Die angesehene israelische Zeitung Haaretz wartet mit einem interessanten Bericht auf, der besonders bemerkenswert ist, weil in Israel eine strenge Militärzensur herrscht und Berichte zum Syrien-Krieg nicht in ausschließlicher Verantwortung der Redaktionen erstellt werden können. Haaretz hat nun aus Sicherheitskreisen erfahren, dass der russische Präsident Wladimir Putin weitere Militärschläge Israels gegen Syrien unterbunden hat. Israel hatte am Samstag massive Luftschläge gegen Syrien gestartet, nachdem angeblich eine iranische Drohne den israelischen Luftraum verletzt hatte.
Am Samstagnachmittag, nach der zweiten Welle von israelischen Luftschlägen gegen syrische und iranische Ziele in Syrien, kündigten hochrangige israelische Regierungsbeamte an, weitere militärische Aktionen in Syrien durchführen zu wollen. Doch dieser Ansatz wurde kurz nach einem Telefonat zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu verworfen.
Die israelische Zeitung Haaretz führt dazu aus: „Die offizielle Ankündigung des russischen Außenministeriums lehnte eine Verletzung der syrischen Souveränität durch Israel ab und ignorierte dabei die Ursache der Intervention, nämlich das Eindringen einer iranischen Drohne in den israelischen Luftraum, die die israelische Reaktion ausgelöst hatte, vollständig. Wenige Stunden später sprach Putin mit Netanjahu und forderte ihn auf, Schritte zu vermeiden, die zu ’neuen gefährlichen Konsequenzen für die Region’ führen könnten.”
Die Russen seien auch besorgt darüber gewesen, dass die israelischen Luftschläge in den Gebieten ausgeführt werden, wo sich eine Reihe von russischen Soldaten und Beratern befinden – einschließlich des Stützpunkts T-4 in der Nähe von Palmyra, wo sich der iranische Kontrollposten, von dem die Flugabwehr-Rakete abgefeuert wurde, befindet.
Tatsächlich kooperieren Russland und Israel seit Anbeginn des Syrien-Krieges. Moskau hatte den Israelis erlaubt, einzelne Angriffe gegen Stellungen der Hisbollah in Syrien zu fliegen. Israelischen Angaben zufolge soll es sich um mehr als 100 Einsätze gehandelt haben.
Dem Blatt zufolge, zeige der Stopp der israelischen Luftschläge, wer „der wahre Boss im Nahen Osten” ist. Während die USA auf der Suche nach einer einheitlichen Außenpolitik seien, bestimme Russland, wie die Dinge im Nahen Osten abzulaufen haben. Russland habe zu viel in seine Syrien-Politik und in die Unterstützung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad investiert. Deshalb werde Moskau seine Politik in Syrien nicht durch Israel vereiteln lassen. Es sei davon auszugehen, dass Putin dies während des Telefongesprächs mit Netanjahu unterstrichen hat. Israel verfüge zwar über Fähigkeiten und Möglichkeiten, um den Syrien-Konflikt weiter eskalieren zu lassen, doch es sei zu bezweifeln, ob Netanjahu eine Konfrontation mit Russland eingehen will.
Diese Spekulation von Haaretz dürfte allerdings nur ein Teil der Erklärung sein. Tatsächlich hat Russland auch ein Interesse, die Lage zu deeskalieren, weil in Israel eine große russische Community lebt. Putin hatte erst vor wenigen Monaten der israelischen Bitte stattgegeben, die Renten für aus Russland stammende Auswanderer zu finanzieren.
Die israelische Luftwaffe hat laut Haaretz zwar während der Luftschläge zahlreiche syrische Luftabwehr-Batterien zerstört, allerdings hätten die Iraner und Syrer den Abschuss eines israelischen Kampfjets ebenfalls einen Erfolg erzielt.
Haaretz führt aus, dass die Situation für Israel komplizierter werden könnte. Es stelle sich die Frage, was Israel tun werde, wenn sich der nächste Waffen-Konvoi über Syrien in den Libanon an die Hisbollah auf den Weg macht. Denn durch den Abschuss des israelischen Jets hätten der Iran und seine Verbündeten gezeigt, dass sich über die Fähigkeiten verfügen, um Jets abzuschießen. Auch wenn die israelischen Jets das nächste Mal mit einem umfassenderen Schutz zum Einsatz kommen, bleibe das Risiko eines erneuten Abschusses bestehen.
Der israelische Generalstabschef Gadi Eisenkot hatte im vergangenen Monat den monatlichen Geheimdienstbericht des israelischen Militärs vorgetragen. In dem Bericht wird davor gewarnt, dass die zahlreichen israelischen Erfolge gegen Stellungen in Syrien dazu führen könnten, dass der „Feind” in einer Art und Weise reagiert, die die gesamte Region an den Rand eines Kriegs katapultieren könnte. Haaretz argumentiert, dass dies im Wesentlichen das sei, was sich am vergangenen Wochenende ereignet habe.
Aus dem Geheimdienstbericht gehe hervor, dass „eine weitere Auseinandersetzung mit dem Iran nur eine Frage der Zeit” sei. Allerdings sei sich die israelische Führung darüber bewusst, dass Israel nicht über unbegrenzte militärische Stärke verfüge. Deshalb werde sie es verhindern, die Forderung der israelischen Rechten, wonach der Iran direkt angegriffen werden soll, zu erfüllen, so das Blatt.