Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Zu den aktuellen Protesten im Iran hat die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, gestern im Namen der EU alle Beteiligten zu Gewaltverzicht aufgerufen und von der iranischen Regierung Respekt vor Meinungs- und Versammlungsfreiheit gefordert. In der Erklärung sagte sie, dass friedliche Demonstrationen und Meinungsfreiheit zu Grundrechten gehören, die für jedes Land, auch den Iran, gelten.“
Die EU stehe in Kontakt mit den iranischen Behörden und werde die Situation im Land aufmerksam verfolgen. Zwischen der EU und dem Iran gibt es kein direktes Handelsabkommen. Die Handelsbeziehungen der EU mit dem Iran sind an den Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan (Joint Comprehensive Plan of Action – JCPOA) gekoppelt. Die Umsetzung des Abkommens ermöglicht eine schrittweise Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen.
Die Sprecherin weiter: „Mit Beginn der Umsetzung des Abkommens am 16. Januar 2016 hat der Rat der EU alle wirtschaftlichen und finanziellen Nuklearsanktionen gegen Iran aufgehoben. Allerdings hat der Rat aufgrund der schweren Menschrechtsverletzungen in Iran am 11. April letzten Jahres seine Sanktionen auch im wirtschaftlichen Bereich bis zum 13. April 2018 verlängert. Diese Maßnahmen umfassen ein Reiseverbot und das Einfrieren von Vermögenswerten in Bezug auf 82 Personen und eine Organisation, ein Ausfuhrverbot für Ausrüstung, die zur internen Repression oder zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs eingesetzt werden kann.”
Seit dem 16.01.16 bestehen noch folgende EU-Sanktionen gegen den Iran:
- Personenlisten/Finanzsanktionen,
- Bestimmte Metalle
- Sonstige Güter
- Dual Use-Güter
- Militärgüterembargo
- Software für industrielle Prozesse und Abhörausrüstung
Personenlisten/Finanzsanktionen
Die Konten, die die gelisteten Personen und Unternehmen in der EU führen, werden eingefroren. Es ist verboten, diesen Personen "Gelder“, also finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche Vorteile, zur Verfügung zu stellen. Es ist verboten, den betroffenen Unternehmen und Personen mittelbar oder unmittelbar wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen oder zugute kommen zu lassen. Aus dem Verbot für „wirtschaftliche Ressourcen” geht auch ein Warenembargo hervor. Eine generelle Ausnahme für Altverträge gibt es nicht.
Bestimmte Metalle
Es besteht eine Genehmigungspflicht für den Export, den Verkauf, die Lieferung und Weitergabe von gelisteten Metallen an „iranische Personen“ oder zur Verwendung im Iran. Dies schließt die technische und finanzielle Unterstützung dafür sowie die Vermittlung ein.
Gelistet sind Grafit, korrosionsbeständiger Edelstahl, Aluminium und Aluminiumlegierungen, Titan und Titanlegierungen, Nickel und Nickellegierungen, jeweils in Form von Blechen, Platten, Rohren oder Stangen. Die Genehmigungserteilung orientiert sich an der Nicht-Verwendung im Nuklearbereich, für militärische Programme und zugunsten der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) sowie an der Vorlage von angemessenen Endverwendungsgarantien.
Sonstige Güter
Es besteht eine Genehmigungspflicht für den unmittelbaren oder mittelbaren Export, den Verkauf, die Lieferung und Weitergabe von gelisteten Güter und Technologien an eine „iranische Person“ oder zur Verwendung im Iran sowie deren Import, Erwerb, Beförderung aus dem Iran. Dazu gehören beispielsweise Hohlkatodenlampen, Faraday-Isolatoren, Optische Gitter, Laserspiegel, Laserlinsen, Vakuumpumpen und Heliumleckdetektoren.
