Die Deutsche Bank verabschiedet sich unter dem neuen Chef Christian Sewing von ihrem Anspruch, ebenbürtig mit den großen Wall-Street-Banken um die Vorherrschaft im globalen Investmentbanking zu ringen. Nach einem Gewinneinbruch um fast 80 Prozent zu Jahresbeginn soll im schwächelnden Investmentbanking kaum ein Stein auf dem anderen bleiben, Tausende Arbeitsplätze könnten dem strategischen Schwenk zum Opfer fallen.
Das lange schon unter Druck stehende Geschäft in den USA, aber auch zum Teil das in Asien, wird zugunsten Europas stark verkleinert. „Wir schrauben ganz klar unsere Ambitionen zurück“, sagte Finanzchef James von Moltke dem Sender CNBC am Donnerstag in Frankfurt. Sewing machte klar: „Die Ergebnisse im ersten Quartal zeigen die Notwendigkeit, sofort zu handeln.“
Kosten wird die von Investoren schon länger geforderte Operation am offenen Herzen der Investmentbank eine ganze Menge: In diesem Jahr steigen die Ausgaben für den Umbau um 300 Millionen Euro auf rund 800 Millionen. Das Institut will 2018 dennoch profitabel bleiben. Einen Gutteil der Kosten verursachen Abfindungen für Mitarbeiter, die nicht mehr gebraucht werden. Wie viele genau gehen müssen, wollte Sewing nicht sagen, betonte aber, es werde eine „signifikante“ Zahl sein. Derzeit arbeiten in aller Welt rund 98.000 Menschen für die größte deutsche Bank.
Wie die Financial Times berichtet, sollen am Mittwoch kurz vor Ankündigung des Strategieschwenks bereits 300 Mitarbeiter in den USA entlassen worden sein. Bis zum Wochenende sollen mindestens 100 weitere folgen. Diese Entlassungen dürften aber nur der Beginn sein, da die Deutsche Bank in den USA bislang etwa 10.000 Mitarbeiter beschäftigte.
Von Moltke zufolge wird der Großteil der Stellestreichungen außerhalb Deutschlands stattfinden. „Wir peilen an, diese Streichungen noch im laufenden Jahr durchzuführen“, wird Moltke von der FT zitiert.
Unter anderem soll der Anleihehandel in den USA deutlich abgespeckt werden – völlig zurückziehen von der Wall Street will sich Sewing freilich nicht. Der Vorstand prüft aber auf globaler Ebene, wie stark das Haus noch im Aktienhandel mitmischen will. Im Zahlungsverkehr und im Devisenhandel will Sewing weiter ganz vorne mitspielen. Das Beratungs- und Finanzierungsgeschäft in Europa will er stärken, wo die Bank ohnehin bereits zu den Marktführern gehört. In den Vereinigten Staaten und Asien wird das Geschäft in jenen Bereichen reduziert, die kaum grenzüberschreitend tätig sind.
„Unsere Wurzeln liegen in Europa – hier wollen wir Unternehmen und institutionellen Kunden weltweite Finanzierungslösungen anbieten. Darauf werden wir uns künftig noch viel stärker konzentrieren“, sagte Sewing, den der Aufsichtsrat der Bank in einer Krisensitzung am 8. April zum Nachfolger von John Cryan ernannt hatte. Dem seit Mitte 2015 amtierenden Briten hatten viele vorgeworfen, er treffe zu zögerlich die nötigen Entscheidungen, um das Institut wieder auf Kurs zu bringen.
Sein Nachfolger legt nun nach nicht einmal drei Wochen im Amt einen Turbostart hin. Investoren unterstützen den Kurs des inzwischen 48-Jährigen. „Es ist gut, dass Sewing Gas gibt. Allerdings muss sich das dann natürlich auch im Ergebnis niederschlagen“, hieß es im Umfeld eines der größten Anteilseigner der Bank. Von einem anderem Investor kamen deutlich skeptischere Töne: „Bislang sieht das noch nach einem Schnellschuss aus.“ Auch stelle sich die Frage, ob die nun angekündigten Maßnahmen, die teilweise noch sehr vage seien, auch genügten. An der Börse reichte es für die Aktie nach drei Verlustjahren in Folge und wegen des schwachen Jahresauftakts nur zu einem kleinen Plus.
