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Die US-Zentralbank Federal Reserve kann sich die Entwicklung der Inflationsraten in den USA im laufenden Jahr nicht erklären. Auf einer Veranstaltung gab die scheidende Fed-Chefin Janet Yellen am Dienstag zu, dass sie die vergleichsweise niedrigen Teuerungsraten nicht verstehe, berichtet die Financial Times. Zugleich könne sie die Treiber der Inflations-Entwicklung in den drei vorangegangenen Jahren aber leicht erklären.
Das Eingeständnis Yellens wirft grundlegende Fragen bezüglich der Geldpolitik der Notenbank auf, welche sich bei ihren Entscheidungen in der Vergangenheit maßgeblich an der Inflation und deren Ausblick orientiert hatte. Bereits im September hatte Yellen gesagt, dass die Inflationsentwicklung ein „Mysterium“ sei, dass sie nicht begründen könne.
Yellen zufolge sei die niedrige Inflation der Jahre 2014 bis 2016 leicht durch relativ hohe Arbeitslosigkeit, fallende Ölpreise und eine Aufwertung des Dollar zu erklären. „In diesen Jahren war die Inflation niedriger als uns lieb war, aber es war nicht überraschend. In diesem Jahr ist es überraschend“, wird Yellen von der FT zitiert.
Weil die offizielle Arbeitslosigkeit nun niedriger sei, die Ölpreise höher sowie der Dollar schwächer, sei die derzeit niedrige Inflation nicht zu erklären. Stattdessen versuchte Yellen, das Verharren um die Marke von etwa 1,5 Prozent mit weniger stark steigenden Ausgaben im Gesundheitsbereich und mit neuen Flatrates von Mobilfunkanbietern zu erklären.
Die Äußerungen Yellens nähren den Verdacht, dass die Zentralbank den wahren Zustand des Arbeitsmarktes nicht kennt. Tatsächlich spiegeln die offiziellen Zahlen die Lage wahrscheinlich nur unzureichend wider.
So steigt die Anzahl der arbeitslosen Amerikaner im arbeitsfähigen Alter seit Jahren an und hat im Dezember 2016 die Marke von 95 Millionen erreicht, berichtet der Fernsehsender CNBC. Die Erklärungsversuche dieser bezogen auf die Gesamtbevölkerung der USA von rund 330 Millionen Menschen extrem hohen Zahl wirken nicht überzeugend. „Die Erklärung, warum sich immer mehr Bürger aus dem Arbeitsleben verabschieden, sind vielfältig und haben etwas mit alternden und früher in Rente gehenden Arbeitern, wegen fehlender Qualifikationen dauerhaft offenen Stellen und damit zu tun, dass es viele Leute offenbar einfach angenehmer finden, Sozialhilfe und andere Transferleistungen zu kassieren anstatt zur Arbeit zu gehen“, schreibt CNBC.
Zudem orientiert sich die Fed an der offiziellen Arbeitslosenrate U3 – welche die engste Definition von Arbeitslosigkeit enthält – und welche derzeit bei deutlich unter 5 Prozent liegt. Der weiter gefassten U6-Definition des Bureau of Labor Statistics zufolge liegt die Arbeitslosigkeit bei etwa 8 Prozent. Der alternative Statistikblog shadowstats.com geht hingegen von einer „wahren“ Arbeitslosenquote von über 20 Prozent aus.
Beobachtern zufolge wirken neben der Arbeitslosigkeit noch andere strukturelle Faktoren, die die Inflation langfristig dämpfen. Dazu gehören die Alterung der Gesellschaft, die Automatisierung und die massive und wachsende Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Haushalten, die zu weniger Ausgaben und Investitionen führen. „Wir erwarten, dass die Teuerung nächstes Jahr steigt – aber es gibt möglicherweise etwas Endemisches, auf das wir achten müssen. Man muss sich einen freien Geist bewahren und darf nicht annehmen, dass man ein Monopol auf die Wahrheit besitzt“, sagte Yellen.
Geht es nach den Anleihehändlern, dürften die Inflationsraten langfristig niedrig bleiben. Der Unterschied zwischen der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen und solchen mit zwei Jahren Laufzeit verkleinert sich seit Monaten und erreicht jetzt einen so geringen Wert wie in den vergangenen 10 Jahren nicht mehr. Maßgeblich geht die Konvergenz bei den Renditen auf sinkende Renditen bei den zehnjährigen Papieren zurück. Beobachter interpretieren dies als Erwartung der Anleihemärkte, dass die Inflation langfristig niedrig bleibt.