Finanzen

USA und Russland kämpfen um Energie-Markt in der Türkei

Die USA versuchen, den Einfluss Russlands in der türkischen Energiewirtschaft zurückzudrängen. Die Saudis sehen das Buhlen beider Großmächte um die Türkei mit Argwohn.
11.07.2017 00:32
Lesezeit: 4 min

US-Außenminister Rex Tillerson ist nach dem G20-Gipfel zu einem Kurzbesuch in die Ukraine gereist. Dort hielt er sich jedoch nicht lange auf, weil die wichtigere Mission aktuell in der Türkei zu erfüllen ist. Tillerson nimmt an einer großen Energiekonferenz teil. Der Hauptzweck der Reise besteht jedoch in dem Bestreben, den Einfluss Russlands auf die Türkei nicht weiter wachsen zu lassen. Zwischen den USA und der Türkei ist es nach dem Putschversuch im Juli 2016 zu einer Entfremdung gekommen. Die Türkei macht den in den USA lebenden Prediger Gülen für den Putsch verantwortlich und verdächtigt auch die USA.

Tillerson lobte daher ausdrücklich den Einsatz des türkischen Volks bei der Niederschlagung des Putschs vom 15. Juli 2016. Das türkische Volk habe damit die Demokratie verteidigt, zitiert Radio Free Europe/Radio Liberty den US-Außenminister.

In den gespannten Beziehungen zwischen den USA und der Türkei gibt es nach Einschätzung von US-Außenminister Rex Tillerson erste Zeichen der Entspannung. Man sei dabei, Vertrauen wieder aufzubauen, das auf beiden Seiten verloren gegangen sei, sagte Tillerson vor Bediensteten des US-Konsulats in Istanbul. Welche der zahlreichen Konflikte das betreffen könnte, sagte der Minister, der am Sonntag mit Präsident Recep Tayyip Erdogan gesprochen hatte, nicht. Seit seinem Amtsantritt habe er Erdogan dreimal getroffen. "Und jedes Mal läuft es ein wenig besser, zumindest vom Ton her." Die Beziehungen der USA zur Türkei seien aus Sicherheits- und Wirtschaftsaspekten außerordentlich wichtig. "Daher müssen wir unsere Beziehungen verbessern."

Nach Angaben des türkischsprachigen Diensts von Voice of America (VoA) sagte Tillerson während seiner Rede auf dem WPC-Kongress, dass das Energie-Thema Vorrang habe: „Die Türkei, die sich an einem wichtigen geographischen Knotenpunkt befindet, ist ein wichtiger Partner für die Energiesicherheit. Die USA wünschen sich sehr, dass am südlichen Gaskorridor und bei den Gasressourcen im östlichen Mittelmeer eine projektbezogene Zusammenarbeit stattfindet, um die globale Energiesicherheit zu erhöhen. Diese Projekte werden die Möglichkeit bieten, die Energieressourcen Europas zu diversifizieren.

Tillerson hatte sich am Sonntag zu einem zweistündigen Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen, so die Nachrichtenagentur Anadolu.

Tillerson setzt in der Türkei die Mission von US-Präsident Donald Tump fort, der in Warschau für das amerikanische Flüssiggas geworben hatte.

Tillerson nimmt am 22. World Petroleum Congress (WPC) teil, der in Istanbul stattfindet. Zu den Sponsoren des Kongresses gehören alle großen Energie-Konzerne des Westens: Chevron, CNPC, BP, PDVSA, ExxonMobil, Qatar Petroleum, Shell, SINOPEC, Baker Hughes, Halliburton, Repsol, Schlumberger, Wintershall, Turkish Petroleum und SOCAR.

Tillerson wurde auf dem Kongress mit der Dewhurst-Medaille ausgezeichnet. „Unter uns befindet sich ein erfahrener Fachmann, der in dieser Industrie bahnbrechende Schritte unternommen hat. Ich gratuliere US-Außenminister Rex Tillerson. Wir sprechen hier über eine Erfahrung von 41,5 Jahren“, zitiert die Zeitung Sabah den türkischen Energieminister Berat Albayrak.

Zeitgleich mit dem Besuch von Tillerson und dem WPC-Kongress veröffentlichte die Zeitung Hürriyet ein Gespräch mit dem Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), dem Türken Fatih Birol. Birol, der auch am WPC-Kongress teilnimmt, sagte dem Blatt, dass es zum Vorteil der Türkei sei, wenn die USA ihre Produktion von Flüssiggas (LNG) erhöhen. Dadurch hätte die Türkei die Möglichkeit, LNG günstiger zu kaufen. Birol wörtlich: „Die USA sind von nun an der weltweit größte Produzent von Öl und Gas. Diese beiden Energieressourcen sind die zwei strategisch wichtigsten Brennstoffe. Im Hinblick auf die Zukunft können wir sagen, dass die USA ihre Position ausbauen werden. Dies wird ernste geopolitische Konsequenzen nach sich ziehen. In den kommenden fünf Jahren werden die USA zu den wichtigsten Gasexporteuren der Welt gehören. Die USA werden mit Russland und Katar in einer Liga spielen. Dies wiederum wird die Konkurrenz unter den Wettbewerbern verschärfen, was zu einem Preisrückgang führen wird. Das wird zum Vorteil der Konsumenten sein. Die Erhöhung der Gasproduktion in den USA wird sich vorteilhaft auf unsere Bürger auswirken. Wir werden Gas zu günstigeren Preisen beziehen. Außerdem wird für die Europäer eine Alternative zum russischen Gas entstehen.“