Dabei sagte Sewing am Donnerstag eigentlich genau das, was Aktionäre normalerweise hören möchten. So will der neue Chef auch bei den Kosten die Axt anlegen: Der Vorstand habe sich nach drei Abgängen – Ex-Vorstandschef Cryan, IT-Chefin Kim Hammonds und der bisherige Co-Leiter der Investmentbank Marcus Schenck – bereits erheblich verkleinert. „Doppelspitzen in den Geschäftsbereichen werden abgeschafft. Auf allen Ebenen sollen schlankere Führungsstrukturen zu geringeren Kosten und schnelleren Entscheidungen führen.“
Die Sparanstrengungen werden auch das mittlere Management treffen. Das Ziel besteht darin, die Kosten der Deutschen Banken auf höchstens 23 Milliarden Euro pro Jahr zu begrenzen. Dieser Wert sei „nicht verhandelbar“, wird Sewing vom Finance Magazin zitiert. „Eine Entwicklung wie im vierten Quartal vergangenen Jahres, als die Kosten nach oben schnellten, darf es in diesem Jahr nicht noch einmal geben“, schreibt Sewing in einem Brief an die Mitarbeiter. Um die Sparziele zu erreichen, will die Bank ihre Ausgaben für Dienstleister auf den Prüfstand stellen, Gebäudekosten reduzieren und interne Kontrollsysteme effizienter machen.
Während die Investmentbanker bluten müssen, sieht Sewing die Zukunft der Bank im klassischen Privat- und Firmenkundengeschäft und in der Vermögensverwaltung. Neben dem Heimatmarkt Deutschland wolle er sich auf wachsende Märkte wie Italien und Spanien konzentrieren sowie auf das Geschäft mit vermögenden Kunden, das in Deutschland und international ausgebaut werden soll. „In der Privat- und Firmenkundenbank und bei der DWS setzen wir auf Wachstum“, sagte Sewing, der vor seinem Wechsel an die Spitze des Finanzkonzerns einer der beiden Leiter des Privatkundengeschäfts war.
„Ab 2021 sollen die Privat- und Firmenkundenbank und der Vermögensverwalter DWS nachhaltig ungefähr die Hälfte der Konzernerträge erwirtschaften“, erklärte Sewing. „Zusammen mit der Transaktionsbank sollen die stabileren Geschäftsbereiche einen Ertragsanteil von etwa 65 Prozent erreichen.“ Schon heute sind es rund 60 Prozent.
Mit dem Strategieschwenk ist die Bank allerdings spät dran. Die Schweizer Rivalin Credit Suisse beispielsweise hatte ihren Wandel von einer Investmentbank zu einem Vermögensverwalter für reiche Kunden schon vor rund zwei Jahren eingeleitet. Zum Jahresstart verbuchte die Bank das beste Quartalsergebnis sei 2015.
Im ersten Quartal, das noch Sewings Vorgänger Cryan zu verantworten hat, ging der Gewinn unter dem Strich auf 120 Millionen Euro von 575 Millionen vor Jahresfrist zurück. Die Erträge gaben um fünf Prozent auf sieben Milliarden Euro nach. Vor allem die Investmentbank musste kräftig Federn lassen – die Erträge der Sparte sanken im Vergleich zum Vorjahresquartal um 13 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro. Im Gegensatz dazu hatten die meisten Konkurrenten, allen voran die großen Wall-Street-Banken in den USA, hier üppig verdient.
Zu bedenken ist, dass die schwache Position der Deutschen Bank im Bereich des Investmentbankings nicht zuletzt das Resultat einer Serie hoher Strafen und Sanktionen ist, die dem Institut von den US-Behörden auferlegt wurden. Zuletzt hatte eine Strafandrohung des US-Justizministeriums über bis zu 14 Milliarden Dollar die Bank an den Rand eines Kollaps gebracht.
Die 1870 gegründete Deutsche Bank hatte sich lange Zeit vor allem darauf konzentriert, deutsche Unternehmen ins Ausland zu begleiten. Vor rund 30 Jahren hatte sie dann mit dem Kauf der britischen Bank Morgan Grenfell und einige Jahre später der Übernahme der New Yorker Investmentbank Bankers Trust diese Strategie aufgegeben und seitdem versucht, mit den Wall-Street-Giganten mitzuhalten. „Das war der Kardinalfehler“, sagte Klaus Nieding von der Aktionärsschutzvereinigung DSW zu Reuters: „Eine Investmentbank aufzubauen ohne eigene Expertise. Die hat ein Eigenleben entwickelt, worunter die Bank bis heute leidet.“
***
Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:
Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.