Unmittelbar vor dem Polen-Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Außenminister Witold Waszczykowski von Deutschland Rücksichtnahme gegenüber seinem Land gefordert. "Natürlich hat jedes Land das Recht, seine eigenen Interessen zu vertreten, aber eine gewisse Kompromissbereitschaft wäre aus unserer Sicht gut", sagte der polnische Minister der Welt. Als Problem nannte Waszczykowski die Ostseepipeline North Stream, durch die russisches Gas unter Umgehung Polens direkt nach Deutschland befördert werden soll.
"In Polen hält man die North-Stream-Pipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland für ein egoistisches Projekt, das nicht nur polnische Interessen verletzt, sondern auch die Interessen anderer mittel- und osteuropäischer Staaten", sagte der Minister. Die Ostseepipeline sei "ein politisches Projekt, das nichts mit wirtschaftlichen Interessen zu tun" habe.
Waszczykowski bezeichnete Deutschland aber insgesamt als "verlässlichen Partner". Wegen seiner Größe und "wirtschaftlichen Macht" sei "Deutschland die natürliche Führungsmacht in Europa".
Eine engere Zusammenarbeit innerhalb der Eurozone - wie zuletzt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gefordert - lehnte Waszczykowski ausdrücklich ab: "Wenn man jetzt damit beginnen will, eigene politische Strukturen wie einen Finanzminister oder einen gemeinsamen Haushalt für die Euro-Zone zu schaffen oder ein Investitionsprogramm nur für Euro-Länder aufzulegen, dann spaltet man die EU."
Dies wäre sehr gefährlich: "Das könnte das Ende der Europäischen Union bedeuten." Polen, das nicht zur Eurozone gehört, lehne ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten ab. "Dieses Konzept würde in einem Desaster enden", sagte Waszczykowski. "Die Erinnerung an das geteilte Europa ist in Polen noch wach. Solchen Plänen werden wir ganz bestimmt nicht zustimmen."
Bundespräsident Steinmeier wird am Freitag zu seinem Antrittsbesuch in Polen erwartet. In der Hauptstadt Warschau trifft er mit dem polnischen Staatsoberhaupt Andrzej Duda zusammen. Darüber hinaus sind Gespräche mit Ministerpräsidentin Beata Szydlo sowie Vertretern beider Parlamentskammern geplant.