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Im neuen Europa habe sich der Fokus komplett verändert, weg von der Kommission hin zu Deutschland und Frankreich und damit hin zum EU-Rat als führende Kraft, sagte Romano Prodi, der ehemalige Präsident der EU-Kommission, in einem Interview mit dem EUObserver. Bevor er 2004 seinen Posten als niederlegte, sei die Kommission der „europäische Motor gewesen“. Während seiner Zeit als EU-Kommissionspräsident begleitete er unter anderem die Einführung des Euros und die Erweiterung der EU um acht Länder aus dem ehemaligen Ostblock.
Doch trotzdem Brüssel infolge der Krise immer mehr Kompetenzen auf sich gezogen hat, würden gerade die EU-Mitgliedsstaaten mittlerweile überwiegend die Geschehnisse in der EU bestimmen, beklagt Prodi. Die Macht des EU-Rates, das Gremium der Staats- und Regierungschefs, habe sich ausgeweitet, während die EU-Kommission immer mehr an Bedeutung verliere. „Die Stimme der Kommission ist sehr, sehr schwach“, so Prodi. Derzeit bestehe nur Interesse an einem Sachverhalt, wenn Merkel oder Hollande zusammentreffen. „Van Rompuy, der wirklich unbekannt war, wird Schritt für Schritt die Mitte Europas.“ Und während die Kommission von immer weniger politischer Bedeutung sei, würden die nationalen Politiker immer egoistischer.
Wie stark in der EU selbst um die jeweiligen Machtverhältnisse und Eigeninteressen gekämpft wird, zeigt sich auch beim vorerst beschlossenen EU-Budget. Jeder Staats- bzw. Regierungschef versuchte, als Sieger der Verhandlungen hervorzugehen (hier). Und auch das EU-Parlament ist erpicht darauf, seine neue Möglichkeit, über das Budget mitzubestimmen, auch auszuüben. EU-Parlamentspräsident Schulz hatte schon vor dem EU-Gipfel mit einem Veto des Parlaments gedroht und verfolgt dies auch weiterhin. In einem Artikel in der FT betont er noch einmal, als Präsident des EU-Parlaments, „kann und werde ich wahrscheinlich auch nichts akzeptieren, was auf Kosten des Haushaltsdefizits geht“. Das Parlament müsse immer zuerst die Interessen der EU-Bürger verfolgen. Letztendlich, so Schulz, ist die bisherige Übereinkunft über das EU-Budget nur etwas mehr als die Summe „nationaler Süßigkeiten“ für die Mitgliedsstaaten. Ein Budget, das sich auf das breitere europäische Interesse fokussiere, ist es jedoch nicht, schreibt Schulz.
„Es ist nicht mehr die gleiche Leidenschaft für Europa“, sagt auch Prodi. Es gebe eine ganz andere Vision, kritisiert er. „Frau Merkel kommt aus dem Osten Deutschlands und nicht vom Rhein.“ Nichtsdestotrotz hoffe er noch immer, dass es eines Tages einen EU-Kommissions-Präsidenten geben wird, der direkt von den EU-Bürgern gewählt wird, so Prodi. „Am Ende muss es so sein, aber ich sehe es nicht bald kommen“. Hierfür müsse man aber erst an den Punkt kommen, an dem die wichtigsten Staats-und Regierungschefs sagen, es ist in unserem Interesse, eine starke neue Führung zur Stärkung der EU in der Welt zu haben. „Die Notwendigkeit, die Außenpolitik zu globalisieren, werde diese Entwicklung vorantreiben“, ergänzt Prodi. „Aber ich sehe noch nicht, dass dies morgen geschieht.“
Doch auch während Prodis Zeit als EU-Kommissionspräsident waren Deutschland und Frankreich nicht ohne großen Einfluss in der EU und auch nicht immer weniger fokussiert auf die eigenen nationalen Interessen. Immerhin konnte ausgerechnet Deutschland, das die Einführung des Stabilitätspaktes stark vorangetrieben hatte, genau diesen selbst nicht einhalten. Als erstes Land gelang es Deutschland nicht, die Schuldenobergrenze von unter 60 und ein Haushaltsdefizit von weniger als 3 Prozent des BIPs zu erreichen. Als Prodi versuchte, Deutschland zum Einhalten des Stabilitätspaktes zu bewegen, kam von deutscher Seite nur die Reaktion: „Halt den Mund, wir sind die Herren darüber“, erinnert sich Prodi.
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