Politik

Großmächte kämpfen um Öl und Gas im östlichen Mittelmeer

Lesezeit: 5 min
06.04.2018 23:50
Die USA und Russland mit ihren Verbündeten, aber auch die Türkei und Israel, befinden sich im Wettlauf um die Kontrolle des östlichen Mittelmeers. Der Syrien-Konflikt ist ein Teil dieses Wettlaufs.
Großmächte kämpfen um Öl und Gas im östlichen Mittelmeer

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Ein herausragendes Merkmal, das die geopolitische Bedeutung des östlichen Mittelmeeres seit Jahrhunderten geprägt hat, war seine Position als Kreuzungspunkt zwischen drei Kontinenten: Europa, Asien und Afrika. Die heutige regionale Machtverteilung spiegelt diesen jahrhundertealten Status wider. Staaten wie Griechenland, die Türkei, Israel und Ägypten spielen in diesem Bereich eine wichtige Rolle. Aber auch der Iran und die EU (über Griechenland und Zypern) und Italien und Frankreich, deren Energiekonzerne in der Region präsent sind, haben dort ebenfalls erhebliche Anteile, führt der Geopolitical Monitor (GM) - ein kanadisches nachrichtendienstliches Fachmagazin -  in einer Analyse aus. Außerdem sind Großmächte wie die USA, Russland und auch China mit der Initiative der Neuen Seidenstraße beteiligt.

Dieses komplizierte Netzwerk divergierender Interessen und gegensätzlicher Identitäten, kombiniert mit der geostrategischen Bedeutung des Gebiets, erklärt, warum der östliche Mittelmeerraum durch so viele Konflikte und territoriale Konflikte gekennzeichnet ist. In diesem Zusammenhang könnte die jüngste Entdeckung wichtiger Kohlenwasserstofflagerstätten (Öl und Gas) die Situation noch weiter verschärfen. Die Bohrungs-Aktivitäten haben in den vergangenen Jahren zugenommen, und eine Reihe vielversprechender Offshore-Gasfelder wurde entdeckt. Dies zog die Aufmerksamkeit der großen Energieunternehmen wie Exxon Mobil, Total und ENI auf sich. Einer Studie des United States Geological Survey (USGS) aus dem Jahr 2010 zufolge beherbergt der östliche Mittelmeerraum über 122 Billionen Kubikfuß Erdgas und 1,7 Milliarden Barrel an Ölreserven.

In einer derart rohstoffreichen Region kann es jedoch problematisch sein, zu bestimmen, wer das Recht auf Zugang zu diesen Ressourcen hat und diese ausbeuten kann, da dies eine Einigung über die jeweiligen ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) erfordert, so der GM.

Es konnten sich beispielsweise Israel und Zypern und Ägypten und Zypern einigen, doch in anderen Fällen ist eine Lösung weitaus schwieriger zu erzielen.

Das heißt, einige reiche Lagerstätten liegen weit entfernt von den Küsten Israels und des Libanon (wie das Tamar- und Leviathan-Feld). Einige liegen in der Nähe von Ägypten (insbesondere das Zohr-Feld, das größte in der Region) und andere in der AWZ Zyperns, wie die Aphrodite- und Calypso-Felder, wobei sich hier Zypern und die Türkei um die Förderrechte streiten. Unter den Konflikten, die das Gebiet charakterisieren, nehmen drei eine größere Bedeutung ein: der israelisch-libanesische Grenzstreit, der Krieg in Syrien und schließlich die Zypernfrage.

Drei Konfliktgebiete im östlichen Mittelmeerraum

Israel und der Libanon haben keine Einigung über die Abgrenzung ihrer jeweiligen AWZ erzielt, und da einige Gasvorkommen nahe der Küste beider Staaten liegen, gibt es keine Übereinstimmung darüber, wem diese Ressourcen gehören. Israel hat im Rahmen dieses Disputs eindeutig die Oberhand. Jerusalem hat eine feste Haltung eingenommen, um sein Recht geltend zu machen, die Kohlenwasserstoffe der Region zu nutzen. Aber die Dinge sind kompliziert, da Beirut mit Teherans Unterstützung gegen diese Schritte protestiert hat. Vor allem aber hat die libanesische Hisbollah, die mächtige schiitische Miliz, die vom Iran unterstützt wird, gedroht, israelische Schiffe und Einrichtungen, die an der Offshore-Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen beteiligt sind, anzugreifen, wenn sich Israel in Beiruts Gasentwicklungs-Projekte einmischt. Unter Berücksichtigung aller anderen Spannungsquellen könnte die Situation daher rasch eskalieren. Insbesondere könnte Israel beschließen, eine neue Offensive im Südlibanon zu starten.