Dual-Use-Güter
Es besteht eine Genehmigungspflicht mit Zustimmung der UN für den unmittelbaren oder mittelbaren Export, den Verkauf, die Lieferung und Weitergabe von Gütern der Nuclear Suppliers Group und Güter des Missile Technology Control Regimes. Dasselbe gilt für den Import.
Die Nuclear Suppliers Group besteht aus 48 Staaten, die die Proliferation von Kernwaffen verhindern wollen. Die Gruppe hat gemeinsame Exportbeschränkungen zur Lieferung von Kernmaterial festgelegt.
Das Missile Technology Control Regime ist eine internationale Organisation, die die Proliferation von ballistischen Raketen für nukleare, biologische und chemische Zwecke verhindern will. Sie hat diesbezügliche Exportbeschränkungen festgelegt.
Militärgüterembargo
Das generelle Verbot zur Lieferung, des Verkaufs, des Exports von Militärgütern sowie das Verbot der technischen Unterstützung und verwandter Tätigkeiten für Militärgüter gilt uneingeschränkt. Dies umfasst ein Investitionsverbot und ein Finanzierungsverbot für Militärgüter. Der Import, Erwerb, Beschaffung, Beförderung von Militärgütern aus dem Iran ist verboten.
Nicht gelistete Waren, bei denen die Gefahr besteht, dass sie eine militärische Verwendung im Iran erfahren könnten, sind melde- und genehmigungspflichtig.
Software für industrielle Prozesse
Es gilt eine Genehmigungspflicht (zuvor ein Verbot, Anm. d. Red.) zum unmittelbaren oder mittelbaren Export, Lieferung, Verkauf und Weitergabe an eine „iranische Person“ oder zur Verwendung im Iran von Software für die Unternehmensressourcenplanung, die speziell für die Verwendung in der Nuklear- und der militärischen Industrie konzipiert ist. Ausgenommen sind Softwarelösungen, die frei erhältlich sind.
Abhörausrüstung
Der unmittelbare und mittelbare Export, Verkauf, Lieferung und Weitergabe gelisteter Ausrüstung, Technologie und Software für die Überwachung oder das Abhören des Internets oder des Telefonverkehrs ist verboten, sofern offizielle iranische Behörden davon Gebrauch machen wollen. Maßgeblich ist der Verdacht.
Irans Ölexporte nach Europa
Nach Informationen des iranischen Ölministeriums gingen im vergangenen November 60 Prozent der iranischen Ölexporte in den asiatischen, während der europäische Markt die restlichen 40 erhielt, so das Financial Tribune.
China sei im November der größte Abnehmer von Irans Öl gewesen und habe rund 600.000 Barrel pro Tag importiert, so das Ministerium.
Südkorea war der Hauptabnehmer von iranischem Kondensat. Kondensat ist nach Angaben von Wintershall eines der leichtesten und wertvollsten Erdöle. Aus ihm werden unter anderem Benzin, Düsen-, Diesel- und Heizbrennstoffe erzeugt. Das Kondensat stammt aus dem Gasfeld South Pars, das das größte Gasfeld der Erde ist. South Pars befindet sich zwischen Iran und Katar im Persischen Golf. Südkorea hat die viertgrößte Volkswirtschaft Asiens und importierte im November 2017 über 400.000 Barrel pro Tag an iranischem Kondensat.
Bis vor zwei Jahren war der Iran vom europäischen Energiemarkt ausgeschlossen. Sein Ölhandel beschränkte sich auf einige wenige asiatische Käufer, die nur knapp eine Million Barrel pro Tag unter zeitweiligen Verzichtserklärungen importierten.
Die Aufhebung der Sanktionen im Januar 2016 trug jedoch dazu bei, dass der Iran die Ölverkäufe an Großkunden in Europa, darunter Saras und Eni, Refiner Hellenic Petroleum, Repsol, Royal Dutch Shell und der französische Energieriese Total, weiter vorantreiben konnte.
