Politik

Russisches Pipeline-Projekt Turkish Stream in Schwierigkeiten

Das russische Pipeline-Projekt Turkish Stream ist mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. (Dieser Artikel ist nur für Abonnenten zugänglich)
23.05.2017 00:12
Lesezeit: 3 min

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In Istanbul fand am Montag ein Jubiläumsgipfel der Organisation der Schwarzmeer Wirtschaftskooperation (BSEC) statt, berichtet die AFP. An dem Forum in der Bosporus-Metropole nahm neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan der russische Regierungschef Dmitri Medwedew teil. Die regionale Wirtschaftsunion war im Juni 1992 auf Initiative der Türkei gegründet worden und feiert nun ihr 25-jähriges Bestehen.

Der Organisation mit Sitz in Istanbul gehören neben den Schwarzmeer-Anrainerstaaten auch mehrere Balkanländer und Griechenland an. Die zwölf Mitglieder haben über die Jahre zahlreiche gemeinsame Institutionen geschaffen, um ihre Kooperation in Bereichen wie Handel, Energie, Finanzen, Kriminalität und Gesundheit zu befördern. Nach einem Bericht der Tass soll auch der Bau der russischen Pipeline Turkish Stream besprochen werden. Die Pipeline soll über die Türkei nach Europa verlaufen. Fraglich ist noch, wo sich der Anknüpfungspunkt auf dem europäischen Kontinent befinden soll. "Wir befinden uns aktuell in Gesprächen mit einer Reihe von europäischen Ländern", so Medwedew. Es gebe verschiedene Vorschläge für die territorialen Anknüpfungspunkte im Rahmen von Turkish Stream. Griechenland und Bulgarien seien Alternativen. "Zunächst einmal sollten bei der Entscheidungsfindung zu diesem Thema ökonomische Faktoren analysiert werden. Denn die Gaspipeline ist kein politisches, sondern ein rein ökonomisches Projekt", meint der russische Premier.

Auf dem europäischen Kontinent wollen die Regierungen von Serbien und Ungarn, dass Turkish Stream von Bulgarien oder Griechenland aus auch über ihre Territorien verläuft, berichtet die bulgarische Nachrichtenagentur novinite.com.

Serbische Energie-Analysten weisen hingegen auf Gefahren bei der Umsetzung hin. Der serbische Analyst Aleksandar Pavic sagte dem türkischsprachigen Dienst von Sputnik, dass zuvor insbesondere die "albanische Karte" als Druckmittel genutzt wurde, um South Stream zu verhindern. Turkish Stream könnte es ähnlich ergehen. Ein gutes Beispiel seien die Vorkommnisse in Makedonien. Der serbische Analyst Dragomir Andjelkovic sagt dazu: "Als Gruevski (Anm.d.Red. ehemaliger mazedonischer Premier)verstanden hatte, dass die russische Pipeline über Mazedonien eine große Chance für die Entwicklung des Landes ist und Mazedonien zum Teilnehmer des Turkish Stream bzw. der erneuerten Version von South Stream werden soll, begann der Prozess seines Sturzes – es kam zu Zusammenstößen zwischen den albanischen Extremisten und den Kräften des Innenministeriums in Kumanowo, es kam zu ernsthaften Finanzspritzen für die Opposition, wonach sich die Popularitätswerte Zaevs den Werten Gruevskis annäherten, obwohl der Oppositionelle noch vor kurzem keine große Unterstützung der Mazedonier genoss."

Die Analysten stimmen darüber überein, dass ähnliche Ereignisse aus energiepolitischen Gründen auch in Serbien stattfinden werden.

Die USA wollen verhindern, dass Russland die Ukraine als Gas-Transitland durch den Bau von  Turkish Stream  - und Nord Stream 2 - umgeht. Stattdessen wollen die USA ihr Fracking-Gas auf den europäischen Markt bringen. Der weitere Zufluss von russischem Gas nach Europa wird konkurrenzbedingt abgelehnt. Zudem könnten die USA die Gas-Pipelines aus Russland kontrollieren, wenn sie durch die Ukraine fließen. Die südlich um die Ukraine herum verlaufende Pipeline Turkish Stream gilt als Nachfolgeprojekt der früheren South-Stream-Pläne, die infolge der Spannungen mit Moskau in der Ukraine-Krise gescheitert waren.

