Estland könnte das erste Land der Welt sein, das eine eigene Kryptowährung herausgibt. Dieser Vorschlag kommt unter anderem von Kaspar Korjus, dem Geschäftsführer der sogenannten e-Residency. Dieses staatliche Programm vergibt an Ausländer digitale Identitäten, mit denen sie online in Estland Unternehmen gründen und verwalten können.
Nach Vorstellungen von Kaspar Korjus könnten die Estcoins von der Republik Estland verwaltet werden, schreibt er in einem Artikel für Medium. Neben Esten sollten auch e-Residenten in aller Welt Zugang zu den Estcoins erhalten, die mithilfe eines Initial Coin Offering (ICO) eingeführt, also etwa für Bitcoin oder Ether über das Internet verkauft werden sollen.
Auch mehrere andere Länder arbeiten an der Einführung einer eigenen Kryptowährung. China etwa hat bereits einen Prototyp entwickelt, der eines Tages zur Anwendung kommen könnte. Auch Russland arbeitet an einer eigenen Kryptowährung. Laut Vize-Zentralbank-Chefin Olga Skorobogatova könnte man dafür die Ethereum-Technologie verwenden.
Doch gegenüber China und Russland hat Estland einen „klaren Vorteil auf diesem Gebiet“, sagt Kaspar Korjus, nämlich seine fortgeschrittene digitale Infrastruktur und das e-Residency-Programm. Die anderen Länder hätten bei weitem nicht die Technologie und den rechtlichen Rahmen, um eine eigene Kryptowährung einzuführen und zu verwalten.
Estland hat nur 1,3 Millionen Staatbürger, und derzeit melden sich mehr Ausländer für das e-Residency-Programm an als Esten zur Welt kommen. Den e-Residenten geht es weniger darum, Steuerflucht zu betreiben, als vielmehr darum, mit möglichst wenig Bürokratie ein weltweit tätiges Unternehmen gründen und über das Internet verwalten zu können.
Das e-Residency-Programm startete vor knapp drei Jahren. Inzwischen haben sich mehr als 22.000 Personen aus 138 Staaten angemeldet. Da diese Personen schon eine hohe Affinität zum Internet und zu neuen Entwicklungen bewiesen haben, gibt es unter ihnen sicherlich auch großes Interesse an der Blockchain-Technologie und an Kryptowährungen.
Kaspar Korjus glaubt, dass die Regierungen langfristig keine andere Wahl haben werden und Kryptowährungen akzeptieren müssen. Die digitalen Identitäten, die von e-Residenten und estländischen Bürgern verwendet werden, seien „der ideale Mechanismus, um Kryptowährungen in einer vertrauenswürdigen und transparenten Umgebung sicher zu handeln“.
Nach den Plänen von Kaspar Korjus sollen die Estcoins den e-Residenten in aller Welt die Möglichkeit eröffnen, in einen Estland-Fonds zu investieren. Dabei sei aber wichtig, dass die Estcoin-Investoren nur dann Gewinne machen, wenn auch Estland Gewinne macht. Ein gutes Vorbild dafür sei der norwegische Pensionsfonds, der beeindruckende Wachstumsraten erwirtschafte.
„Ein von der Regierung unterstütztes ICO würde mehr Menschen eine größere Beteiligung an der Zukunft unseres Landes ermöglichen und nicht nur Investitionen bereitstellen, sondern auch mehr Expertise und Ideen, um uns zu helfen, exponentiell zu wachsen.“
Auch Ethereum Gründer Vitalik Buterin hat offenbar ein großes Interesse an der Entwicklung in Estland. Zu dem Vorschlag, Estcoins einzuführen, hat er offenbar schon wertvolle Hinweise gegeben. Laut Buterin könnten Estcoins Investoren auf eine Weise anlocken, wie es bestehende Mittel zur Staatsfinanzierung nicht könnten.
„Ein ICO innerhalb des e-Residency-Systems würde eine starke gemeinsame Ausrichtung von e-Residenten und diesem Fonds schaffen, und über den ökonomischen Aspekt hinaus würden sich die e-Residenten mehr als eine Gemeinschaft fühlen, weil es mehr Dinge gibt, die sie zusammen erreichen können“, sagte Vitalik Buterin.
Nach Ansicht des in Russland geborenen Ethereum-Gründers könnten die Estcoins mithilfe der Blockchain-Technologie ausgegeben werden. Dadurch würde es einfacher und praktischer werden, sie innerhalb von Smart-Contracts und anderen Anwendungen zu verwenden.
Die mithilfe der Estcoins eingesammelten Gelder könnten nach Ansicht von Kaspar Korjus durch eine öffentlich-private Partnerschaft verwaltet werden. Sie sollten nur dafür eingesetzt werden, die digitale Nation voranzubringen. Dadurch könnte Estland in neue Technologien investieren und in Innovationen für den öffentlichen Sektor, von Smart-Contracts bis zu künstlicher Intelligenz.
Doch langfristig sollen die Estcoins nicht nur eine neue Form der Finanzierung zum Wohle Estlands sein. Die langfristigen Möglichkeiten sind nach Ansicht von Kaspar Korjus viel größer. „Mit der Zeit könnten Estcoins auch als Zahlungsmittel für öffentliche und private Dienstleistungen akzeptiert werden und letztlich als eine global verwendete Währung dienen.“