Politik

Wegen Protesten: Auto-Gipfel muss Tagungsort verlegen

Wegen Protesten: Auto-Gipfel zwischen Bundesregierung und Autobauern muss Tagungsort verlegen.
02.08.2017 13:49
Lesezeit: 2 min

Mit hohen Erwartungen an die Autokonzerne zu deutlich weniger Schadstoffausstoß bei Millionen Fahrzeugen hat am Mittwoch der Auto-Gipfel in Berlin begonnen, berichtet Reuters. Vertreter von Bundesregierung, mehreren Ländern und der Autobranche kamen zu dem Treffen zusammen, das kurzfristig vom Bundesverkehrsministerium in das nahe Innenministerium verlegt wurde - laut Teilnehmerkreisen aus Sicherheitsgründen. Angestrebt werden unter anderem Software-Updates für Autos der Emissionsklassen Euro 5 und 6, die komplett von den Herstellern bezahlt werden sollen. Mögliche weitergehende technische Abgas-Umrüstungen direkt an Motorbauteilen waren zunächst fraglich.

Vor dem Verkehrsministerium, das dicht an einer viel befahrenen Straße liegt, gab es seit dem Morgen Protestaktionen. Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace entrollten vom Dach des Gebäudes ein großes Transparent mit der Aufschrift "Willkommen in Fort NOx" - in Anspielung auf einen zu hohen Ausstoß von Stickoxiden aus Dieselautos. Der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, warf Politik und Branche Kungelei und mangelnde Transparenz vor. Die Verlegung des Tagungsorts passe ins Bild, "Politik in dunklen Hinterzimmern zu machen", sagte er im TV-Sender Phoenix. Dies sei auch "Feigheit" gegenüber Kritik in der Gesellschaft.

Der Dieselantrieb verursacht zwar mehr Stickoxide als Benziner, dafür ist der Ausstoß des ebenfalls schädlichen Kohlenstoffdioxid deutlich geringer - ein Umstand, der in der medialen Betrachtung derzeit häufig ausgeblendet wird.

Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet warnt deshalb vor einer Gefährdung der Branche. Dass die Hersteller dafür aufkommen müssten, dass ihre Fahrzeuge die zugesagten Schadstoff-Grenzwerte einhielten, sei ein erreichbares Ergebnis und eine Selbstverständlichkeit, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch im ZDF kurz vor dem Berliner Auto-Gipfel. Jeder wisse, dass das sonst gerichtlich erzwungen werde. Das Problem sei aber viel umfassender. Das Treffen von Politik und Konzernen müsse daher auch das Signal senden: „Wir wollen den Diesel retten“. Denn der Diesel sei bei technologisch neuestem Stand „das CO2-freundlichste Fahrzeug unter Verbrennungsautos“.

Unmittelbar vor dem Treffen forderte die Politik mehr Bewegung bei den Herstellern. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verlangte von den deutschen Autobauern eine selbst zu finanzierende Umtauschprämie. "Um Fahrverbote zu verhindern, müssen wir möglichst viele alte Diesel von den Straßen bekommen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Unter Verboten würden vor allem Pendler und kleine Handwerker leiden, die sich nicht alle paar Jahre ein neues Auto leisten könnten.

Die Grünen mahnten verpflichtende Rückrufe an. "Freiwillige Zusagen reichen nach diesen Skandalen, nach diesem immensen Glaubwürdigkeitsverlust der Automobilindustrie, nicht mehr aus", sagte Parteichef Cem Özdemir. Sollten Umrüstungen Funktionen von Autos einschränken, müssten Besitzer entschädigt werden. Wenn bei älteren Autos Software-Updates nicht reichten und Nachbesserungen an Bauteilen unmöglich seien, "dann muss das Fahrzeug ersetzt werden."

Beschlossen werden sollte bei dem Auto-Gipfel auch ein Fonds für weniger Schadstoffe im Stadtverkehr. Die Rede war zuvor von 500 Millionen Euro, an denen sich auch die Autobranche beteiligen sollte. Zusätzlich will die Politik Förderprogramme etwa für den Rad- und Schienenverkehr erweitern. Die Kommunen fordern unter anderem Hilfen für die Nachbesserung bei Bussen.

Zum Gipfel eingeladen waren die Chefs von Volkswagen, Porsche, Audi, Daimler, BMW sowie von Opel und Ford in Deutschland. Teilnehmen sollten zudem die Ministerpräsidenten der "Autoländer" Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie die Stadtstaaten Hamburg und Berlin. Diese sind stark von hohem Ausstoß von Stickoxiden (NOx) betroffen.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als Mit-Gastgeber sagte der "Passauer Neuen Presse" vor dem Treffen, Ziel sei es, Ökologie und Mobilität näher zusammen zu bringen. "Dazu muss die Industrie die Umrüstung von Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen umsetzen." Zudem erwarte er ein "akzeptables Angebot" der Branche für eine Reduzierung der Schadstoffbelastung in Städten. Dobrindt und Umweltministerium Barbara Hendricks (SPD) informierten zuvor auch das Bundeskabinett. Dazu habe es aber "keine Beschlussfassung" gegeben, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer.

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