Kathimerini berichtet: „Turkish Stream ist eine Alternativ-Pipeline für das South Stream-Projekt, das im vergangenen Jahr aufgrund der Ukraine-Krise außer Kraft gesetzt wurde (…). Athen hat auch Interesse am Projekt gezeigt. Im Juni 2015 unterzeichnete Energieminister Panayiotis Lafazanis ein Abkommen mit seinem russischen Amtskollegen Alexander Novak über die Verlängerung der Pipeline nach Europa durch griechisches Gebiet mit Finanzierung aus Russland. Athen stößt in Washington und in einigen europäischen Regierungen auf Skepsis, was zu einer Gegnerschaft der Europäischen Kommission führt.“

Der Bau von Turkish Stream über Griechenland könnte angesichts der angespannten Beziehungen zwischen Ankara und Athen einen Rückschlag erleiden. Ausschlaggebend ist, dass Griechenland türkischen Putschisten Asyl gewährt hat. George Katrougalos, der stellvertretende Außenminister von Griechenland, bedauert dies und fordert gleichzeitig eine enge Kooperation mit der Türkei beim Bau von Turkish Stream. "Natürlich wollen wir alles dafür tun, um Spannungen zu vermeiden. Doch manchmal gibt es Dinge, die nicht zu verhindern sind. Hier (Anm.d.Red. Asyl für türkische Putschisten) obliegt das Entscheidungsrecht der griechischen Justiz. Wir hoffen nur das Beste für die Zukunft der türkisch-griechischen Beziehungen. Wir möchten, dass die EU-Beitrittsverhandlungen unter allen Umständen weitergeführt werden", sagte Katrougalos dem türkischen Sender Kanal A Haber.

Seit mehreren Monaten fühlt sich die Türkei in der Ägäis von Griechenland provoziert. Am 16. April 2017 flogen der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos und der Oberkommandierende der griechischen Streitkräfte, Alkiviadis Stefanis, auf die Insel Agathonisi direkt vor der türkischen Küste, berichtet die griechische Tageszeitung Elefteros Typos. Dort führten sie mit mehreren Soldaten eine Aktion durch. Es wurden gemeinsam ein Lämmer am Spieß gebraten. Diese symbolische Aktion geht auf die griechische Besatzung der Türkei von 1919 bis 1922 zurück. Damals hatten die griechischen Besatzer in den eroberten Gebieten der Türkei demonstrativ Lämmer am Spieß gebraten, um den Türken zu verdeutlichen, dass sie am Ende seien, berichtet die Zeitung Sözcü.

Die Spannung zwischen Athen und Ankara steigt seit mehreren Monaten, was sich am Ende tatsächlich negativ auf den Bau von Turkish Stream auswirken könnte. Eine weitere Kehrseite ist, dass die griechische Regierung trotz eines geringen Haushaltsbudgets US-Kampfjets der Klasse F-35 vom US-Rüstungskonzern Lockheed Martin kaufen möchte, berichtet Kathimerini. Das Land fühlt sich von der Türkei bedroht. Eine anonyme Quelle des griechischen Verteidigungsministeriums sagte der Nachrichtenagentur Anadolu, dass Griechenland 20 F-35-Kampfjets kaufen wolle. Jede F-35 hat einen Wert von 80 bis 100 Millionen Dollar.

Wenn der gesamte militärische Modernisierungs- und Aufrüstungsplan erfolgen sollte, werden Kosten in Höhe von etwa zehn Milliarden Dollar entstehen. Kostas Grivas von der Hellenischen Militärakademie Anadolu: „Der Kauf von F-35-Jets ist ein finanzieller Skandal. Das Land ist in einem schrecklichen finanziellen Zustand und diese Jets sind sehr teuer. Wir kaufen sie nur, weil die Türkei sie zuerst kauft. Wir machen im Grunde eine Spende an Lockheed Martin.“

Die Umsetzung gemeinsamer Energieprojekte zwischen Griechenland und der Türkei wird sich offenbar kompliziert gestalten.

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