Irans Rohöl- und Kondensat-Exporte hatten Ende November 2,5 Millionen Barrel pro Tag überschritten, so der iranische Ölminister Bijan Namdar Zanganeh.
Der stellvertretende Ölminister des Iran, Marzieh Shahdai, sagte Ende November, dass sich der Iran in aktiven Verhandlungen mit neuen europäischen Kunden befinde, um seinen Anteil am europäischen Energiemarkt zu erhöhen. „Da die Verhandlungen mit den europäischen Ländern Früchte tragen, wird der Anteil der Europäer an den iranischen Ölexporten steigen”, zitiert das Financial Tribune Shahdai. Dies bedeute, dass der Iran auf dem europäischen Markt als Konkurrent für US-LNG-Produzenten und russische Energielieferanten auftreten will.
Handel und Investitionen zwischen EU und Iran
Seit Aufhebung der Sanktionen im Januar 2016 hat der iranische Markt vor allem das Interesse von europäischen Investoren angezogen. Der französische Energie-Riese Total hat ein Abkommen im Wert von 4,8 Milliarden Dollar, Peugeot im Wert von 400 Millionen Euro und Airbus im Wert von 25 Milliarden Pfund (33,9 Milliarden Dollar) abgeschlossen, so die Financial Times. Im Gespräch ist derzeit ein Joint Venture zwischen dem norwegischen Gas-Riesen Hemla Vantage und dem iranischen Energie-Konzern Kharg Petrochemical Company sowie eine millionenschwere Investition von Shell. Auch Renault hatte ein Abkommen mit dem Iran im Wert von 660 Millionen Euro abgeschlossen. Auffällig ist, dass sich neben europäischen Energiekonzernen auch europäische Autobauer für den iranischen Markt interessieren, berichtet die Financial Times.
Vor Verhängung der Sanktionen im Jahr 2010 war die EU der wichtigste Handelspartner des Iran. In den ersten beiden Quartalen des vergangenen Jahres ist der Handel zwischen den beiden Partnern auf zehn Milliarden Euro angestiegen. Nathalie Tocci, Direktorin des Think Tank des Institute for International Affairs in Rom und Beraterin von Federica Mogherini, sagte den Financial Times, dass die EU bisher versucht habe, einen „eisernen Schutz” gegen mögliche neue US-Sanktionen zu schaffen. „Deshalb wurde viel politisches Kapital investiert um den Deal (mit dem Iran, Anm. d. Red.) zu retten”, so Tocci.
„Irgendwann werden die USA Schwierigkeiten haben, wenn alle gegen US-Gesetze verstoßen (...). Es kommt darauf an, ob die europäische Wirtschaft den Mut hat, sich mit dem gesamten US-Finanzsystem anzulegen“, so Timothy O'Toole, ein Sanktionsanwalt bei Miller & Chevalier, der Kunden berät, die in den Iran investieren.
Ein anonymer europäischer Investor, der sich bereits im Iran befindet, sagte dem Blatt, dass sich die Ungewissheit über die Zukunft des Deals mit dem Iran bereits auf die Geschäftswelt auswirke.
„Wenn mir gesagt worden wäre, dass der US-Präsident den Deal zurücknehmen würde, wäre ich nie in den Iran gegangen (...). Also für neue Investoren wird es eine Abschreckung sein – aber für diejenigen wie uns, die schon da sind, sind wir zu weit gegangen, um uns zurückzuziehen”, so der Investor.
US-Außenminister Rex Tillerson sagte im Oktober 2017 bei einem Besuch in Saudi-Arabien, dass internationale Firmen von ihren Investitionen und Geschäftstätigkeiten im Iran ablassen sollen. „Europäische oder andere weltweite Unternehmen tun dies mit einem hohen Risiko”, zitiert die New York Times Tillerson.
Im Jahr 2016 belief sich die Handelsbilanz zwischen der EU und dem Iran auf 2,6 Milliarden Euro, führt die EU-Kommission in einem Bericht aus.
