In Großbritannien mehreren sich die Hinweise auf eine Konjunktureintrübung. Einer am Montag veröffentlichten Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte zufolge haben große Unternehmen ihre Investitionspläne zusammengestrichen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Einschätzung der Firmen bezüglich der Konjunkturentwicklung sei im zweiten Quartal deutlich zurückgegangen, heißt es in dem Bericht von Deloitte.
Ein wichtiger Grund dafür sei das uneindeutige Ergebnis der Parlamentswahl im Juni, das in den kommenden Monaten zu politischer Unsicherheit führen könnte. Die konservative Partei von Premierministerin Theresa May verlor damals die absolute Mehrheit und befindet sich nun einer Minderheitsregierung mit Unterstützung der kleinen, nordirischen Partei DUP.
Inzwischen gehen 72 Prozent der befragten Finanzchefs davon aus, dass sich das Geschäftsumfeld durch den geplanten Austritt des Landes aus der EU eintrüben wird. Der Wert lag noch nie höher. Die Frage ist seit einem Jahr Teil der Erhebung.
Die britische Wirtschaft schwächelt unterdessen weiter. Das zeigen am Freitag veröffentlichte Konjunkturdaten. Die Industrie-Betriebe drosselten ihre Produktion im Mai überraschend um 0,2 Prozent, wie das nationale Statistikamt mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hingegen hatten mit einem Anstieg von 0,5 Prozent gerechnet. Allein die Herstellung von Fahrzeugen sank um 4,4 Prozent und damit so stark wie seit Februar 2016 nicht. Auch beim breiter gefassten produzierenden Gewerbe gab es ein überraschendes Minus von 0,1 Prozent. Zugleich kamen enttäuschende Daten vom Außenhandel: Das Handelsdefizit weitete sich stärker aus als erwartet – auf umgerechnet rund 15,33 Milliarden Euro.
Im ersten Quartal hatte die gesamte Wirtschaft spürbar an Fahrt verloren und war nur um 0,2 Prozent gewachsen. „Hier zeichnet sich immer mehr ein Muster ab, das signalisiert: Die Wirtschaft büßt deutlich an Schwung ein“, sagte Commerzbank-Experte Peter Dixon. Das Forschungsinstitut NIESR geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im abgelaufenen zweiten Quartal wohl nur um 0,3 Prozent gestiegen ist. „Wachstum bei den Dienstleistern hat den Rückgang bei der Industrieproduktion wettgemacht“, sagte NIESR-Expertin Rebecca Piggott. Im Vergleich zum Vorjahr bleibe die Entwicklung allerdings schwach.
Einer Umfrage des Kreditkartenanbieters Visa zufolge gingen die britischen Verbraucherausgaben im zweiten Quartal um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal zurück. Es war damit das schwächste Vierteljahr seit fast vier Jahren. Besonders die im Zuge der Abwertung des Pfund zum Euro gestiegenen Preise für Importartikel sowie die schwachen Einkommenszuwächse der Briten dämpfen die Nachfrage.
Der Austritt Großbritanniens aus der EU könnte zudem dazu führen, dass in den kommenden Jahren weniger gut ausgebildete EU-Bürger in dem Land arbeiten und leben werden. Aus einer Ende Juni von Deloitte veröffentlichten Untersuchung geht hervor, dass fast die Hälfte (47 Prozent) der hoch qualifizierten Berufstätigen aus anderen EU-Ländern die Insel in den nächsten fünf Jahren verlassen möchten. 48 Prozent der im Land lebenden ausländischen und 21 Prozent der im Ausland lebenden Arbeitskräfte, die befragt wurden, stimmten laut Studie der Aussage zu, dass Großbritannien nun „weniger attraktiv“ sei.