Nach der Festnahme zwei weiterer Deutscher in der Türkei hat Kanzlerin Angela Merkel eine erneute Verschärfung ihrer Türkei-Politik angedeutet. Die Regierung habe ihre Politik bereits neu aufgestellt, sagte Merkel am Freitag in Nürnberg. "Angesichts der Ereignisse am heutigen Tage müssen wir sie vielleicht auch weiter überdenken." SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schlug eine Verschärfung der Reisehinweise für das Land vor, für das der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. Auch CSU-Chef Horst Seehofer forderte deutliche Signale. Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als "Geiselnehmer".
Hintergrund ist die Festnahme zweier Bundesbürger in Antalya. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befinden sich damit 55 deutsche Staatsangehörige in der Türkei in Haft, davon zwölf aus politischen Gründen. Darunter seien auch die beiden zuletzt Festgenommenen. Die Türkei hat seit dem gescheiterten Putsch von 2016 zehntausende Menschen unter dem Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung inhaftiert.
"Für mich kommen weiter Verhandlungen über eine Erweiterung der Zollunion unter diesen Umständen nicht infrage", sagte Merkel. Im Zusammenhang mit dem 200. Tag der Haft des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel betonte sie zudem: "Das hat mit unseren Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun."
Schulz verwies auf frühere Hinweise des Auswärtigen Amtes für deutsche Türkeireisende. "Das waren noch keine Reisewarnungen, aber Hinweise", sagte Schulz. "Und ich glaube, dass man auch darüber nachdenken muss, (...) wie weit man da gehen kann." Es müsse auch über eine Aussetzung der Zollunionsverhandlungen und über einen Stopp der Vor-Beitrittshilfen für die Türkei nachgedacht werden.
Seehofer sagte den "Nürnberger Nachrichten": "Jetzt reicht's." Die Beitrittsverhandlungen und die Finanzhilfen müssten gestoppt werden. Özdemir kritisierte in der "Bild", man könne niemandem mehr mit gutem Gewissen sagen, dass man die Türkei sicher sei. "Erdogan ist kein Präsident, sondern ein Geiselnehmer. Er tritt die Würde seines Amtes mit Füßen."
Merkel hatte bereits am Dienstag erklärt, sie sehe keine Möglichkeit, den Auftrag zur Erweiterung der Zollunion zu erteilen. Die EU-Kommission hat zwar um ein Mandat zur Erweiterung der Zollunion gebeten. Die Mitgliedsländer, die einstimmig entscheiden müssen, haben dies aber nicht getan.