Nur an einer Stelle griff Schulz CDU und CSU direkt an: Sie wolle den Solidaritätszuschlag abschaffen, wodurch 20 Milliarden Euro an Einnahmen wegfielen, und zugleich verspreche Finanzminister Wolfgang Schäuble Steuerentlastungen im Wert von 15 Milliarden Euro. Dies seien gewaltige strukturelle Mindereinnahmen. Zusätzlich werde erklärt, dass die Rüstungsausgaben um 20 Milliarden Euro erhöht und dafür bei den Sozialausgaben weniger ausgegeben werden solle. "Diese Pläne sind extrem ungerecht, sie sind ökonomisch unvernünftig und sie spalten unsere Gesellschaft", sagte Schulz.

Schulz sagte, mit ihm werde es im Wahlkampf keine "Herabwürdigung des politischen Wettbewerbers geben". Die "Verächtlichmachung" und die pauschale Verurteilung ganzer Gruppen sowie das Arbeiten mit gefälschten Nachrichten wie in den USA dürfe in Deutschland keinen Platz haben.

Diese noble Einstellung gilt allerdings offenbar nicht für alle Parteien: Scharf attackierte Schulz die AfD heftig. Diese sei eine "Schande für Deutschland". Wer die freie Berichterstattung als Lügenpresse beschimpfe, lege die Axt an den Wurzeln der Demokratie an, "ob er der Präsident der Vereinigten Staaten ist oder bei einer Pegida-Demonstration mitläuft". Schulz sagte, die "Feinde der Freiheit" hätten "in der SPD den entschiedensten Gegner, den man in diesem Land haben kann".

Zugleich wandte sich Schulz an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Zum Streit über Auftritte türkischer Politiker in Deutschland sagte er: "Wir wollen eine faire, wir wollen eine sachliche Auseinandersetzung, aber wir wollen nicht, dass Menschen gegeneinander aufgehetzt werden, weder in Ihrem Land, noch bei uns." Von der Bundesregierung forderte er: "Wer versucht, Menschen gegeneinander aufzuhetzen, dem muss Einhalt geboten werden." Allgemein müsse ein Bundeskanzler klare Haltung zeigen, wenn es um die Verteidigung grundlegender Werte gehe, sagte Schulz, der seine Kanzler-Ambitionen mehrfach unterstrich.

Der ehemalige Parteichef Sigmar Gabriel sieht die SPD angesichts ihrer deutlichen Zugewinne in Umfragen wieder im Aufwind. "Der Trend ist wieder ein Genosse, und so soll es bleiben", sagte er. Für ihn persönlich gebe es keinen Grund zur Melancholie. "Es dürfte der fröhlichste und optimistischste Übergang zu einem neuen Parteivorsitzenden sein, den unsere Partei in den letzten Jahrzehnten erlebt hat." Der Außenminister selbst hatte Schulz für die Führungsämter vorgeschlagen.

Das Grünen-Spitzenduo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt gratulierte Schulz. Mit Schulz komme "wieder Leben in die alte Tante SPD", und das tue dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf gut. In der neuen Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" liegt die SPD mit 32 Prozent weiter nahezu gleichauf mit der Union, die auf 33 Prozent kommt. Mit 48 Prozent würde es rechnerisch für ein rot-rot-grünes Bündnis reichen.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft-Aktie: Wie der KI-Boom den Gewinn über 100 Milliarden treibt
31.07.2025

Microsoft verdient erstmals mehr als 100 Milliarden Dollar – ein Meilenstein, der zeigt, wie tiefgreifend sich das Unternehmen unter...

DWN
Finanzen
Finanzen Investoren warnen: Ist die Erfolgsgeschichte der Novo Nordisk-Aktie vorbei?
31.07.2025

Die Novo Nordisk-Aktie galt als Fels in der Brandung – doch nach einer drastischen Gewinnwarnung gerät das Erfolgsmodell ins Wanken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 2 Prozent Inflation: Kerninflation zieht Verbrauchern das Geld aus den Taschen
31.07.2025

Die Inflation liegt genau im Zielkorridor der EZB – ein scheinbar gutes Zeichen. Doch die Kerninflation bleibt hoch, vor allem...

DWN
Finanzen
Finanzen Renminbi im Welthandel: Warum Dollar und Euro dominant bleiben
31.07.2025

Chinas Regierung will den Renminbi zur globalen Handelswährung machen – und nutzt gezielt geopolitische Spannungen, um Druck auf...

DWN
Unternehmen
Unternehmen ZF Stellenabbau: 14.000 Arbeitsplätze in Deutschland bedroht
31.07.2025

Der Autozulieferer ZF rutscht immer tiefer in die Krise. Die "Zahnradfabrik" verzeichnet erneut einen hohen Verlust, steckt tief im...

DWN
Politik
Politik Trump tobt, doch Powell bleibt hart: Keine Zinsgeschenke für den Präsidenten
31.07.2025

Donald Trump fordert eine drastische Zinssenkung – doch Fed-Chef Jerome Powell verweigert den Gefolgschaftseid. Die US-Notenbank bleibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Reserve kommt: Was Anleger jetzt wissen müssen
31.07.2025

Die USA lagern still und heimlich Bitcoin – als nationale Reserve. Was bedeutet das für Anleger? Was steckt hinter dieser strategischen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen MediaMarkt Saturn: Chinas JD.com übernimmt die Kontrolle beim Elektronikhändler – Ceconomy-Aktie im Fokus
31.07.2025

Der Einstieg eines Handelsgiganten verändert das Kräfteverhältnis bei MediaMarkt Saturn: Chinas JD.com will Europas Elektronikmarkt...