Der Iran unterstützt den Libanon nicht aus reiner Selbstlosigkeit. Teheran hat konkrete Pläne in Bezug auf die Levante und das östliche Mittelmeer, was auch seine Haltung in Syrien erklärt. Dieses Land ist seit 2011 von einem verheerenden Stellvertreter-Krieg heimgesucht worden. Obwohl es bisher kein bedeutender Kohlenwasserstoffproduzent war, hat Syrien in der Energiegeopolitik des östlichen Mittelmeeres noch eine bemerkenswerte Bedeutung als Pipeline-Kreuzung. Angesichts des Syrien-Konflikts und den von Westen unterstützten Sanktionen kann Damaskus seine Öl- und Gasgüter nicht mehr wie vor dem Krieg nach Europa exportieren.

Eine Lösung könnte darin bestehen, die Exporte durch die Zusammenarbeit mit dem Iran und Russland zu diversifizieren. Der Iran plante den Bau einer Pipeline zum Mittelmeer und Europa durch den Nordirak und Syrien, was die Präsenz Teherans in diesen beiden Staaten und seine entschiedene Unterstützung der syrischen Regierung erklärt. Moskau sieht in Syrien einen wichtigen Zugang zum Mittelmeer, auch im Energiebereich. Es sei darauf hingewiesen, dass Russland im vergangenen Januar das ausschließliche Recht erhalten hat, Öl und Gas im Land zu produzieren, berichtet Radio Free Europe/Radio Liberty. Russland wird nicht nur seine Position im Nahen Osten  stärken, sondern auch die erheblichen Kosten für den Wiederaufbau der syrischen Energieinfrastruktur übernehmen, die auf 35 bis 40 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. Moskau möchte dadurch auch einen Zugang zu den fossilen Brennstoffvorkommen im östlichen Mittelmeer erhalten.

Der GM wörtlich: “Wichtig ist, dass die russisch-iranischen Projekte in der Region die Türkei umgehen und die politische Hebelwirkung verringern, die sie als eine wichtige Pipeline-Kreuzung zwischen Ost und West genießt. Vor diesem Hintergrund ist Ankaras Intervention in Syrien nicht nur ein Versuch, die Bildung eines kurdischen Staates zu stoppen, sondern auch eine Maßnahme, um die Realisierung solcher Pipeline-Projekte zu vermeiden, die ihre geoökonomische Relevanz verringern würden.”

Beim Syrien-Konflikt geht es also auch um den Zugang zum Mittelmeer und seinen Brennstoffvorkommen, und dies bringt uns in die letzte Konfliktzone: Zypern. Abgesehen von ihrer eigenen Relevanz ist die Insel auch eng mit den anderen oben beschriebenen Konfliktgebieten verbunden, und es wurde sogar spekuliert, dass der Syrien-Konflikt auf Zypern übergreifen könnte. Die Entdeckungen der Aphrodite- und Calypso-Felder haben die Hoffnung aufkommen lassen, die Insel zum Zentrum der Energieproduzenten im östlichen Mittelmeerraum zu machen und sogar den seit 1974 bestehenden Streit zwischen dem griechischen Süden und dem türkischen Norden zu lösen. Doch der Gas-Fund hat zu erneuten Spannungen zwischen Zypern und der Türkei geführt.

Türkei und Zypern

Die Aussicht auf einen Energiereichtum schürte nur den Streit darüber, wer auf die Ressourcen zugreifen dürfe und wie sie verteilt werden sollten. In diesem Zusammenhang zögerte Ankara nicht, das Militär zum Schutz seiner Interessen einzusetzen. Der bemerkenswerteste Vorfall ereignete sich am 9. Februar, als Ankaras Marine die Saipem 12000, ein Bohrschiff des italienischen ENI, daran hinderte, Gasexplorationsaktivitäten vor der Küste Zyperns durchzuführen.

