Politik

Machtkampf in Brüssel: Prodi attackiert Barroso wegen Führungsschwäche

In der EU streitet das Führungspersonal mitten in der Krise über die Frage, wer der Mächtigste ist: EU-Gründer Romano Prodi beklagt, dass Van Rompuy die erste Geige spielt. Barroso sei zu schwach und lasse zu viele Entscheidungen in Berlin und Paris zu. Martin Schulz ist gegen Rompuy und Barroso und will beiden das Budget verweigern.
18.02.2013 15:09
Lesezeit: 2 min

Aktuell:

Berlin: Lehrerstreik als Auftakt zu bundesweiten Protesten

Im neuen Europa habe sich der Fokus komplett verändert, weg von der Kommission hin zu Deutschland und Frankreich und damit hin zum EU-Rat als führende Kraft, sagte Romano Prodi, der ehemalige Präsident der EU-Kommission, in einem Interview mit dem EUObserver. Bevor er 2004 seinen Posten als niederlegte, sei die Kommission der „europäische Motor gewesen“. Während seiner Zeit als EU-Kommissionspräsident begleitete er unter anderem die Einführung des Euros und die Erweiterung der EU um acht Länder aus dem ehemaligen Ostblock.

Doch trotzdem Brüssel infolge der Krise immer mehr Kompetenzen auf sich gezogen hat, würden gerade die EU-Mitgliedsstaaten mittlerweile überwiegend die Geschehnisse in der EU bestimmen, beklagt Prodi. Die Macht des EU-Rates, das Gremium der Staats- und Regierungschefs, habe sich ausgeweitet, während die EU-Kommission immer mehr an Bedeutung verliere. „Die Stimme der Kommission ist sehr, sehr schwach“, so Prodi. Derzeit bestehe nur Interesse an einem Sachverhalt, wenn Merkel oder Hollande zusammentreffen. „Van Rompuy, der wirklich unbekannt war, wird Schritt für Schritt die Mitte Europas.“ Und während die Kommission von immer weniger politischer Bedeutung sei, würden die nationalen Politiker immer egoistischer.

Wie stark in der EU selbst um die jeweiligen Machtverhältnisse und Eigeninteressen gekämpft wird, zeigt sich auch beim vorerst beschlossenen EU-Budget. Jeder Staats- bzw. Regierungschef versuchte, als Sieger der Verhandlungen hervorzugehen (hier). Und auch das EU-Parlament ist erpicht darauf, seine neue Möglichkeit, über das Budget mitzubestimmen, auch auszuüben. EU-Parlamentspräsident Schulz hatte schon vor dem EU-Gipfel mit einem Veto des Parlaments gedroht und verfolgt dies auch weiterhin. In einem Artikel in der FT betont er noch einmal, als Präsident des EU-Parlaments, „kann und werde ich wahrscheinlich auch nichts akzeptieren, was auf Kosten des Haushaltsdefizits geht“. Das Parlament müsse immer zuerst die Interessen der EU-Bürger verfolgen. Letztendlich, so Schulz, ist die bisherige Übereinkunft über das EU-Budget nur etwas mehr als die Summe „nationaler Süßigkeiten“ für die Mitgliedsstaaten. Ein Budget, das sich auf das breitere europäische Interesse fokussiere, ist es jedoch nicht, schreibt Schulz.

„Es ist nicht mehr die gleiche Leidenschaft für Europa“, sagt auch Prodi. Es gebe eine ganz andere Vision, kritisiert er. „Frau Merkel kommt aus dem Osten Deutschlands und nicht vom Rhein.“ Nichtsdestotrotz hoffe er noch immer, dass es eines Tages einen EU-Kommissions-Präsidenten geben wird, der direkt von den EU-Bürgern gewählt wird, so Prodi. „Am Ende muss es so sein, aber ich sehe es nicht bald kommen“. Hierfür müsse man aber erst an den Punkt kommen, an dem die wichtigsten Staats-und Regierungschefs sagen, es ist in unserem Interesse, eine starke neue Führung zur Stärkung der EU in der Welt zu haben. „Die Notwendigkeit, die Außenpolitik zu globalisieren, werde diese Entwicklung vorantreiben“, ergänzt Prodi. „Aber ich sehe noch nicht, dass dies morgen geschieht.“

Doch auch während Prodis Zeit als EU-Kommissionspräsident waren Deutschland und Frankreich nicht ohne großen Einfluss in der EU und auch nicht immer weniger fokussiert auf die eigenen nationalen Interessen. Immerhin konnte ausgerechnet Deutschland, das die Einführung des Stabilitätspaktes stark vorangetrieben hatte, genau diesen selbst nicht einhalten. Als erstes Land gelang es Deutschland nicht, die Schuldenobergrenze von unter 60 und ein Haushaltsdefizit von weniger als 3 Prozent des BIPs zu erreichen. Als Prodi versuchte, Deutschland zum Einhalten des Stabilitätspaktes zu bewegen, kam von deutscher Seite nur die Reaktion: „Halt den Mund, wir sind die Herren darüber“, erinnert sich Prodi.

Weitere Themen

Italien: Banken sind fest in der Hand der politischen Parteien

Teure Energiewende: Preis für Heizöl auf Rekordhöhe

Schrecksekunde für die City: EU einigt sich auf Bonus-Grenzen für Banker

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

DWN
Politik
Politik Ehegattennachzug stagniert: Rechtliche Hürden beim Sprachnachweis
07.06.2025

Die Zahl der Visa für den Ehegattennachzug nach Deutschland ist rückläufig. Gleichzeitig bestehen weiterhin sprachliche und rechtliche...

DWN
Panorama
Panorama Ausweis, Ticket & Co.: Was Sie vor einem Urlaubsflug beachten sollten
07.06.2025

Check-in, Sicherheitscheck und Sprint zum Gate: Der Start in den Urlaubsflug kann am Flughafen schnell im Stress enden. Das lässt sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wertvollster Fußballer der Welt: Lamine Yamal knackt 400-Millionen-Marke
07.06.2025

Ein 17-Jähriger dominiert den globalen Fußballmarkt: Lamine Yamal ist mehr wert als ganze Bundesligateams – und verkörpert die extreme...

DWN
Politik
Politik Der Weltraum als nächstes Schlachtfeld – Europas Sicherheit steht auf dem Spiel
07.06.2025

Der Orbit wird zur neuen Frontlinie geopolitischer Machtspiele. Wie private Satelliten, militärische Strategien und neue Allianzen die...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Verteidigung der Zukunft: Hensoldt rüstet Europa mit Hightech auf
06.06.2025

Kaum ein Rüstungsunternehmen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren so grundlegend gewandelt wie Hensoldt. Aus einer ehemaligen...

DWN
Politik
Politik Trump gegen Europa: Ein ideologischer Feldzug beginnt
06.06.2025

Donald Trump hat Europa zum ideologischen Feind erklärt – und arbeitet systematisch daran, den Kontinent nach seinen Vorstellungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die wertvollsten Marken der Welt: Top 5 fest in US-Hand
06.06.2025

Während die Weltwirtschaft stagniert, explodieren die Markenwerte amerikanischer Konzerne. Apple regiert unangefochten – China und...