Finanzen

US-Energiepolitik: Riskante Wette auf Schiefergas

Die amerikanischen Investitionen in die Förderung von Schiefergas sind riskant. Profite sind ohne Subventionen noch nicht zu erzielen.
15.07.2017 22:44
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die neuesten Zahlen der US Energy Information Administration (EIA) zeigen auf, dass sich die Schiefergas-Industrie in den USA nach wie vor auf Expansionskurs befindet. In der vergangenen Woche machten Schlagzeilen die Runde, wonach die Vorräte in der Branche einen Rückgang erlebt hätten. Allerdings kam es im Verlauf der vergangenen Woche zu einer erneuten Stabilisierung der Vorräte, berichtet Oilprice.com.

Seit Ende des vergangenen Jahres ist das Fördervolumen der US-Schiefergasproduktion um etwa eine halbe Million Barrel (159 Liter) pro Tag gestiegen. Es wird erwartet, dass es künftig bei der Produktion keinen langsamen, sondern einen sprunghaften Anstieg geben wird. Allerdings wird diese enorme erwartete Produktionssteigerung und Angebotsausweitung nur möglich sein, wenn die Wall Street die US-Schiefergasindustrie mit Kapital-Investitionen unterstützt.

Nach Angaben des Wall Street Journal sollen Großbanken und Investoren die US-Schiefergasindustrie bereits in den vergangenen 18 Monaten mit etwa 57 Milliarden Dollar an Krediten und Aktienkapital versorgt haben. Diese Entwicklung führt zwangsläufig zu einer Steigerung der Zahl der Bohrungen. Nach einer Umfrage von Haynes and Boone denken 76 Prozent der Top-Manager von Banken, Private Equity Unternehmen und Ölfirmen aus dem Energiesektor, dass der Umfang der Kreditlinien stabil bleiben oder sogar weiter wachsen wird, berichtet Bloomberg.

Während Unternehmen aus der Schiefergasindustrie hoffen, Investoren zu gewinnen und ihre Gewinne durch die Erhöhung ihrer Produktion zu steigern, könnten sie sich mit dieser Strategie jedoch selbst schaden. Rendite-hungrige Investoren stecken ihr Geld in Unternehmen, die dann ihre Bohrungs-Aktivitäten steigern. Am Ende schaden sie sich selbst, weil der Öl- und Gaspreis aufgrund der Angebotsausweitung fällt. Im laufenden Jahr wird es in der US-amerikanischen Schiefergasindustrie voraussichtlich einen negativen Cashflow in Höhe von 20 Milliarden Dollar geben, da die Öl- und Gaspreise wieder sinken. 

Aus Sicht von Investoren war die Energiebranche im laufenden Jahr in dieser Hinsicht besonders schlecht. Ob in Bezug auf die Rohstoffpreise (der Rohstoffindex von S & P Goldman Sachs fiel um elf Prozent) oder einzelne Unternehmen (bei 73 der 90 Unternehmen im MSCI World Energy Sector Index SAW sind die Aktienkurse im zweiten Quartal rückläufig), war die Öl- und Gasindustrie kein guter Investitionsraum, berichtet Oilprice.com. Trotzdem hatte Goldman Sachs Anlegern zuvor empfohlen, Long-Kontrakte – also Wetten auf steigende Ölpreise – zu erwerben. Die Investmentbank prognostiziert Gewinne auf Rohstoffpreise in der Größenordnung von 13,3 Prozent in den nächsten drei Monaten und 12,2 Prozent in den nächsten zwölf Monaten.

Doch die Anleger wachen langsam auf. Sie merken, dass sie mit großen Wetten auf einen steigenden Ölpreis nicht punkten werden, führt Oilprice.com aus. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich Finanzinvestoren aus der Öl- und Gasbranche zurückziehen, was zu einem Rückgang der Aktienkurse der betroffenen Unternehmen der Schiefergasindustrie führt. Doch die Zeitspanne zwischen der Förderung und dem tatsächlichen Auftauchen des Schiefergases auf dem Markt beträgt etwa sechs Monate. Wenn davon ausgegangen wird, dass es in den ersten beiden Quartalen des aktuellen Jahres zu neuen Bohrungen gekommen ist, wird man einen Aufwärtstrend beim Angebot bis zum Ende des Jahres beobachten können.

Schlussendlich werden niedrige Öl- und Gaspreise zwangsläufig dazu führen, dass es zu einem Produktionsrückgang bei der US-Schiefergasindustrie kommt. Nach Angaben der Bank of America Merrill Lynch schlägt sich eine Erhöhung oder Verringerung des Preises von einem Dollar pro Barrel in der Addition oder Subtraktion von 100.000 Barrel pro Tag der Versorgung nieder.

Francisco Blanch von der Bank of America sagt, dass sich eine Veränderung von 20 Dollar auf zwei Millionen Barrel pro Tag auswirkt. Während die Preise mit einer großen Wahrscheinlichkeit auch im laufenden Jahr ansteigen werden, kann dies nicht für das kommende Jahr prognostiziert werden. Das Überangebot hat zahlreiche Investmentbanken dazu gezwungen, ihre Öl- und Gaspreisprognosen zu korrigieren. Bernstein Research hat seine Preisprognose für 2017 und 2018 von 60 Dollar und 70 Dollar pro Barrel auf 50 Dollar pro Barrel korrigiert.

Dem Institut zufolge wird es vor dem Jahr 2019 keine Erholung über die 60-Dollar-Marke hinaus geben. BNP Paribas hat seine Prognose für 2018 um 15 Dollar pro Barrel auf 48 Dollar pro Barrel korrigiert. Wenn dieses niedrige Preisniveau erhalten bleibt, werden die Finanzinvestoren damit beginnen, ihre Investitionen in der Branche zurückzufahren.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Sanierung bleibt trotz Rekordminus auf Kurs
03.07.2025

Baywa steckt tief in den roten Zahlen – doch der Sanierungsplan bleibt unangetastet. Der traditionsreiche Konzern kämpft mit Altlasten,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Seltene Erden: China kontrolliert deutsche Industrie
03.07.2025

Die deutsche Industrie gerät zunehmend in die Abhängigkeit Chinas, weil Peking bei seltenen Erden den Weltmarkt kontrolliert....

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....