Die türkische Regierung hat der griechisch-zypriotischen Regierung einseitige Maßnahmen zur Ausbeutung der Energievorkommen zum ausschließlichen Vorteil der griechischen Gemeinschaft vorgeworfen, während Nikosia seine Besorgnis über die Drohung Ankaras, Gewalt anzuwenden, äußerte. Und da ist mehr.

Am 12. Februar 2018 rammte ein türkisches Patrouillenboot ein griechisches in der Nähe der umstrittenen Imia / Kardak-Inseln. Ein weiterer Vorfall ereignete sich am 1. März 2018, als zwei griechische Soldaten von einer türkischen Patrouille gefangen genommen wurden, nachdem sie einen unklaren Teil der Grenze zwischen den beiden Ländern überquert hatten, wodurch die Spannungen wieder anstiegen. Am 16. April 2017 flogen der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos und der Oberkommandierende der griechischen Streitkräfte, Alkiviadis Stefanis, auf die Insel Agathonisi direkt vor der türkischen Küste, berichtet die griechische Tageszeitung Elefteros Typos. Dort führten sie mit mehreren Soldaten eine Aktion durch. Es wurden Lämmer am Spieß gebraten. Diese symbolische Aktion geht auf die griechische Besatzung der Türkei von 1919 bis 1922 zurück. Damals hatten die griechischen Besatzer in den eroberten Gebieten der Türkei demonstrativ Lämmer am Spieß gebraten, um den Türken zu verdeutlichen, dass sie am Ende seien, berichtet die Zeitung Sözcü.

Die Durchsetzungsfähigkeit der Türkei bei der Bekräftigung ihrer Ansprüche betrifft auch andere Länder, insbesondere Ägypten. Abgesehen von der Unzufriedenheit mit Ankaras Unterstützung für die frühere Regierung der Muslimbruderschaft verfolgt der gegenwärtige ägyptische Präsident el-Sisi auch in Zusammenarbeit mit Zypern und Israel wichtige Projekte zur Entwicklung der Offshore-Gasreserven des Landes. In diesem Zusammenhang hat Ägypten im Februar 2018 ein 15-Milliarden-Dollar-Abkommen mit Jerusalem für den Import von israelischem Gas unterzeichnet, so Bloomberg. Die Pläne Ägyptens im Zusammenhang mit der Kooperation zwischen Nikosia und Kairo kollidieren mit den Interessen der Türkei.

Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat sich zwischen Israel und Ägypten, den ehemaligen Erzfeinden, eine intensive militärische Zusammenarbeit ergeben. Die New York Times berichtete Anfang März, dass Israel in einem Zeitraum von Zwei Jahren Luftschläge gegen die Muslimbrüderschaft durchgeführt hat - mit Drohnen, Helikoptern und Kampfjets.

Griechenland, Zypern und Israel verstärken ihre Energie- und Verteidigungspartnerschaft und haben zusammen mit Italien eine Vereinbarung über den Bau einer neuen Pipeline nach Europa erzielt. Ägypten hofft hingegen, Teil des Abkommens zu werden, indem es sein Zohr-Feld mit dieser Pipeline verbinden will. Aber ähnlich wie die Iran-Irak-Syrien-Pipeline umgeht dieses Projekt die Türkei, was die Opposition Ankaras erklärt.

Die Entwicklung zeigt, dass Zypern im Zentrum der Gasgeopolitik in der Region steht und dass die Türkei ihren Status als wichtiger Energieknotenpunkt nicht verlieren möchte. Wichtige Gasfelder befinden sich in der Nähe von Zypern, und die bestehenden Streitigkeiten beruhen weitgehend darauf, wie Nikosia seine AWZ mit Nachbarländern abgegrenzt hat.

Dies wiederum veranlasst andere Mächte, zu reagieren, indem sie ihre Zusammenarbeit nach einer “anti-türkischen Logik” verstärken, so der GM. Wenn Ankara weiterhin entschlossen handelt, dürfte dieser Trend verstärkt werden und die Gefahr von Konflikten im östlichen Mittelmeer, insbesondere in Zypern und seinen Gewässern, steigen.


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