Die EU exportierte Waren im Wert von über 8,2 Milliarden Euro. Bei den Gütern handelte es sich hauptsächlich um Maschinen und Transportausrüstungen im Wert von 3,8 Milliarden Euro. An zweiter Stelle standen chemische Erzeugnisse im Wert von 1,8 Milliarden Euro und an dritter Stelle Fertigwaren im Wert von 0,7 Milliarden Euro.
Die EU importierte 2016 iranische Waren im Wert von etwa 5,5 Milliarden Euro. Bei 77 Prozent der Importgüter handelte es sich um Energiegüter im Wert von 4,2 Milliarden Euro. An zweiter Stelle standen Industriegüter im Wert von 0,4 Milliarden und an dritter Stelle Nahrungsmittel im Wert von 0,3 Milliarden Euro.
Im Jahr 2016 stiegen die EU-Einfuhren aus dem Iran um 344,8 Prozent und die EU-Ausfuhren stiegen um 27,8 Prozent. Der Handel zwischen Deutschland und dem Iran hat vor allem in den vergangenen Monaten deutlich zugelegt.
Rückblick EU und Iran
Eine EU-Delegation hatte den Iran vom 11. Bis zum 14. Juli 2017 besucht, um eine engere Kooperation in den Gebieten des Handels, der Wirtschaftspolitik, der Investitionen und der Finanzen zu diskutieren, berichtet der Europäische Auswärtige Dienst in einer Mitteilung. Die Delegation, der unter anderem Vertreter der EZB, der Dienststellen der Kommission für Handel, Wirtschaft und Finanzen und der Europäischen Investitionsbank angehörten, wurde vom Generaldirektor der Europäischen Kommission für den Binnenmarkt, die Industrie und das Unternehmertum, Eric Mamer, angeführt. Die Delegation traf sich mit Vertretern des iranischen Ministeriums für Industrie, Bergbau und Handel, des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen, der Notenbank, der Zollverwaltung und der iranischen Handelskammer. Am 16. Juli sagte EU-Außenamtschefin Federica Mogherini bei ihrem Besuch in Teheran, dass die EU Irans Integration in die Weltwirtschaft und seine Mitgliedschaft in der WTO aktiv unterstütze. Mogherini vereinbarte mit dem iranischen Außenminister Zarif, eine „Europäische Wirtschafts-Mission“ in Teheran ins Leben zu rufen. Die Mission nahm zwischen dem 17. und 19. Oktober ihre Arbeit und wird von der EU-Kommissarin für den Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum sowie KMUs, Elzbieta Bienkowska, geleitet. Die wirtschaftliche Kooperation zwischen der EU und dem Iran soll vor allem in den Bereichen der Textilien, der Automobilindustrie, der Rohstoffe, des Tourismus und des Bauwirtschaft stattfinden.
Vor allem die deutsche Industrie könnte von der Annäherung profitieren. Wolfgang Bernhard von Daimler sagt, dass es im Iran eine hohe Nachfrage nach kommerziellen Fahrzeugen gebe, berichtet die Nachrichtenagentur Tasnim. Deshalb sollen die Geschäftsaktivitäten alsbald wieder aufgenommen werden, so die Agentur weiter. So soll ein Joint Venture gegründet werden, damit Daimler-LKWs direkt im Iran produziert werden können. Beide Seiten wollen zudem eine Motorenproduktion im Iran aufbauen und einen Daimler-Vertriebsarm aufbauen. Daimler ist seit dem Jahr 1953 im Iran aktiv und verkaufte – bis zu den Sanktionen – jährlich 10.000 LKWs.
Zusätzlich will Deutschland über den „Senior Expert Service“ (SES) pensionierte deutsche Experten in den Iran schicken, berichtet die DW. Dazu gehören Ingenieure, Techniker, aber auch Lehrer oder Landwirte. Diese sollen die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Deutschland und dem Iran vorantreiben.