Aus Sicht von Birol sei die LNG-Produktion in den USA unverzichtbar für die Energiesicherheit Europas und der Türkei. Birol meint: „Wir beziehen den Großteil unseres Gases aus einem einzigen Land. Dabei kann es sich um jedes beliebige Land handeln, doch unser wichtigster Partner ist an diesem Punkt Russland. Russland ist ein wichtiges Land. Allerdings halte ich es nicht für richtig, wenn wir in dieser Art und Weise von Russland abhängig sind. Deshalb gibt es beim Gas zwei wichtige Themen: Zum einen müssen wir die Abhängigkeit vom Gas reduzieren. Zum anderen müssen wir unserer Gaszufuhr diversifizieren. Hier werden wichtige Schritte unternommen. Es werden LNG-Depots und LNG-Terminale gebaut. Derzeit gibt es auf dem Weltmarkt einen Überschuss an LNG. Allerdings sollten wir die Ereignisse in Katar und in den Nachbarstaaten von Katar in Bezug auf die Energiesicherheit nicht unterschätzen. Aktuell gibt es weder beim Öl noch beim Gas enorme Probleme, aber es könnten in Zukunft regnerische Tage auf uns zukommen. Deshalb muss die Türkei eine energiepolitische Strategie entwickeln.“

Die Amerikaner müssen in der Türkei den Vorsprung der Russen aufholen, die sich mit den Türken bei der Kernenergie verbündet haben. Moskau hat erst vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass Russland türkische Unternehmen an dem geplanten ersten Atomkraftwerk Akkuyu in der Türkei beteiligen will. Das staatliche russische Atomunternehmen Rosatom werde 49 Prozent der Anteile an die drei türkischen Investoren Cengiz, Kolin und Kalyon verkaufen, berichteten russische Nachrichtenagenturen. Der Kaufpreis wurde nicht genannt. Die Vereinbarung soll Ende des Jahres unterzeichnet werden.

Der türkischen Zeitung Sabah zufolge bleibt Rosatom mit 51 Prozent der Anteile Mehrheitseigner. Der Bau des Kernkraftwerks mit vier Reaktoren begann 2015 und soll rund 18 Milliarden Euro kosten.

Die Saudis sehen das Buhlen von Russen und Amerikanern um die Türkei mit Sorge - und weisen darauf hin, dass ihr Öl nachhaltiger sei als das amerikanische Flüssiggas.

So könnte es nach Einschätzung des Chefs des saudiarabischen Konzerns Aramco einen Engpass bei der Versorgung der Weltwirtschaft mit Öl und Gas geben. Grund dafür sei unter anderem der starke Investitionsrückgang in der Branche, sagte Konzernchef Amin Nasser in Istanbul laut Reuters. Alternative Energien und der Boom in der Schieferölindustrie seien zwar wichtige Faktoren, um die künftige Nachfrage zu befriedigen. Aber es sei zu früh, um anzunehmen, sie könnten schnell für einen adäquaten Ersatz des herkömmlich geförderten Öl und Gas sorgen. Schließlich mangele es auch an neuen Entdeckungen konventioneller Ölfelder.

"Finanzinvestoren scheuen vor dringend benötigten Investitionen in die Öl-Exploration, in langfristige Entwicklungen und die dazugehörende Infrastruktur zurück", erklärte Nasser. Seit Beginn der Talfahrt der Ölpreise im Sommer 2014 seien Investitionen von rund einer Billion Dollar verloren gegangen. Aus Studien gehe hervor, dass zur Deckung künftiger Nachfrage 20 Millionen Barrel täglich gefördert werden müssten. Nur so könnte der natürliche Rückgang der Förderung in den schon entwickelten Ölfeldern in den nächsten fünf Jahren aufgefangen werden. Dem Fernsehsender CNBC sagte Nasser, dies würden in den nächsten Jahren auch die Endverbraucher zu spüren bekommen.

Er ergänzte, dass die Vorbereitungen für den Börsengang im zweiten Halbjahr 2018 wie geplant vorankämen. Der Verkauf von bis zu fünf Prozent der Aramco-Anteile an Investoren dürfte einer der größten Börsengänge aller Zeiten werden. Saudi-Arabien hofft damit schätzungsweise 100 Milliarden Dollar zu erlösen.

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