Finanzen

Bundesregierung blockiert Zollunion mit Türkei

Die Bundesregierung blockiert eine Ausweitung der EU-Zollunion mit der Türkei.
29.08.2017 17:02
Lesezeit: 2 min

Deutschland blockiert bis auf weiteres Gespräche der EU mit der Türkei über eine Ausweitung der Zollunion, berichtet Reuters. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Dienstag in ihrer Sommerpressekonferenz in Berlin: „Ein Mandat zur Erweiterung der Zollunion sehe ich unter den gegenwärtigen Umständen nicht.“ Die rechtsstaatliche Entwicklung in der Türkei gehe in die falsche Richtung, sagte die CDU-Chefin, die erneut die Freilassung inhaftierter Deutscher forderte. Eine Modernisierung der seit 20 Jahren bestehenden Zollunion hätte der Türkei neue Chancen etwa bei Agrarexporten oder der öffentlichen Auftragsvergabe verschafft.

Ein Mandat zur Fortentwicklung der Zollunion müssten die EU- Staaten der EU-Kommission einstimmig geben. Das deutsche Nein kommt also einem Veto gleich. „Wir sehen nicht als Bundesregierung, dass wir in den nächsten Monaten ein Mandat erteilen könnten, um über die Zollunion zu sprechen“, sagte Merkel. Dies werde sie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch am Mittwoch bei dessen Besuch in Berlin sagen.

Die EU ist der größte Handelspartner der Türkei. Einer früheren Studie des Ifo-Instituts zufolge könnte eine erweiterte Zollunion zu einem Anstieg der türkischen Wirtschaftsleistung um 1,84 Prozent führen. Agrarexporte in die EU könnten um 95 und Exporte von Dienstleistungen sogar um 430 Prozent steigen. Die EU-Kommission hatte Ende 2016 geschätzt, dass das Land durch eine Vertiefung der Zollunion mehr Waren im Wert von fünf Milliarden Euro in die Staatengemeinschaft exportieren könnte.

In türkischen Gefängnissen sind unter anderem der Welt-Korrespondent Deniz Yücel und der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner inhaftiert. „Ich würde sehr gerne bessere Beziehungen zur Türkei haben, aber wir müssen natürlich die Realität betrachten“, sagte Merkel. Wegen der ungerechtfertigten Inhaftierungen habe sich die Bundesregierung aber zu einer Neuorientierung ihrer Türkei-Politik entschlossen. Die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien sei dort momentan nicht gewährleistet: „Unsere Forderung heißt ganz eindeutig, dass Menschen, die da inhaftiert sind, freigelassen werden.“ Die derzeitige Situation habe „leider auch Auswirkungen auf unsere wirtschaftlichen Beziehungen“, sagte die Kanzlerin.

Zugleich wies Merkel Vorwürfe türkischer Politiker zurück, die EU erfülle nicht ihre Zusagen im Flüchtlingsabkommen, das die Türkei zur besseren Absicherung ihrer Grenzen verpflichtet. Ein Großteil der von der EU im Gegenzug zugesagten drei Milliarden Euro sei an Projekte gebunden, sagte sie. Davon seien aber nicht alle fertig. Die EU stehe zu ihrer Zusage, wenn das Geld verbraucht sei, die gleiche Summe erneut bereitzustellen.

Zur Visa-Freiheit für Türken in der EU sagte Merkel, Teile der Verabredungen darüber seien von der Türkei nicht umgesetzt worden, insbesondere die Reform der Terrorgesetzgebung. Seit einem Putschversuch vor gut einem Jahr gehen die türkischen Behörden massiv gegen Medienvertreter, Oppositionelle und mutmaßliche Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen vor, denen sie Unterstützung von Terrorismus vorwerfen.

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