Die EU und Großbritannien sind bei ihren Verhandlungen über den geplanten Brexit ein großes Stück weitergekommen. "Ich gehe davon aus, dass wir den Durchbruch erzielt haben, den wir brauchten", sagte EU-Präsident Jean-Claude Juncker am Freitagmorgen in Brüssel. Somit könnten die Gespräche über die nächste Phase sofort beginnen. Es soll bereits eine Einigung über die Finanzfrage geben. Hier war die EU mit 100 Milliarden Euro als Abschlagzahlung in den Poker gegangen. Die Briten wollten zunächst gar nichts zahlen, dürften nun aber bereit sein, an die 50 Milliarden zu bezahlen – allerdings unter der Bedingung, dass es sich formell nicht um eine Abschlagszahlung, sondern um die Erfüllung von eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen geht.
Unter diese Verpflichtungen könnten auch Pensionszahlungen für die britischen EU-Parlamentarier fallen. So wird der EU-Gegner Nigel Farage ab dem 63. Lebensjahr eine jährliche Rente von 83.000 Euro vom EU-Steuerzahler erhalten. Farage hatte kürzlich laut Guardian gesagt, dass er nicht daran denke, auf seine EU-Rente zu verzichten, weil seine Familie wegen des EU-Austritts "nicht leiden" solle.
Das Ziel der Briten war stets ein Freihandelsvertrag mit der EU. Ein solcher ist auch im Interesse der deutschen Wirtschaft, insbesondere der Automobilindustrie. Diese hatte zuletzt auf einen zügigen und konstruktiven Abschluss gedrungen.
In rechtlicher Hinsicht scheint sich ein Kompromiss ergeben zu haben, der das Interesse der Briten am Primat ihrer eigenen Rechtssprechung berücksichtigt: Der Europäische Gerichtshof wird laut Juncker für die in Großbritannien lebenden EU-Bürger den gesetzgeberischen Rahmen setzen – offenbar aber nicht für die Briten. Laut BBC will sich Großbritannien verpflichten, die entsprechenden Regeln in britisches Recht zu gießen. Die Rechtsprechung soll dann den britischen Gerichten obliegen. In anderen Bereichen wie etwa der Luftfahrt dürfte sich Großbritannien dem EuGH so wie andere Nicht-EU-Staaten unterwerfen. Diese Ansicht vertreten Juristen seit dem Referendum zum Austritt.
Die Vereinbarung der Verhandlungspartner über den Brexit garantiert dem irischen Außenminister Coveney zufolge, dass es keine harte Grenze zu Irland geben wird. Das Karfreitagsabgekommen sei geschützt, sagt Coveney.
Die britische Premierministerin Theresa May rechnet nun damit, dass die EU auf dem Jahresendgipfel am 14. und 15. Dezember die Weichen für den Brexit stellen will. "Wir werden die EU verlassen." Dann könnte der Startschuss für die nächste Phase der Verhandlungen fallen, in denen es um einen Freihandelsvertrag mit London gehen dürfte.
Am Montag war eine Einigung in den zähen Verhandlungen über die Grundzüge des EU-Ausstiegs bereits zum Greifen nah, scheiterte jedoch in letzter Minute am Einspruch der britischen Provinz Nordirland. Die Chefin der nordirischen Partei DUP erklärte am Freitag, Großbritannien habe substanzielle Änderungen an den Vorschlägen für die EU vorgenommen.