Politik

Merkel drängt Ungarn zur Aufnahme von Flüchtlingen

Bundeskanzlerin Merkel wirft dem ungarischen Ministerpräsidenten Orbán vor, sich nicht an das Recht halten zu wollen. Doch Orbán hatte zuvor ausdrücklich gesagt, er werde den EuGH-Spruch zu den Flüchtlingen akzeptieren.
12.09.2017 01:13
Lesezeit: 2 min

Bundeskanzlerin Angela Merkel will laut Reuters "die Weigerung Ungarns nicht hinnehmen, auch nach einem EuGH-Urteil keine Flüchtlinge aufzunehmen". Merkel sagte in einem Interview mit der Berliner Zeitung: "Dass eine Regierung sagt, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) interessiere sie nicht, das ist nicht zu akzeptieren...Das heißt, dass eine sehr grundsätzliche Frage Europas berührt ist, denn Europa ist für mich ein Raum des Rechts. Wir werden beim Europäischen Rat im Oktober darüber reden müssen."

Merkels Aussage ist bemerkenswert, denn Orbán hatte seine Position schon unmittelbar nach seiner ersten Reaktion relativiert. Florian Eder von Politico schreibt in seinem Newsletter von Montagfrüh:

"Die ungarische Reaktion auf das EuGH-Urteil war zunächst harsch und im Ton ganz daneben (“Vergewaltigung des Rechts”), aber wir haben von keinem Regierungspolitiker gehört oder gelesen, dass Premierminister Viktor Orbán vorhabe, den Richterspruch zu ignorieren (anders als die Süddeutsche). Orbán selbst machte am Wochenende deutlich, dass er diese eine rote Linie nicht überschreiten werde.

Ungarn werde sich an Urteile des höchsten Gerichts halten, wie man das so macht in einer Rechtsgemeinschaft. „Ungarn ist ein Mitglied der EU, die Verträge müssen respektiert werden und die Urteile des EuGH beachtet“, sagte er in einem Radiointerview, auch wenn man damit unglücklich sei. So hat es die EU-Vertretung in Budapest gehört und nach Brüssel weitergeleitet."

Vergangenen Mittwoch hatte der EuGH die Klage von Ungarn und der Slowakei gegen die EU-Quotenregel abgewiesen, nach der jedes Land eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen muss. Orbán hatte in nach dem Urteil gesagt, dass Ungarn keine Flüchtlinge aufnehmen wolle, weil sich die Lage seit der Klage Ungarns geändert habe. 

Ihren grundsätzlichen Kurs in der EU-Flüchtlingspolitik sieht Merkel durch die Verweigerung einiger osteuropäischer Staaten nicht gefährdet: "Es ist ein offensichtlich sehr dickes Brett, das da zu bohren ist", sagte sie dem Blatt. "Bei der solidarischen Verteilung von Flüchtlingen in Europa sind es von derzeit 28 Mitgliedstaaten nur drei bis vier Staaten, die das rigoros ablehnen", sagte die CDU-Chefin: "Alle anderen haben sich bereiterklärt, ihren Anteil zu tragen, und nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist selbst beim slowakischen Ministerpräsidenten Bewegung zu erkennen."

Im weiter schwelenden Konflikt zwischen CDU und CSU um eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland hat Merkel eine Garantie ausgesprochen: In der ARD-"Wahlarena" wandte sie sich am Montagabend klar gegen die von der CSU geforderte Obergrenze. "Ich möchte sie nicht. Ich halte sie auch nicht für praktikabel. Garantiert", sagte die Kanzlerin.

Zugleich rief sie aber die in Bayern lebenden Wähler dazu auf, möglichst mit beiden Stimmen die CSU zu wählen. Die Kanzlerin antwortete damit auf die Frage eines jungen Erstwählers aus Bayern: Dieser hatte Merkel in der Sendung gefragt, was er tun solle: Er wolle Merkel als Kanzlerin unterstützen, aber unter anderem wegen der Forderung nach einer Obergrenze nicht die CSU wählen.

Die CSU-Forderung, die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland auf maximal 200.000 im Jahr zu begrenzen, sorgt seit geraumer Zeit für Zwist mit der Schwesterpartei CDU. Im gemeinsamen Programm der Unionsparteien zur Bundestagswahl ist dieser Punkt daher nicht enthalten – im "Bayernplan" der CSU allerdings schon.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche fordert den Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland
09.05.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt auf einen schnellen Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland. Die Gründe dafür...

DWN
Politik
Politik Putins Parade: Moskau feiert "Tag des Sieges" – Europas Spaltung auf dem Roten Platz sichtbar
09.05.2025

Während Putin mit Pomp den „Tag des Sieges“ feiert, marschieren zwei europäische Regierungschefs an seiner Seite – trotz Warnungen...

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...