Deutschland

Verwaltungsrichter klagen über Überlastung wegen Asyl-Klagen

Der Bund deutscher Verwaltungsrichter übt scharfe Kritik. Die anhängigen Asylklagen ließen sich kaum mehr bewältigen, es herrsche akuter Personalmangel.
10.08.2017 11:30
Lesezeit: 1 min

Angesichts der großen Zahl von Asylfällen hat der Bund Deutscher Verwaltungsrichter erneut vor einer Überlastung der Gerichte gewarnt, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. „Die Lage der Verwaltungsgerichte, vor allem die der erstinstanzlichen, kann man nur als dramatisch bezeichnen“, sagte der Verbandsvorsitzende Robert Seegmüller der Welt.

Durch die hohe Zahl der neu eingegangenen Fälle würden die Verwaltungsgerichte in einem kaum noch zu bewältigenden Maße belastet. „Damit stoßen wir komplett an unsere Grenzen“, sagte er. „Es fehlt Personal, es fehlen Räume.“

Um die Situation deutlich zu verbessern, brauche es vor allem mehr Personal. „Es gelingt uns immer schwerer, geeignete Bewerber für die freien Stellen zu finden“, sagte Seegmüller. Verantwortung dafür trage auch die Politik, die den Beruf in den vergangenen Jahren finanziell unattraktiv gemacht habe. Seegmüller forderte großzügig bemessene Personalreserven in der Justiz, damit plötzliche Spitzen bei den eingehenden Fällen in Zukunft besser bewältigt werden können.

Die Gerichtskosten, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bezahlen muss, werden sich nach Medieninformationen in diesem Jahr nahezu verdoppeln, berichtet die dpa. Einem Bericht der Wirtschaftswoche zufolge fielen im vergangenen Jahr 11,3 Millionen Euro Gerichtskosten an. Für dieses Jahr seien rund 20 Millionen Euro eingeplant, sagte eine Sprecherin der Behörde dem Blatt. 7,3 Millionen Euro habe das BAMF in diesem Jahr für Gerichtskosten bei Niederlagen in erstinstanzlichen Verfahren ausgegeben. Aktuell seien rund 250.000 Asylfälle vor Verwaltungsgerichten anhängig.

Die 64 Prozess-Sachbearbeiter der Behörde seien damit völlig überfordert, schreibt die Zeitung. Rechtsanwälte und Verwaltungsrichter berichteten, das BAMF stelle bei Prozessen oft trotz mehrfacher Aufforderung keine Akten zu, sei in der ersten Instanz nicht vertreten, erstatte Prozesskosten nicht rechtzeitig. Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) äußerte ähnliche Kritik: „Diese Nicht-Mitwirkung verzögert die Verfahren erheblich.“

Das Bundesamt wies die Vorwürfe zurück: Für Anfragen der Gerichte sei extra eine Hotline eingerichtet worden. Die Akten könnten inzwischen elektronisch von und zu den Gerichten geschickt werden und Beschlüsse könnten Gerichte auch ohne anwesende BAMF-Vertreter fassen.

Im vergangenen Jahr hatte das BAMF fast 700.000 Asylentscheidungen getroffen; bis Ende Juni 2017 waren es mehr als 400.000. Damit habe auch die Zahl der Klagen zugenommen – bei etwa vergleichbaren Klagequoten. Bei ablehnenden Bescheiden liegt die Klagequote in diesem Jahr bisher bei 47,3 Prozent (2016: 43,2 Prozent).

Vor einigen Tagen hatten sich Vertreter von Polizei und Justiz mit einer vernichtenden Kritik über den akuten Personalmangel an die Öffentlichkeit gewandt. Die öffentliche Sicherheit könne nur noch mit Abstrichen gewährleistet werden. Wegen akutem Personalmangel würden inzwischen immer mehr Verfahren gegen dringen Tatverdächtige eingestellt. Einbrüche könne der Staat nur noch verwalten.

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