Finanzen

China leitet Abkehr vom US-Dollar im Erdöl-Handel ein

Lesezeit: 3 min
06.09.2017 17:03
China bereitet neue Wertpapiere vor, um seinen Erdöl-Handel vom US-Dollar abzukoppeln.
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Die chinesische Regierung bereitet die Einführung neuartiger Wertpapiere vor, um den Handel mit Erdöl vom US-Dollar abzukoppeln und auf die Landeswährung Yuan umzustellen, berichtet Nikkei Asian Review. Zudem werden Anleger die in der Landeswährung Yuan gehandelten neuen Terminkontrakte an den Goldbörsen in Schanghai und Hongkong in physisches Gold eintauschen können. Das Vorhaben wird von Beobachtern als fundamentale Neuordnung der bisher bestehenden Strukturen im Erdöl-Handel sowie als schwerer Schlag gegen den US-Dollar und als gleichzeitige Aufwertung des Yuan und von Gold eingestuft.

Bei Terminkontrakten handelt es sich um Papiere eines Termingeschäfts. Dabei schließen zwei Parteien eine Vereinbarung über die Lieferung einer bestimmten Menge Rohöl zu einem genau festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft.

Weil die Volksrepublik China mit täglich etwa 7,6 Millionen Barrel Öl (ein Barrel entspricht 159 Litern) der weltgrößte Importeur von Rohöl ist, könnte die Einführung der neuen, auf Yuan lautenden, Terminkontrakte zur Bildung eines neuen Richtwertes für den Rohölpreis in Asien führen. Bislang orientierte sich die Preisgestaltung weltweit hauptsächlich an den Sorten Brent und WTI (West Texas Intermediate), welche in US-Dollar gehandelt werden. „Die Regeln des globalen Ölgeschäfts könnten bald komplett neu geschrieben werden“, wird Luke Gromen von der amerikanischen Analysefirma FFTT von Nikkei Asian Review zitiert.

Die Bewertung des Ölpreises in US-Dollar hat eine enorm wichtige Funktion für die Rolle des Dollar als weltweit akzeptierte Leitwährung. Denn solange der wichtigste Rohstoff der Weltwirtschaft in Dollar gehandelt wird, besteht eine permanente Nachfrage nach der US-Währung von Staaten, die Erdöl kaufen wollen. Dieses auch als Petrodollar-System bezeichnete System geht wahrscheinlich auf geheime Absprachen der US-Regierung mit der saudi-arabischen Führung zurück, die Anfang der 1970er Jahre getroffen wurden. Während die Saudis ihr Erdöl seitdem nur in US-Dollar verkaufen, hätten die USA dem Königshaus im Gegenzug militärische Unterstützung zugesichert, sagen Beobachter. Diese militärische Unterstützung wurde erst vor wenigen Monaten durch den Abschluss eines Waffenhandels von enormem Umfang sichtbar. Saudi-Arabien wiederum hat in den vergangenen Jahrzehnten einen großen Teil seiner Dollar-Einnahmen aus dem Erdöl-Handel in US-amerikanische Staatsanleihen investiert und finanziert so die US-Regierung. Sollte dieses System in Schieflage geraten, hätte dies wahrscheinlich weitreichende Konsequenzen für die Macht der US-Regierung in der Welt.

Offenbar bereitet sich der große Rohstoffhandelsplatz in Schanghai – die Shanghai International Energy Exchange – seit etwa Juni auf den Handel mit den neuen Terminkontrakten vor und schult ihre Mitarbeiter entsprechend.

Die Regierung in Peking versucht seit einiger Zeit, sich vom US-Dollar zu emanzipieren und den Yuan zu einer global akzeptierten Handelswährung aufzubauen. Erste Fortschritte in dieser Richtung wurden bereits am Goldmarkt erzielt: Seit April 2016 werden an der Shanghai Gold Exchange in Yuan notierte Terminkontrakte für Gold gehandelt. Angaben von Nikkei Asian Review zufolge sollen die Wertpapiere Ende des laufenden Jahres auch in Budapest angeboten werden. Im Juli wurden auf Yuan lautende Terminkontrakte zudem an der Hongkonger Börse aufgelegt, wo ohnehin an einer erweiterten Gold-Infrastruktur gearbeitet wird.

Die Eintauschbarkeit der Wertpapiere in physisches Gold könnte ein wichtiger Anreiz für risikoscheue Anleger sein. „Es handelt sich um einen Mechanismus, der denjenigen Ölproduzenten gefallen dürfte, die keine Dollar benutzen und die auch nicht in Yuan bezahlt werden wollen“, wird Alasdair Macleod vom auf Gold spezialisierten Finanzdienstleister Goldmoney zitiert.

Auf Yuan lautende Terminkontrakte im Gold- und Ölmarkt kommen darüber hinaus für all jene Staaten in Betracht, die sich gegen mögliche Sanktionen aus den USA absichern wollen. Staaten wie Russland, der Iran, Venezuela und Katar und andere wären weniger anfällig für den Gebrauch der Vormachtstellung des Dollar als „weiches Machtinstrument“ durch die US-Regierung, sagt Louis-Vincent Gave vom Hongkonger Analyseunternehmen Gavekal Research. „Indem Goldkontrakte in Yuan aufgelegt werden, kann Russland beispielsweise Öl gegen Yuan nach China verkaufen und dann mit den Einkünften Gold in Hongkong kaufen. Russland muss dann keine chinesischen Produkte mehr kaufen oder seine Einnahmen in Dollar eintauschen, um physisches Gold zu erstehen.“

Grant Williams von der Singapurer Unternehmensberatung Vulpes Investment Management erwartet, dass viele Ölproduzenten ihre Einnahmen gerne in Gold eintauschen werden. „Es ist eine Umwandlung ihrer Vermögen von einer schwarzen Flüssigkeit in ein gelbes Edelmetall. Bei dem Umtausch von Öl in Gold handelt es sich um ein strategisches Manöver, weil das Öl nicht mehr in US-Dollar eingetauscht werden muss, die aus dem Nichts erschaffen werden können.“


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